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Deutsche Umwelthilfe veröffentlicht brisante Dieselgate-Akten des Kraftfahrt-Bundesamts und des Bundesverkehrsministeriums

Archivmeldung vom 23.04.2021

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 23.04.2021 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Sanjo Babić
Bild: Rainer Sturm / pixelio.de
Bild: Rainer Sturm / pixelio.de

Mehr als fünf Jahre lang haben das Bundesverkehrsministerium (BMVI), das ihm untergeordnete Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) sowie insbesondere die Hersteller Volkswagen, Daimler und Opel die Herausgabe blockiert. Zwölf Rechtsverfahren waren notwendig.

Doch heute kann die Deutsche Umwelthilfe (DUH) endlich die weitgehend ungeschwärzten behördlichen Akten aus der Frühphase des Diesel-Abgasskandals offenlegen. Es geht um den gesamten Schriftverkehr vom 18. September bis zum 15. Oktober 2015. Darüber hinaus veröffentlicht die DUH weitere brisante, ihr anonym zugespielte Unterlagen zu Fahrzeugmessungen und Freigaben des KBA für die Hersteller VW, Seat und Audi.

"Die endlich ungeschwärzt vorliegenden Papiere aus dem KBA und BMVI aus den ersten Wochen nach Aufdeckung des Diesel-Abgasskandals zeigen eine erschreckend enge Kumpanei von Politik, Behörden und den betrügerischen Automobilkonzernen zu Lasten der Umwelt und Millionen betroffener Diesel-Eigner", so Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH. "Sie belegen frühe Falschaussagen des Verkehrsministeriums zur angeblichen Nicht-Kenntnis von Abschalteinrichtungen. Als diese auch wegen der Veröffentlichungen und Messungen der DUH ab Mitte Oktober 2015 nicht mehr zu leugnen waren, stimmte ausweislich der Akten das CSU-Ministerium seine öffentlichen Äußerungen am 13.10.2015 mit Volkswagen ab und bat vorab um Zustimmung. So wurde auch aus einer 'unzulässigen' eine 'beanstandete' Abschalteinrichtung. Dem Ministerium wie dem Kraftfahrtbundesamt war die Illegalität der Abschalteinrichtungen in Millionen Diesel-Pkw bekannt. Doch sie vermieden es, das klar zu benennen. So erschwerten sie es den geschädigten Pkw-Besitzern über Jahre hinweg, ihre Rechte durchzusetzen."

Die Akten des KBA zum Motorentyp EA 189 wurden der DUH nach einem erfolgreichen Rechtsstreit vor dem Verwaltungs- und Oberverwaltungsgericht Schleswig im Herbst 2020 bereits teilweise zur Einsichtnahme offengelegt. Weiterführende Informationen zu einem neueren Motorentyp, dem EA 288, wurden hingegen weiterhin unter Verschluss gehalten. Die Volkswagen AG hatte seit Herbst 2020 parallel mit mehreren weiteren Gerichtsverfahren zunehmend verzweifelt versucht, die Einsichtnahme der DUH in die für sie brisanten EA-288-Unterlagen zu verhindern. Es bedurfte erst eines Vollstreckungsverfahrens und der Androhung des höchstmöglichen Zwangsgeldes in Höhe von 10.000 Euro gegen das KBA, damit nun die DUH die Akte weitgehend ungeschwärzt ausgehändigt bekam, inklusive der Unterlagen zum Motor EA 288.

In der KBA-Akte findet sich ein für VW unangenehmes Schreiben der Anwaltskanzlei Freshfields, in dem anhand eines beigefügten Schreibens der FEV, einem Entwicklungsdienstleister für die Autoindustrie, dargelegt wird, dass beim Motor EA 288 zwei unterschiedliche Regenerationsstrategien auf dem Prüfstand und im Felde zugegeben werden. Aber das angeführte Gutachten fehlt in den Akten, obwohl es für die darauffolgenden Tage angekündigt war.

