Ikea-Design fußt auch auf deutschen Wurzeln
Archivmeldung vom 04.02.2014
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Freigeschaltet durch Manuel Schmidt„Knut“ und „Midsommar“ – hinsichtlich seiner Schlussverkäufe bedient sich der Möbelkonzern Ikea gerne schwedischer Feste als Anlass. Die Dissertation von der Skandinavistin Andrea Suhr an der Universität Bonn kommt zu dem Schluss, dass Ikea in seinem Möbelprogramm zwar den schwedischen Einrichtungsstil widerspiegelt. Doch fußen etliche dieser Designs auf Vorbildern aus Deutschland, die in Schweden weiterentwickelt und anschließend mit Ikea in alle Welt kamen.
Andrea Suhr ist ein großer Fan von Schweden: Mit 13 Jahren begann sie, die Landessprache zu lernen, später studierte sie Skandinavistik im Nebenfach und Volkskunde im Hauptfach an der Universität Bonn. Wer sich so intensiv mit dem Königreich im Norden befasst und an Innenarchitektur interessiert ist, stößt zwangsläufig auf den Ikea-Konzern. „Bereits seit 1980 sammelte ich eifrig die Kataloge“, sagt Suhr. Ist Ikea wirklich so schwedisch, wie der Konzern vorgibt? Und was ist überhaupt typisch schwedisch? Diese Fragen stellte sich die Skandinavistin und Volkskundlerin nun in ihrer Dissertation.
Zumindest in der Kommunikation gibt sich der Möbelkonzern durch und durch schwedisch: „Ikea feiert Knut“ – mit dem Slogan leitet er seinen Weihnachts-Schlussverkauf ein. „Damit wird auf den skandinavischen St.-Knut-Tag Bezug genommen, der am 13. Januar auch in Schweden gefeiert wird“, berichtet Suhr. An diesem Tag werden die Süßigkeiten vom Weihnachtsbaum geplündert und dann das dürre Grün entsorgt. Der Sommerschlussverkauf bei Ikea heißt „Midsommar“ – nach dem schwedischen Mittsommerfest. Auf der Schweizer Homepage und früher auch auf der deutschen knüpft der IKEA-Konzern an die Traditionen der schwedischen Künstler Carl und Karin Larsson am Ende des 19. Jahrhunderts sowie an den Funktionalismus Schwedens in den 1950er Jahren an.
„Typisch schwedisch“ ist ein Mix aus verschiedensten Stilen
Suhr befasste sich eingehend mit den Bildern des Künstlers Carl Larsson, der die Inneneinrichtung seines Hauses nahe Sundborn malte. „Dieser Einrichtungsstil gilt weithin als typisch schwedisch, denn Larsson wollte die Bevölkerung mit seinen Gemälden zum `guten Geschmack´ erziehen“, sagt die Wissenschaftlerin. Helles Holz, freundliche Farben und klare Formen kennzeichnen diesen Stil. Beim Vergleich mit den bislang in Deutschland erschienenen Ikea-Katalogen von 1974 bis 2013 stellte die Skandinavistin fest: Viele der Ikea-Möbel sind offensichtlich tatsächlich durch das schwedische Künstlerpaar Larsson inspiriert. Auch die zweckorientierten Formen des Funktionalismus aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts spiegeln sich demnach - wie von Ikea behauptet - im Angebot des Konzerns wider.
Viele gängige Möbel-Designs kamen aus Deutschland
„Allerdings zeigte sich bei der Untersuchung des zugrundeliegenden Larsson- und Funktionalismus-Stils, dass beide gar nicht originär schwedisch sind“, berichtet Suhr. Es handele sich vielmehr um einen Mix aus verschiedenen Einflüssen – was wiederum als „typisch schwedisch“ bezeichnet werden könne. Einige Wurzeln des Ikea-Angebots seien auch auf deutsche Designer zurückzuführen. Ein Beispiel seien die Einbauküchen, die nach dem Zweiten Weltkrieg als „Schwedenküchen“ in Deutschland bekannt wurden. Das Vorbild sei bereits 1927 als deutsches Produkt unter dem Begriff „Frankfurter Küche“ bekannt geworden.
Darüber hinaus könnte das „Billy“-Regal – ein Renner von Ikea – sein Vorbild im Bücherschrank T550 von Bruno Paul im Jahr 1908 oder im Bauhausregal von Marcel Breuer (1926) haben. Vom Kunden selbst zusammenzubauende Möbel seien übrigens auch keine Erfindung von Ikea, sondern von Richard Riemerschmid, der zusammenschraubbare Möbel bereits 1906 erfunden hat. „Ideen aus Deutschland wurden in Schweden aufgegriffen und weiterentwickelt, mit Ikea kamen sie dann wieder nach Deutschland zurück und in alle Welt“, resümiert die Skandinavistin.
Die Dissertation wurde mit einer 1,0 bewertet. „Sie ist ausgezeichnet, innovativ, umfangreich und noch dazu interessant zu lesen“, attestiert Prof. Dr. Dr. h.c. Rudolf Simek von der Abteilung für Skandinavistik der Universität Bonn, der die Doktorarbeit betreute. Für die Skandinavistik, die sich meist mit Literatur befasst, habe die Dissertation ein ungewöhnliches Thema. „Aber die Fächerkombination von Frau Suhr mit Volkskunde hat sich in diesem Fall sehr glücklich zu einem wirklich kulturwissenschaftlichen Thema gefügt“, sagt Prof. Simek. Das Rigorosum, die Abschlussprüfung zur Erlangung des Doktorgrades, hat Andrea Suhr bereits absolviert. Nun sucht sie einen Verlag für die Veröffentlichung ihrer Dissertation. Ihr Werk wird deshalb erst in einiger Zeit auf dem Büchermarkt erscheinen.
Quelle: Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn (idw)