Kritische Richter und Staatsanwälte: Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer wie die Maskenbeschaffung
In einer beim Netzwerk Kritische Richter und Staatsanwälte n.e.V. (KRiStA) veröffentlichten Arbeit wurde dargelegt, dass gesetzwidrig und nach zutreffender Ansicht des Bundesrechnungshofs (BRH) „im Ergebnis ohne Nutzen für die Pandemiebekämpfung und damit ohne gesundheitspolitischen Nutzen“ durch die Maskenbeschaffung Steuergelder in Höhe von ca. 10 Milliarden Euro verschleudert worden sind.
Weiter berichtet KRiStA: "Nach den jetzt vorliegenden neuesten Informationen hat die Steuergeldvernichtung noch weit höhere Dimensionen als bisher angenommen. Die in neuen Dokumenten zu Tage tretende manipulative Art, das Ungeheuerliche als das Notwendige und Unvermeidliche darzustellen, ist kaum erträglich.
Bei den erwähnten Dokumenten handelt es sich zunächst um das Schreiben von Staatssekretär Dr. Steffen Meyer vom Bundesministerium der Finanzen (BMF) vom 28.11.2024 an den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages (Vorlage Nr. 359/2024 – Haushaltsdrucksache 7336, folgend Drucksache genannt); sodann um die Kleine Anfrage der CDU-Bundestagsfraktion vom 22.08.2024 (folgend Anfrage genannt). Gleichzeitig wird hier auf den Bericht des Bundesrechnungshofs zur Maskenbeschaffung vom 28.03.2024 (folgend BRH-Bericht genannt) zurückgegriffen.
Die Drucksache antwortet auf die Aufforderung des Haushaltsausschusses des Bundestages an die Bundesregierung, ein Nutzungskonzept für noch gelagerte persönliche Schutzausrüstung (PSA) zu erarbeiten.
In der Antwort wird das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) als eine Behörde dargestellt, deren wesentliches Bemühen darin bestanden habe und besteht, die laufenden Lagerkosten für PSA zu verringern, um den Bundeshaushalt zu entlasten. Es wird ausschließlich auf den Ist-Zustand im November 2024 abgestellt und darauf, was für die Zukunft an Sparmaßnahmen geplant ist. Die Höhe der seit dem Beginn der Maskenbeschaffung am 09.03.2020 entstandenen Lagerkosten wird ausgeblendet. Sie werden als unvermeidlich dargestellt. In diesem Sinne wird ausgeführt: „Bis Q2 2025 werden durch geplante Umlagerung und Warenbestandreduzierungen die aktuell neun Lager bei externen Logistikdienstleistern auf ein Lager sowie drei Lager bei der Bundesanstalt Technisches Hilfswerk (THW) reduziert. Damit reduzieren sich die (Lager) Kosten von bisher 1,2 Millionen Euro auf ca. 0,215 Millionen Euro pro Monat.“ 65.000 Euro zusätzlicher monatlicher Kosten für die in China noch lagernden 103 Millionen Masken werden nur nebenbei erwähnt.
Das BMF verkündet mit seiner Drucksache nur die Absicht, die laufenden Lagerkosten zu reduzieren. Real gespart ist damit noch nichts.
Selbst wenn der Plan realisiert werden würde, fallen für weitere sieben Monate (bis zum Ende des 2. Quartals 2025) 8,4 Millionen Euro reine Lagerkosten an, um sich dann auf niedrigerem Niveau fortzusetzen. Darüber, welche Lagerkosten seit dem Erreichen des Beschaffungshöhepunktes mit 5,7 Milliarden Masken seit Anfang Mai 2020 entstanden sind, schweigt die Drucksache. Die Lagerkosten für 5,7 Milliarden Masken werden in der Vergangenheit sicherlich monatlich nicht geringer gewesen sein als die für November 2024 angegebenen 1,2 Millionen Euro monatlich. Für 55 Monate (von Mai 2020 bis November 2024) sind das 66 Millionen Euro bereits entstandene Lagerkosten. Vernachlässigt man die ab dem 01.07.2025 auch nach dem Plan des BMF auf niedrigerem Niveau weiter laufenden Lagerkosten, dann werden von März 2020 bis 30.06.2025 reine Lagerkosten von mindestens 77,975 Millionen Euro anfallen (einschließlich der in China anfallenden Lagerkosten von 3,575 Millionen Euro [65.000 Euro monatlich × 55 Monate]).
