Hochwasser-Lage in Sachsen-Anhalt spitzt sich zu
Archivmeldung vom 04.06.2013
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtWährend aus Sachsen und Thüringen bereits wieder sinkende Pegel gemeldet werden, spitzt sich nun die Lage in Sachsen-Anhalt zu, wo am Abend der Höhepunkt der aktuellen Hochwasserwelle erwartet wird.
In Halle (Saale) waren über 1.000 freiwillige Helfer im Einsatz und befüllten Sandsäcke oder verteilten geschmierte Brote. Die Universität der Stadt stellte den Lehrbetrieb bis Freitag ein, um den Studenten einen Hilfseinsatz zu ermöglichen. Auch die überregional bekannten Händel-Festspiele wurden abgesagt. In Magdeburg gilt seit dem Morgen ebenfalls offiziell Katastrophenalarm. Die Spitze des Hochwassers wird hier erst später erwartet.
In Bayern blieb die Lage unterdessen vielerorts dramatisch: Die A3 wurde zwischen Deggendorf und Hengersberg komplett gesperrt, weil Überflutung droht. Teile von Passau sollen vielleicht noch Tage ohne Leitungswasser auskommen. In Straubing und Regensburg drohen Evakuierungen. Der Deutsche Wetterdienst teilte unterdessen mit, neuer Dauerregen in der Fläche sei vorerst nicht zu erwarten, die Lage werde sich also dort, wo die Hochwasserwelle durch ist, nicht weiter verschärfen.
Umweltverbände werfen Politik Versagen beim Hochwasserschutz vor
Mehrere Umweltorganisationen haben in Anbetracht der Hochwasserkatastrophe schwere Vorwürfe gegen die Bundesregierung erhoben. Es sei zwar richtig, den vom Hochwasser betroffenen Menschen jetzt schnell zu helfen. "Allerdings war ausreichend Zeit, in den Hochwasserschutz zu investieren. Die Politik hat wenig gelernt", sagte der Vorsitzende des Naturschutzbundes Deutschland (NABU), Olaf Tschimpke, "Handelsblatt-Online". "Die Regierungskoalition in Berlin hat sich im Koalitionsvertrag zum Ziel gesetzt, natürliche Auen zu reaktivieren und Flusstäler zu renaturieren, hier ist nicht viel passiert."
Ähnlich äußerte sich der Chef des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Hubert Weiger. "Leider ist es so, dass die Politik zwar regelmäßig Krisen managt, der Vorsorge vor Krisen aber zu wenig Gewicht beimisst", sagte Weiger "Handelsblatt-Online". Das betreffe den Hochwasserschutz, aber auch die Klima- oder die Finanzkrise.
"Die jetzigen Hochwasserschäden hätten zumindest gemildert werden können, wenn einige zehntausend Hektar, die 2002 nach der Jahrhundertflut von Experten als mögliche Flächen für Auen-Renaturierungen und Deich-Rückverlegungen identifiziert wurden, dem ökologischen Hochwasserschutz zur Verfügung gestellt worden wären", unterstrich Weiger. "Hier müssen Bund und Länder energischer handeln."
Angesichts des Klimawandels und einer Zunahme extremer Wetterereignisse benötigten die Flüsse mehr Raum. Der Bundesvorsitzende der Naturfreunde Deutschlands, Michael Müller, warf Merkel vor, das Thema Hochwasserschutz als "Randthema" zu behandeln. Merkel habe zu keiner Zeit "pro Hochwasserschutz Position bezogen", sagte Müller "Handelsblatt-Online". Bis heute gebe es Widerstände und Blockaden. "Was wird erst sein, wenn - wie erwartet - der Starkregen klimabedingt weiter zunimmt?", fragte der frühere SPD-Umweltstaatssekretär.