"Die Akten verdeutlichen, wie die durch VW finanzierten rechtlichen und technischen Darlegungen des Sachverhalts vom Kraftfahrt-Bundesamt hingenommen wurden, ohne selbst eine Prüfung des Motorentyps EA 288 überhaupt in Erwägung zu ziehen. Stattdessen blinde Gefolgschaft, nur, weil der Konzern beteuert, dass die Wirksamkeit des Emissionsminderungssystems unter normalen Fahrbedingungen sich nicht verringert. Und die Öffentlichkeit wurde darüber nicht informiert. Da stellt sich die Frage, wer hier wen kontrolliert", sagt Axel Friedrich, wissenschaftlicher Leiter des Emissions-Kontroll-Instituts der DUH. "Bemerkenswert ist auch, dass das KBA mit deutlichen Worten die unsinnige Behauptung von VW und Freshfields zurückgewiesen hat, dass die Abgasrückführung nicht Teil der Abgasreinigungsanlage ist. Trotzdem haben VW und Freshfields dies immer wieder in Gerichtsverfahren vorgetragen."

"In den Unterlagen ergeben sich Hinweise, dass noch nach Oktober 2015 Fahrzeuge zugelassen wurden, mit den schon im Oktober bekannt gewordenen Abschalteinrichtungen. Da dies für die gegen frühere Mitarbeiter von Volkswagen geführten Verfahren strafrechtlich relevant sein kann, haben wir diese Unterlagen an die zuständige Staatsanwaltschaft Braunschweig weitergeleitet", sagt Remo Klinger, der die DUH in den Verfahren vertreten hat. "Das KBA muss dringend an seinem Selbstverständnis arbeiten. Behörden, erst recht Bundesoberbehörden, haben rechtliche Vorgaben einzuhalten und objektiv zu sein. Wenn diese Rechtsstreite etwas gezeigt haben, dann, dass das KBA wie die Unterabteilung 'Aktenunterdrückung' der Volkswagen AG agierte. Nach dem Gesetz waren die Akten nach einem Monat, nicht nach 5 Jahren zur Verfügung zu stellen. Es bleibt zu hoffen, dass mit dem Wechsel an der Hausspitze des Amtes ein nachhaltiger Sinneswandel einkehrt."

Neben den durch die Gerichtsverfahren erlangten Einblicke konnte die Deutsche Umwelthilfe zusätzlich Unterlagen auswerten, die ihr anonym zugespielt wurden. Enthalten waren KBA-Schreiben, adressiert an die Hersteller VW, Seat und Audi, die formale KBA-Freigaben zu diversen Modellen enthielten, die zunächst durch das KBA zurückgerufen worden waren. Die Schreiben bestätigen den Herstellern, dass nach der Umsetzung der im Rückruf durch das KBA auferlegten Maßnahmen an den Fahrzeugen nun keine illegalen Abschalteinrichtungen mehr enthalten seien und damit die Rechtskonformität der Fahrzeuge wiederhergestellt sei. Ein prüfender Blick in die ebenfalls anonym übermittelten TÜV-Messprotokolle zu den Fahrzeugen lässt daran jedoch Zweifel aufkommen.

Jürgen Resch: "Auch diese KBA-Bescheide stellen wir den betroffenen Besitzern von Diesel-Pkw mit weiterhin aktiven Abschalteinrichtungen zur Verfügung. Sie zeigen, wie wichtig es ist, dass eine neue Bundesregierung die Typgenehmigung von neuen Kraftfahrzeugen und die Überwachung der Einhaltung der gesetzlichen Anforderungen in zwei unterschiedliche Behörden legt. Zudem muss sie alle Diesel-Pkw mit weiterhin aktiven Abschalteinrichtungen entweder stilllegen oder den Herstellern mittels Rückruf die Reparatur der Abgasreinigung auferlegen. Die mit der Automobilindustrie eng verbandelten CSU-Verkehrsminister Ramsauer, Dobrindt und Scheuer haben aus der ehemals stolzen Bundesbehörde Kraftfahrt-Bundesamt einen Bettvorleger der Dieselkonzerne gemacht, die ihrer unabhängigen Überwachungsaufgabe nicht gerecht wird."

Quelle: Deutsche Umwelthilfe e.V. (ots)


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