Dem aufmerksamen Leser der Drucksache wird nicht entgehen, dass im November 2024 noch rund 375 Millionen nicht auslieferungsfähige partikelfiltrierende Halbmasken (PfH) und rund 435 Millionen nicht auslieferungsfähige OP-Masken gelagert sein sollen. Nicht auslieferungsfähig sind Masken, deren Haltbarkeitsdatum abgelaufen ist oder weniger als 6 Monate beträgt. Weshalb werden diese nicht „energetisch verwertet“ (wie die Verbrennung in der Drucksache genannt wird), um die dafür anfallenden Lagerkosten zu sparen?
In der Drucksache wird behauptet, diese könnten nicht vernichtet werden, weil sie teilweise „streitbefangen“ seien (S. 1 der Drucksache) und teilweise der „zollrechtlichen Aufsicht“ unterlägen (S. 3 der Drucksache). Der hier beabsichtigte Versuch, das BMG von dem Vorwurf zu entlasten, gegen den Grundsatz der sparsamen Haushaltsführung verstoßen und wegen unnötiger Lagerkosten Steuergelder verschwendet zu haben, misslingt.
Die Lagerkosten für die aus Beweisgründen vorgehaltenen Masken hat das BMG schuldhaft zulasten der Steuerzahler verursacht. Das OLG Köln hat in den Entscheidungen vom 21.06.2024 (Az.: 6 U 112/23) und 19.07.2024 (Az.: 6 U 101/23) die Bundesrepublik zum Schadenersatz von ca. 1,1 Milliarden Euro verurteilt, mit der Begründung, das BMG habe sich vertragswidrig verhalten. Es hätte z. B. den beiden Lieferanten vor seinem Rücktritt vom Vertrag eine Nachfrist zur Lieferung setzen müssen. Das OLG Köln sieht in diesem Unterlassen eine „unverhältnismäßige Benachteiligung“ der Lieferanten. Die Revision wurde nicht zugelassen. Eine Revisionszulassungsbeschwerde zum Bundesgerichtshof hat erfahrungsgemäß nur in einem sehr geringen Umfang Erfolg. Auch in den zahlreichen noch rechtshängigen weiteren Klageverfahren soll das BMG unbegründet von Verträgen zurückgetreten sein, bezahlte die Rechnungen nicht, verweigerte die Annahme oder stellte seinerseits Rückzahlungsforderungen wegen angeblicher Produktmängel. Die wegen der Streitbefangenheit von ca. 100 weiteren Klageverfahren entstandenen Lagerkosten für unbrauchbar gewordene Masken gehen angesichts der Präzedenzwirkung der beiden durch das OLG Köln bereits entschiedenen Fälle höchstwahrscheinlich auch zu Lasten des BMG.
Warum ein Teil der unbrauchbaren und dennoch gelagerten Masken der „zollrechtlichen Aufsicht“ unterliegen und deswegen nicht vernichtet werden können, erläutert die Drucksache nicht. Sollte der Haushaltsausschuss des Bundestages die Mitteilung, wegen dieser unbrauchbaren Masken sei „mit den zuständigen Hauptzollämtern ein entsprechender Prozess abgestimmt, der aktuell abläuft“ (S. 3 der Drucksache), hinterfragen, wird er feststellen: Mit einem Beschluss vom 03.04.2020 befreite die EU-Kommission die zwischen dem 30.01.2020 und 31.12.2020 zur Bekämpfung der Corona-Pandemie eingeführten Gegenstände vorläufig von der Einfuhrabgabe. Wird die Ware nicht zweckentsprechend verwendet, wird die Einfuhrabgabe fällig, die der BRH auf einen „mittleren dreistelligen Millionenbetrag“ veranschlagt (BRH-Bericht S. 45).