Schäuble sichert Flutopfern Unterstützung über Soforthilfe hinaus zu
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat den von Flutschäden betroffenen Bürgern solidarische Unterstützung über die von der Kanzlerin versprochene Soforthilfe des Bundes von 100 Millionen Euro hinaus zugesagt. Gegenüber der "Leipziger Volkszeitung" (Mittwoch-Ausgabe) verteidigte der CDU-Politiker zugleich Informationsreisen von Politikern ins Katastrophenzentrum.
"Es ist nicht vorstellbar, dass beispielsweise ein Minister nur fernab der Flut in seinem warmen und trockenen Büro auf Papiere schaut, um dann entscheiden zu können, was in den überfluteten Gebieten zu tun oder veranlassen ist."
Dass die Medien diese Besuche begleiten wollen, sei ein Teil der offenen und transparenten Demokratie. Mit Blick auf die Schadensregulierung betonte Schäuble, momentan gehe es um die akute Hilfe. Die Fragen, die sich rund um die längerfristige Bewältigung der diesjährigen Flut drehten "werden wir danach gemeinsam lösen", sicherte Schäuble zu.
Unabhängig von dieser Frage habe die Bundeskanzlerin aber schon jetzt erklärt, dass der Bund sich an den Sofortmaßnahmen der Länder angemessen beteiligen werde. "Erst nachdem die Flut bewältigt ist, wird es möglich sein, einen wirklichen Überblick über die Schäden zu gewinnen. Und dann werden die Deutschen wie in der Vergangenheit auch zusammenstehen und sicherstellen, dass die Menschen in den Flutgebieten nicht alleine gelassen werden." Genau für solche Fälle gebe es eine Solidargemeinschaft und einen starken Staat. Schäuble erinnerte an den Aufbaufond nach der Flut von 2002 als "ein geeignetes Instrument, um die Folgen der Flut zu bewältigen".
Linke fordert Aufhebung der Schuldenbremse für den Hochwasserschutz
Die Linkspartei hat in Anbetracht der Hochwasserkatastrophe in zahlreichen Bundesländern gefordert, die bundesweite Schuldenbremse aufzuheben. "Die Länder und Kommunen brauchen jetzt richtig viel Geld, um die Schäden zu beheben. Aber auch, um ordentlich Hochwasserschutz und Klimaschutz betreiben zu können", sagte Linken-Parteichefin Katja Kipping dem Berliner "Tagesspiegel" (Mittwochausgabe). "In Zeiten, wo bundesweit eine Schuldenbremse wirkt, ist das schwieriger." Deswegen wolle ihre Partei im Bundestag eine Verständigung durchsetzen, die bundesweite Schuldenbremse auszusetzen - "auch, um jetzt schnell reagieren zu können".
Bayerns SPD-Spitzenkandidat Ude kritisiert "politische Flut-Touristen"
Der Münchner Oberbürgermeister und SPD-Spitzenkandidat Christian Ude hat Politiker-Reisen in die von den Fluten betroffenen Gebiete kritisiert. "Ich finde, es gehört sich nicht, mit der Not der Menschen Wahlkampf zu machen - und als politischer Flut-Tourist in Gummistiefeln womöglich noch die Rettungskräfte zu behindern", sagte Ude der "Rheinischen Post" (Mittwochausgabe). "Ich habe für mich entschieden, nicht in die Hochwassergebiete zu fahren."
Gauck dankt Helfern in Hochwasserregionen
Bundespräsident Joachim Gauck hat den vom Hochwasser betroffenen Menschen Mut zugesprochen und den Helfern in den Katastrophengebieten gedankt. "Das Schicksal der Betroffenen bewegt mich. Ich bin froh zu hören, dass sie in diesen Stunden in Solidarität und Entschlossenheit zusammenstehen und viel Beistand und Unterstützung erfahren", sagte Gauck am Dienstagnachmittag. "Ich danke den vielen Helferinnen und Helfern, die in unermüdlichem Einsatz an der Seite der vom Hochwasser Bedrohten und Betroffenen stehen. Sie geben die Hilfe und Hoffnung, die nicht verzweifeln lässt, die zeigt: zusammen schaffen wir das", so Gauck weiter.
