Stellungnahme der RESISTO IT GmbH zum aktuellen BGH-Urteil zum Thema "Jugendschutz im Internet" und kurze Einschätzung der landgerichtlichen Anordnung zur Sperrung von YouPorn.com bei ARCOR
Archivmeldung vom 22.10.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittSeit den 70er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts vertritt kein ernstzunehmender Wissenschaftler mehr die These, dass so genannte einfache Pornographie für Jugendliche gefährlich sei. Die wissenschaftlich heute ganz herrschende Meinung, dass derartige Gefahren nicht bestehen, hat sich in anderen europäischen Ländern (Beispiel: Dänemark, Niederlande) dadurch ausgewirkt, dass dort Pornographie in unterschiedlichem Umfang auch Minderjährigen zugänglich gemacht werden darf.
Die nicht nachweisbare Gefährlichkeit
von Pornographie muss nach Meinung von Tobias Huch, Geschäftsführer
der RESISTO IT GmbH, im Lichte der Grundrechte Auswirkungen auf die
Auslegung von Jugendschutzgesetzen haben. Dies bedeutet, dass man
beispielsweise nicht übermäßig strenge Maßstäbe an so genannte
Altersverifikationssysteme anlegen darf. Altersverifikationssysteme
sollen verhindern, dass Jugendliche im Internet an für sie
ungeeignete Seiten gelangen. Die RESISTO IT GmbH hat deshalb schon
immer die Auffassung vertreten, dass ihr Altersverifikationssystem
"ueber18.de" in den Versionen 1 und 2, welches die
Personalausweisnummer, die Postleitzahl und (in der Version 2)
Kontodaten von Nutzern überprüft und zahlreiche weitere
Schutzmaßnahmen enthält, für ausreichenden Jugendschutz sorgt. Diese
Meinung ist von einer ganzen Reihe von Gerichten (z.B. LG Düsseldorf,
LG Essen, LG München II) auch geteilt worden. Die RESISTO IT GmbH
nahm ihre Haltung besonders vor dem Hintergrund ein, dass in dem vom
BGH entschiedenen Fall nicht nachgewiesen werden konnte, dass
"ueber18.de" jemals von einem Jugendlichen umgangen worden war.
Trotz des fehlenden Nachweises hat der BGH gewissermaßen "im Wege
der Mutmaßung" geurteilt, das Altersverifikationssystem sei "nicht
sicher genug". Er hat in diesem Zusammenhang darauf verwiesen, dass
ein Jugendlicher sich leicht die Ausweisnummer von
Familienangehörigen oder erwachsenen Bekannten beschaffen könne.
Dieses "Argument" gilt allerdings für alle Zugangssysteme, die die
Eingabe eines Codes verlangen. Ein Minderjähriger kann sich ebenso
leicht die PIN-Nummer einer EC-Karte, eine Kreditkartennummer oder
beispielsweise auch Zugangscodes für andere Typen von
Altersverifikationssystemen von einem Erwachsenen verschaffen.
Die RESISTO IT GmbH bedauert vor diesem Hintergrund die
Entscheidung des BGH, zumal das Unternehmen immer für ein
vernünftiges Jugendschutzniveau eingetreten ist, das auch mit den
Auffassungen anderer Staaten kompatibel ist. Aus Sicht des Mainzer
Unternehmens ist eine große Chance vertan worden, das deutsche
Jugendschutzrecht zu modernisieren und praxisnah zu gestalten. Nach
dem Urteil des BGH besteht die konkrete Befürchtung, dass mehr und
mehr Pornographieanbieter in Länder abwandern, in denen die
Vorschaltung eines Altersverifikationssystems nicht erforderlich ist.
Pornographische Webseiten aus diesen Ländern sind in Deutschland von
Jugendlichen beliebig abrufbar. In dem Rechtsstreit stand zwischen
den Parteien außer Streit, dass mindestens 260 Millionen solcher
Webseiten existieren. Aller Voraussicht nach wird nach dem BGH-Urteil
ihre Zahl noch zunehmen.
Das Urteil des BGH schadet aber auch der deutschen
Softwareindustrie: Ihre Altersverifikationssysteme nach dem nun sehr
strengen deutschen Standard werden von ausländischen
Webseitenbetreibern gewiss nicht eingesetzt werden. Deutsche
Webseitenbetreiber, die Altersverifikationssysteme vorschalten
müssen, werden gegen ihre ohne Altersverifikation agierenden
ausländischen Konkurrenten keine Chance haben; dem Fiskus entgehen
dadurch Steuereinnahmen in Millionenhöhe. Die Bemerkung des BGH,
"Schwierigkeiten bei der Rechtsdurchsetzung" bei Angeboten aus dem
Ausland würden deutsche Anbieter nicht diskriminieren, ist
lebensfremd.
Die RESISTO IT GmbH wird die erst in einigen Monaten vorliegende
Urteilsbegründung des BGH abwarten und dann entscheiden, ob gegen das
Urteil Verfassungsbeschwerde eingelegt wird. Selbstverständlich hat
das Unternehmen in der Zwischenzeit sein Altersverifikationssystem
weiterentwickelt. Wie andere Hersteller vergleichbarer Software auch,
erwartet die RESISTO IT GmbH allerdings, dass in Folge des
BGH-Urteils die Nachfrage nach solchen Jugendschutzsystemen drastisch
sinkt, die Anzahl völlig frei zugänglicher pornographischer Seiten im
Netz dagegen erheblich zunimmt. Der BGH hat in seinem Urteil die
Wirklichkeit im Internet ausgeblendet. Diese Realität ist vielen
Jugendschutzorganisationen und Politikern aller Parteien aus ihrer
täglichen Arbeit bekannt. Das Gericht hat gemeint, Deutschland könne
die Sicherheit von Altersverifikationssystemen im Wege einer
"Insellösung" regeln. Wer aber vor der Wirklichkeit die Augen
verschließt, schafft kein allgemein akzeptiertes und damit
durchsetzbares Recht.
Kurze Stellungnahme zu der Einstweiligen Verfügung gegen ARCOR zur
Sperrung von YouPorn.com:
Der Zugang auf die genannten über 260 Millionen ausländischen Seiten ist nicht einzudämmen, da eine providerseitige Sperrung ein unverhältnismäßiger Eingriff in die Grundrechte von erwachsenen Bürgern (Zensur) darstellen würde und für so genannte Durchleitungsprovider technisch nicht umsetzbar ist. Durchleitungsprovider sind laut Telemediengesetz (§ 8 Abs. 1 TMG) nicht haftbar zu machen und der aktuell bekannt gewordene Beschluss des LG Frankfurt gegen den Provider ARCOR auf dem Wege einer Einstweiligen Verfügung ist nicht hinnehmbar. 2,4 Millionen erwachsene ARCOR-Kunden dürfen dank dieses fehlerhaften Beschlusses ihr durch das Grundgesetz geschützte Recht auf Konsum von einfacher Pornographie auf der beliebte Seite YouPorn.com nicht mehr wahrnehmen. Jugendschutz hat nicht die Aufgabe der Zensur und darf in Zukunft erst recht nicht mit dieser gleichgesetzt werden.
Quelle: Pressemitteilung RESISTO IT GmbH