Das BMG hat nicht sichergestellt, dass es die zollrechtlich erforderliche zweckgerechte Verwendung der verteilten importierten Masken nachweisen kann. Es ist nicht in der Lage, Nachweise über die Einfuhr und Lagerung von importierten Masken zu erbringen. Es vereinbarte mit den Empfängern der Masken kein Verfahren zur Führung geeigneter Verwendungsnachweise. Ursache ist das Verwaltungschaos im BMG (vgl. BRH-Bericht S. 40–46). Die Zollnacherhebung in Höhe eines „mittleren dreistelligen Millionenbetrags“ ist unter diesem Gesichtspunkt unausweichlich.
Die zusätzliche Belastung des Bundeshaushalts könnte nach dem Beschluss der EU-Kommission vom 03.04.2020 aber auch vermieden werden, wenn die importierten Masken unter zollamtlicher Überwachung vernichtet werden. Die Zollbehörde wird einer Vernichtung der gelagerten Masken unter ihrer Aufsicht jedoch nur zustimmen, wenn deren lückenlose Zuordnung zur ursprünglichen Zollanmeldung nachgewiesen wird. Dieser Nachweis kann wegen des beim BMG in Bezug auf die Maskenbeschaffung herrschenden Verwaltungschaos (vgl. BRH-Bericht S. 40–46) ebenfalls nicht geführt werden. Nach alledem bestehen Haushaltsrisiken im „mittleren dreistelligen Millionenbetrag“, weil das BMG nicht sichergestellt hat, dass es gemeinsam mit Lieferanten und externen Dienstleistern sowie den Empfängern der Masken die von Anfang an bekannten zollrechtlichen Anforderungen jederzeit erfüllen kann. Auch die aus diesem Fehlverhalten bereits entstandenen und noch entstehenden Kosten der Weiterlagerung der „zollrechtlicher Aufsicht“ unterliegenden Masken gehen deshalb zu Lasten des BMG.
Die lückenhafte Information des BMF an den Haushaltsausschuss betrifft nur reine Lagerkosten. Der bewusst verengte Blickwinkel lässt nicht erkennen, dass nach den Feststellungen des BRH wegen der Überbeschaffung von Masken bis März 2024 auch Kosten in Höhe von 460 Millionen Euro entstanden waren. Neben dem zuständigen Referat des BMG werden allein für die sog. Betriebsführung über 40 „Vollzeitäquivalente“ an externer Beratung eingesetzt. Das entspricht dem Personalbestand einer Unterabteilung im BMG (BRH-Bericht S. 16).
Für 2023 wurden zusätzlich 113 Millionen Euro für Zahlungen nach Rechtsstreitigkeiten, Vergleichen oder anderweitigen Vertragsabwicklungen sowie zusätzlich 73 Millionen Euro für sog. Annexkosten ausgegeben. Für 2024 hat das BMG für diese Logistikbetriebsführung 534 Millionen Euro angemeldet (BRH-Bericht S. 16).
Dass die Vernichtung der Masken („energetische Verwertung“) nicht kostenlos ist, bleibt unerwähnt. So hat das BMG für kleinere Vernichtungsaktionen des Jahres 2023 bereits 433.000 Euro ausgegeben. Im Sommer 2023 hat es mit mehreren Entsorgungsunternehmen Rahmenverträge im Gesamtvolumen von 8,3 Millionen Euro abgeschlossen. Dafür sollen diese in den Jahren 2023 bis 2026 alle Masken vernichten.