Bayerns Innenminister kündigt weitere Investionen im Hochwasserschutz an
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hat Kritik am Hochwasserschutz des Freistaates zurückgewiesen und den Schwerpunkt der Investitionen in der Zukunft auf langfristige Entlastung der Flüsse gelegt. Im Deutschlandfunk erklärte Herrmann, dass das aktuelle Hochwasser eine außergewöhnliche Situation darstelle, bei der Vorsorge im Vorfeld nicht möglich gewesen sei: "Wenn Sie ein Wasser haben, wie es seit 500 Jahren nicht mehr aufgetreten ist, dann, denke ich, wird keiner behaupten können, warum ist dem nicht vorgesorgt worden." Um in Zukunft solche Katastrophen zu vermeiden, müsse der Hochwasserschutz entlang der Flüsse ausgebaut werden, beispielsweise an der Donau, so Hermann weiter.
Rösler lädt Spitzenverbände der Wirtschaft zu Flut-Gipgfel
Angesichts immer höherer Pegelstände deutscher Flüsse will sich Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) ein umfassendes Bild über die Schäden und Folgen für die deutsche Wirtschaft machen. Wie die "Bild-Zeitung" (Mittwochausgabe) meldet, habe Rösler für Mittwochmittag fünf Spitzenverbände zu einem Gipfelgespräch ins Wirtschaftsministerium eingeladen. Die Zeitung beruft sich auf Ministeriums- und Wirtschaftskreise. Mit Vertretern von DIHK, BDI, ZDH, HDE und Dehoga will Rösler die bisherigen Schäden durch das Hochwasser analysieren. Außerdem sollen Möglichkeiten für schnelle und unbürokratische Hilfen erörtert werden, hieß es.
Merkel sagt Hochwasseropfern 100 Millionen Euro Bundesmittel zu
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat den vom aktuellen Hochwasser betroffenen Regionen in Süd- und Ostdeutschland Hilfe im Umfang von 100 Millionen Euro zugesagt. Die Unterstützung solle unbürokratisch ausgezahlt werden, sagte Merkel bei einem Besuch im überschwemmten Passau.
Die Hilfen seien für Bayern, Sachsen und Thüringen gedacht, die Bundesländer steuern jeweils noch einmal den gleichen Betrag bei. Merkel stellte zudem Sachsen-Anhalt finanzielle Unterstützung in Aussicht. Die Lage in vielen Hochwassergebieten Deutschlands ist weiterhin angespannt.
Hochwasser: THW-Vizepräsident zieht positive erste Bilanz bei Hilfsmaßnahmen
Der Vizepräsident des Technischen Hilfswerks, Gerd Friedsam, hat eine positive erste Bilanz bei den Hilfsmaßnahmen im Rahmen des aktuellen Hochwassers gezogen. Was man aus den vergangenen Hochwassern gelernt habe, mache sich jetzt bezahlt, sagte Friedsam im Deutschlandfunk. Man habe Deiche verstärkt oder erhöht, Wasserschutzwände angeschafft und in den Hochwasserschutz entsprechend investiert.
Friedsam räumte jedoch ein Versagen des Systems in gewissen Regionen ein: "Dort haben wir noch nicht richtig erkannt gehabt, was die Vorsorge angeht oder die Schwächen, die das System noch hat, und die müssen abgestellt werden." Der THW-Vizechef zeigte sich aber zuversichtlich: "Wir sind in Deutschland, was das integrierte Hilfeleistungssystem angeht, so gut aufgestellt, dass ich hier auch sagen kann, das sucht seinesgleichen in der Welt." In weiten Teilen Süd- und Ostdeutschlands haben Menschen derzeit mit Hochwassern zu kämpfen.
Quelle: dts Nachrichtenagentur