Die Aura des Originals – alles nur ein Fake?
Archivmeldung vom 22.02.2014
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtAuthentische, originale Objekte sind seit jeher die Stars der meisten Museen und Ausstellungen. Wissenschaftler des Deutschen Museums in München und des Leibniz-Instituts für Wissensmedien (IWM) in Tübingen haben nun versucht, das Geheimnis um die sprichwörtliche Aura jener Originale zu lüften. In einer kürzlich veröffentlichten Studie kommen sie zu einem überraschenden Ergebnis: Technische Details und Einblicke in die Funktionsweise der ausgestellten Objekte stehen bei den meisten Besuchern eines Museums für Wissenschaft und Technik deutlich höher im Kurs als ihre Originalität.
Die erste elektrische Lokomotive, der Patent-Motorwagen von Carl Benz oder echtes Mondgestein – wie in vielen anderen Museen gehören auch im Deutschen Museum authentische Objekte zu den Hauptattraktionen der Ausstellungen. Die Originale erzählen Geschichten aus vergangenen Zeiten, von fernen Orten und berühmten Personen. Sie entführen die Museumsbesucher in fremde Welten und strahlen eine besondere Faszinationskraft aus – so lautet jedenfalls die weit verbreitete Annahme. Doch gibt es diese Aura des Originals wirklich? Nehmen Museumsbesucher Originale tatsächlich anders wahr als identische Nachbildungen?
Diese Fragen stellten sich auch Wissenschaftler des Deutschen Museums in München und des Leibniz-Instituts für Wissensmedien in Tübingen. Sie untersuchten die Wirkung authentischer Objekte auf Museumsbesucher systematisch in einer Besucherstudie . Dazu wurden den Besuchern eine Reihe ausgewählter Museumsobjekte präsentiert, die abwechselnd als Originale oder Nachbildungen gekennzeichnet wurden. In insgesamt 56 ausführlichen Interviews kamen die Forscher zu einem überraschenden Ergebnis: Für die Mehrheit der Besucher spielt die Originalität der Objekte eine weitaus geringere Rolle als angenommen. In einem Objekteranking erhielten die originalgetreuen Nachbildungen ebenso gute Rangplätze wie die Originale selbst. Eine weitaus größere Rolle spielten hingegen die Ästhetik der (außergewöhnlichen) Objekte, ihr Bezug zur Lebenswelt der Besucher und vor allem ihre Fähigkeit, wissenschaftliche und technische Erkenntnisse zu vermitteln.
Das bedeutet jedoch nicht, dass in Zukunft alle Originale durch Nachbildungen ersetzt werden können. Denn die Ergebnisse der Studie zeigen auch, dass für technisch versierte Besucher nur Originale in der Lage sind, verlässliche technische Details und Hinweise zur Funktionsweise der Objekte zu vermitteln. Authentische Objekte erzählen also – zumindest in Museen für Wissenschaft und Technik – nicht nur Geschichten von vergangenen Zeiten. Sie garantieren auch exakte wissenschaftliche Information – allerdings nur, sofern sie die Besucher auch entschlüsseln können. Umso wichtiger wird es daher in Zukunft sein, die Originale mit Modellen oder (digitalen) Demonstrationen zu verknüpfen, die den Besuchern dabei helfen, die Bedeutung der Objekte und ihre Funktionsweise zu verstehen.
Im Rahmen der Zukunftsinitiative des Deutschen Museum werden in den Ausstellungen die aktuellsten Erkenntnisse aus der historischen Forschung sowie neueste Aspekte der Museumspädagogik und -didaktik umgesetzt. Die Studie über die Wirkung von authentischen Museumsobjekten ist dabei nur eine Maßnahme unter vielen um dieses Ziel zu erreichen.
Quelle: Deutsches Museum (idw)