Dem Haushaltsausschuss wird in der Drucksache natürlich nicht mitgeteilt, dass die Maskenüberbeschaffung durch das BMG seit März 2020 bis 31.12.2023 den Bundeshaushalt mit 6,7 Milliarden Euro belastet hat. Darin sind Zinszahlungen und Verfahrenskosten aus einer Vielzahl von Rechtsstreitigkeiten mit Lieferanten, Kosten aus Rechtsberatungen und externen Qualitätsprüfungen enthalten (BRH-Bericht S. 15). Dieser Kostenverursachung für Folgehaushaltsjahre liegt ein eindeutiger Verstoß gegen §§ 45, 38 Bundeshaushaltsordnung (BHO) zugrunde, weil Herrn Spahn keine sog. Verpflichtungsermächtigung erteilt worden war (dazu bereits ausführlich bei KRiStA an anderer Stelle).
Das zweite neue Dokument, die Kleine Anfrage der CDU-Bundestagsfraktion, war veranlasst durch die Einsetzung von Frau Sudhoff als Aufklärungsbeauftragte durch das BMG im Juni 2024 mit der Aufgabe, die Vorgänge bei der Maskenbeschaffung zu überprüfen. Dabei, so Herr Lauterbach markig, wird kein Stein auf dem anderen gelassen werden. Bisher ist nur erkennbar, dass eifrig Steine herbeigeschafft werden, um das skandalös-gesetzwidrige und den Bundeshaushalt schädigende Vorgehen bei der Maskenbeschaffung vor den Augen des steuerzahlenden Bürgers dauerhaft verbergen zu können.
Die CDU deckt mit ihrer Kleinen Anfrage an die Bundesregierung das in mehrfacher Hinsicht rechtswidrige Verhalten ihres jetzigen stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden und ehemaligen Gesundheitsministers Spahn bei der Maskenbeschaffung. In ihrer Anfrage vom 22.08.2024 heißt es dazu passend: „Nach Ausbruch der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 brach der weltweite Maskenmarkt zusammen. Das Gesundheitswesen brauchte dringend Schutzausrüstung, um den Betrieb und die Patientenversorgung aufrechterhalten zu können.“ Da die üblichen Beschaffungswege nicht mehr funktioniert hätten, „sprang das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) ein“.
Dass das BMG einen dringenden Bedarf an Schutzausrüstungen habe decken müssen, damit das Gesundheitswesen nicht zusammenbricht, entspricht weder den tatsächlichen Verhältnissen noch der Rechtslage.
Nach der föderalen Struktur des Grundgesetzes ist nicht der Bund, sondern sind die Länder für die Gewährleistung einer leistungsfähigen und bedarfsgerechten Krankenhausversorgung zuständig. Diese föderale Aufgabenverteilung respektierend haben die Bund-Ländervereinbarung vom 29.03.2020 und der Beschluss des sog. Coronakabinetts vom 30.03.2020 ausnahmsweise vorgesehen, dass der Bund ergänzend den kurzfristigen Bedarf der Akutkrankenhäuser und Arztpraxen durch die Beschaffung von 75 Millionen partikelfiltrierende Halbmasken (PfH) und 200 Millionen Mund-Nase-Schutzmasken (MNS) decken solle (BRH-Bericht u. a. S. 6). Diese Menge an benötigten Masken entsprach der in Abstimmung mit den Bundesländern vorgenommenen eigenen realistischen Schätzung des BMG. An diese Vorgaben hätte sich das BMG halten müssen.Die Vereinbarung zwischen Bund und Ländern war rechtsverbindlich. Zu respektieren war auch die föderale Struktur im Gesundheitswesen der Bundesrepublik. Gemessen an dieser Rechtslage war die Anschaffung von 5,9 Milliarden Masken durch das BMG rechtswidrig. Der Bürger wird im Dunkeln darüber gelassen, dass beider nach der Rechtslage erlaubten Anschaffung von nur 275 Millionen Masken überhaupt keine Lagerkosten entstanden wären, weil mehr als diese Menge (1,7 Milliarden Masken) nach deren Anschaffung sofort verteilt worden ist.
Masken konnten problemlos beschafft werden. Nur deshalb konnte das BMG in ca. zwei Monaten 5,7 Milliarden Masken anschaffen. Die Behauptung der CDU-Fraktion, der Maskenmarkt sei weltweit zusammengebrochen, stellt eine Falschüberzeichnung der Bedrohungslage dar. Sie ist Ausdruck einer mangelnden Fehlerkultur. Ein vermeintlich alternativloser Weg soll durchgesetzt werden. Durch die Überzeichnung einer angeblichen Gefahr ist es ein Leichtes, Kritik an den Pandemiemaßnahmen als schreckliche Gefahr für die öffentliche Gesundheit, ausgehend von renitenten gefährlichen Solidaritätsverweigerern, zu brandmarken.
Das BMG begann ohne jede Rechtsgrundlage schon am 09.03.2020 mit dem Maskeneinkauf, um bis zum Ende der Beschaffungsaktion 1,7 Milliarden PfH und 4 Milliarden MNS anzuschaffen und einzulagern. Als dann Ende März 2020 die Bund-Länder-Vereinbarung und der Beschluss des Coronakabinetts vorlagen, hat es sich auch nicht an diese Vorgaben gehalten (vgl. vorstehend).
Die vom BMG gewählten Beschaffungswege verstießen gegen die Vergabeordnung. Danach sind öffentliche Aufträge im Wettbewerb zu vergeben. Von diesem Grundsatz darf nur abgewichen werden, wenn dessen Einhaltung wegen eines außergewöhnlichen Ereignisses zwingend unmöglich wird. Darauf hatte das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) im März 2020 ausdrücklich hingewiesen. Solche Gründe lagen zu keinem Zeitpunkt vor. Aufträge zur Vergabe von Maskenlieferungen hätten deshalb im Einklang mit der Vergabeordnung im Wettbewerb vergeben werden müssen.
Von dieser eindeutigen Rechtslage weicht das BMG ab, indem es wettbewerbsfrei eigene Kaufverträge zur Maskenbeschaffung abschloss (Direktbeschaffung). Auf seine Initiative wurden Rahmenvereinbarungen mit Unternehmen geschlossen, die namens und in Vollmacht des Bundes ihre Einkaufsstrukturen zur Maskenbeschaffung einsetzen sollten (Unternehmensnetzwerk). Gegenüber einem einzigen Logistikunternehmen erklärte das BMG eine Abnahmegarantie für Masken mit einem Verpflichtungsvolumen, das den Bundeshaushalt mit mehr als 1,4 Milliarden Euro belastet (Logistikoutsourcing). Es hat Masken im sog. Open-House-Verfahren vergeben und dabei einseitig zu Lasten des Bundeshaushalts durch marktwirtschaftlich unsinnige Standards die Steuerung der Maskenlieferung ohne nachvollziehbaren Grund aus der Hand gegeben. Nachdem es am 27.03.2020 im Open-House-Verfahren marktwirtschaftlich unsinnige Standards gesetzt hatte, konnte es sich vor Angeboten kaum retten. Bei dem ausgelobten völlig überzogenen Angebotspreis von 5,36 Euro je PfH-Maske lagen schon vor dem 02.04.2020 über 700 Angebote vor. Von den Angeboten wurden 733 „bezuschlagt“, jedoch bei weitem nicht alle erfüllt. Um sich vor weiteren erwartbaren Angeboten zu schützen, verkürzte das BMG schon am 02.04.2020 die Angebotsfrist vom 30.04.2020 auf den 08.04.2020. Diese einseitige Fristverkürzung und weitere rechtswidrige Verstöße gegen eingegangene Vertragspflichten sind, wie vorstehend bereits ausgeführt, Anlass für rechtshängige Schadenersatzprozesse. Aus den bereits entschiedenen und den weiteren ca. 100 ähnlich gelagerten rechtshängigen Fällen droht dem Bundeshaushalt, unter Einbezug von angefallen Zinsen, Gerichtsgebühren und Anwaltskosten, eine weitere Belastung von ca. 3,5 Milliarden Euro.
Auf diesen vergaberechtswidrigen Wegen hat das BMG eine 17fach bzw. 20fach höhere Menge Masken eingekauft, als am 29.03.2020 zwischen Bund und Länder vereinbart worden war. Von dieser angeschafften Menge wurden nach den Feststellungen des BRH kurzfristig 1,7 Milliarden Masken verteilt, weitaus mehr als die zwischen Bund und Länder vereinbarte Maskenmenge von 275 Millionen Masken.Hieraus folgt, dass der Haushaltsausschuss bei offener und gründlicher Überprüfung der Lagerkosten zu dem Ergebnis kommen müsste, dass weder diese noch die Kosten für die Logistikbetriebsführung, die Anschaffungskosten für die die gesamten 275 Millionen genehmigten Masken übersteigende Menge, die prozessbedingten Kosten und die Vernichtungskosten angefallen wären.
Die rechtswidrige Überbeschaffung der Masken verursacht die in der Drucksache behandelten Lagerkosten. Das BMG ist nicht in der Lage nachzuweisen, dass die verteilten 1,7 Milliarden Masken zur Coronabekämpfung verwendet worden sind. Die übrigen Milliarden Masken wurden bereits oder werden noch vernichtet. Diese Einschätzung wäre noch anzupassen, wenn durch die in der Drucksache angekündigte „Herbstinitiative“, verbunden mit einer „kostenlosen Andienaktion“ bei Krankenhäusern, Sozial- und Spitzenverbänden, an Bahnhöfen, Flughäfen etc. weitere Masken der „energetischen Verwertung“ entkommen können. Über das Auswärtige Amt, das „gerne weiterhin Spendenanfragen bedienen würde“, ist kein größerer Absatz zu erwarten, weil gemäß der Drucksache zu bedenken ist, dass „Spenden dieser Art […] aus regulatorischen und logistischen Gründen komplex und zeitaufwändig“ wären. Festzuhalten ist der Vollständigkeit halber, dass auf diesem Weg noch abzusetzende Masken nicht mehr der Pandemiebekämpfung dienen können, ist die Pandemie doch administrativ für beendet erklärt worden. Nach alledem hat die Bewertung des BRH vom März 2024 weiterhin Gültigkeit, wonach die rechtswidrige Überbeschaffung von Masken insgesamt „ohne Nutzen für die Pandemiebekämpfung und damit ohne gesundheitspolitischen Wert“ gewesen ist (BRH-Bericht S. 46).
Die in der CDU-Anfrage aufgestellten Behauptungen, im Frühjahr 2020 habe „große Not an Schutzausrüstungen“ geherrscht und „das Gesundheitswesen brauchte dringend Schutzausrüstung, um den Betrieb und die Patientenversorgung aufrechterhalten zu können“, dienen nicht der Aufklärung, sondern führen die Bürger hinters Licht.
Es bestand einfach kein Bedarf
Schon der BRH stellte in seinem Bericht fest, dass das BMG nicht wusste, wer die Milliarden von Masken abnehmen sollte. Es gab nach dem BRH weder hinsichtlich der vorgesehenen Empfänger noch hinsichtlich der zeitlichen Staffelung ein Verteilungskonzept. Niemand war in der Lage, einen Empfängerkreis überhaupt festzulegen, geschweige denn verlässlich dessen Jahresverbrauchsmengen zu berechnen, die als Grundlage für Dringlichkeitsbeschaffungen hätten herangezogen werden können (BRH-Bericht S. 24). In der Drucksache an den Haushaltsausschuss wird eingeräumt, dass schon während der Pandemie die Milliarden Masken nicht „untergebracht“ werden konnten. Darin heißt es: „Das BMG hat sich schon während der Pandemie bemüht, Nutzungsoptionen für medizinische Schutzausstattung zu entwickeln und anzuwenden“. Was jedoch vergeblich war, wie die Milliarden vernichteter bzw. noch für die Vernichtung vorgesehener Masken beweisen.
Bemerkenswert ist der in der Drucksache unter Ziff. 1.3 für Außenstehende nicht verständliche Hinweis auf die „Vorbereitung Nationale Reserve Gesundheitsschutz (NRGS).“ Es handele sich dabei, wie es heißt, um eine „noch zu konturierende Konzeption“ betreffend den zukünftigen NRGS. Der Hinweis auf ein noch zu verabschiedendes Konzept für die zukünftige Sicherstellung „pandemiebedingter Notversorgung mit PSA und anderen Gütern“ lenkt davon ab, dass der ehemalige Gesundheitsminister Spahn 750 Millionen Euro zur Bezahlung der angeschafften 5,7 Milliarden Masken aus einer überhaupt noch nicht existenten NRGS freigegeben hat. Mit dem Bereinigungsvorschlag vom 22.11.2020 zum Bundeshaushalt 2021 wurde in Kap. 1503 der neue Titel 684 06 „Nationale Reserve Gesundheitsschutz“ eingefügt. Der Titel bedurfte zu seiner Rechtswirksamkeit noch der Beschlussfassung des Bundestages über ein geplantes „Gesundheitssicherstellungs- und Vorsorgegesetz“. Zu dessen Verabschiedung kam es jedoch bis heute nicht, weil die parlamentarische Mehrheit für die unerlässliche Grundgesetzänderung nicht zustande gekommen ist.
Eine nicht existente Haushaltsgrundlage hielt Herrn Spahn nicht davon ab, über die in dem geplanten Haushaltstitel vorgesehenen 750 Millionen Euro zu verfügen. Das ergibt sich aus seinem Schreiben vom 22.01.2021, mit dem er das Bundesverwaltungsamt anweist: „Die Zahlungen (für die angeschafften Masken) sind zuerst aus dem NRGS-Titel zu leisten, sollte dieser ausgeschöpft sein, so leisten Sie bitte weitere Zahlungen aus dem Corona-Titel“. In Kenntnis seines rechtswidrigen Vorgehens schloss das BMG zusätzlich im November 2021 mit dem THW eine Lagervereinbarung zur „Vorhaltung von Verbrauchs- und Versorgungsgütern der NRGS“. Wohlgemerkt, obwohl gar keine NRGS-Versorgungsgüter mehr angeschafft werden konnten, weil die dafür vorgesehenen 750 Millionen Euro bereits rechtswidrig für die Anschaffung von Masken ausgegeben worden waren.
Die Maskenbeschaffung ist ein Ungeheuer, das sich entwickeln konnte, während sich die Vernunft im Tiefschlaf befand.
Die Masken wurden überbeschafft ohne Notwendigkeit und entgegen den wissenschaftlichen Erkenntnissen des Robert-Koch-Instituts (RKI). Trotz dieser ihm bekannten Erkenntnisse hat Herr Spahn das Tragen von Masken der Bevölkerung als alternativlos dargestellt.
All dies ficht Herrn Spahn nicht an. Von persönlichem Verantwortungsbewusstsein scheint er nicht geplagt zu sein. Unterstützt von seinen CDU-„Freunden“ gilt seine Sorge gemäß Presseberichten der Wahl eines neuen Ministeramtes nach dem erwarteten Ergebnis der anstehenden Bundestagswahl. (Gesundheitsminister lieber nicht mehr, genehmer wäre ihm das Finanz- oder Wirtschaftsministerium.)"
Quelle: Netzwerk Kritische Richter und Staatsanwälte n.e.V. (KRiStA)