Cholerisch? Unbequem? – Weggesperrt ohne Urteil: Eine Einweisung in die Psychiatrie kann jeden treffen – der Fall Walter Eichelburg
Archivmeldung vom 08.09.2022
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Freigeschaltet durch Mary SmithGustl Mollath, ein Fall der Schlagzeilen machte, hatte fähige Verbündete und schaffte es, herauszukommen aus der „Klapse“. Das gelingt wenigen. Der Mann hatte den Mut, Schwarzgeldgeschäfte einer sehr großen deutschen Bank (die heutige Unicredit Bank) zur Anzeige zu bringen. Daran war dummerweise nichts Strafbares, aber Gustl Mollath musste aus dem Verkehr gezogen werden. Über Beziehungen gelang es, ihn kaltzustellen, indem die Justiz ihn in die Psychiatrie steckte. Im nachfolgenden Artikel beim Schildverlag geht die Journalistin Niki Vogt näher darauf ein.
Der Fall machte Schlagzeilen. Wer einmal nachvollziehen möchte, wie ein anständiger Mann, der sich nichts hat zuschulden kommen lassen, einfach so, womöglich lebenslang, in die Psychiatrie weggesperrt wird, der kann sich diese hervorragende Dokumentation mit Gustl Mollath aus 2013 in der ARD ansehen. Auch da gibt es bisweilen sehr gute Beiträge.
Es ist innerhalb der Justiz ein offenes Geheimnis, dass manche Gutachter Gefälligkeitsgutachten machen. Wenn dann auch noch der Richter mitspielt, ist der „Störenfried“ verloren. Das war anscheinend auch im Fall Gustl Mollath so – und er ist kein Einzelfall. Die anderen machen nur nicht solche Schlagzeilen.
Manchmal trifft es Menschen, die hochstehenden, einflussreichen Personen mit ihrem Hintergrund- oder Tatwissen Schwierigkeiten machen könnten, denen man strafrechtlich aber nichts anhaben kann. Oft trifft es Menschen, die schwierig, vielleicht querulatorisch und lästig sind. Die jemanden „stören“ und das obstinat. Vielleicht noch etwas „abwegige“ oder „krude“ Ansichten pflegen, aber weder gewalttätig sind noch Straftaten begehen. Sie werden erschreckend schnell und leicht auf Betreiben von Personen mit guten Beziehungen und unter Missbrauch der forensischen Psychiatrie eingesperrt, womöglich noch mit Fixierung und harten Psychopharmaka misshandelt, wenn sie dagegen heftig aufbegehren.
„Psychiatriemissbrauch ist auch keineswegs auf Diktaturen, „rückständige“ Länder oder auf die Vergangenheit beschränkt, sondern es gibt ihn fast überall, quasi ein zeitloses Phänomen. Natürlich auch in Deutschland. Die Macht braucht Helfer, um vermeintliche Gegner oder Unbotmäßige kalt zu stellen oder zu disziplinieren. Und genau hierfür scheint sich die Psychiatrie – damals wie heute – bestens zu eignen.“
Walter Eichelburg ist einer, auf den das in mehreren Punkten zutrifft. Ihm wurde vom psychiatrischen Sachverständigen eine „vorliegende höhergradige geistig-seelische Abnormität“ attestiert. Der Sachverständige stufte Walter Eichelburg als unzurechnungsfähig ein, aber auch als so gefährlich, dass er weggeschlossen gehöre. „Im Hinblick darauf käme es nicht überraschend, würde die Staatsanwaltschaft zeitnahe einen Antrag auf vorläufige Unterbringung gemäß § 429 StPO stellen, um dem Mann die Möglichkeit zur weiteren Einschüchterung von Regierungsvertretern zu nehmen.“
So schrieb das linke, österreichische Blatt „die Presse.com“ am Freitag, den 4. August 2020 sehr zufrieden. Der Artikel ist heute dort nicht mehr auffindbar.
Die Gefährlichkeit des damals etwa 68-Jährigen leitete man aus seinen Kommentaren ab, die tatsächlich oft deftig ausfielen. Walter Eichelburg war eine der meistgelesenen Blogs, auf dem ständig Links und Quellen zu Beiträgen des Zeitgeschehens gepostet wurden, sortiert nach Themengebieten, stets aktuell, mehrmals täglich upgedatet. 590 Millionen Aufrufe hatte seine Seite „hartgeld.com“ insgesamt. Davon träumen die Qualitätsmedien nur.
Herr Eichelburg war ein Edelmetallfan und prognostizierte viele Jahre den Weltfinanz- und Weltwirtschaftscrash, gegen den man sich nur mit Gold und Silber wappnen könne. Wer das nicht so sah, war ein Idiot. Er war ganz und gar kein Freund muslimischer Zuwanderung, für Feministinnen hatte er auch nichts übrig. Vieles von dem, was er als Entwicklung prognostizierte, trifft allerdings auch nach und nach ein.
Leser kamen auf seiner Seite mit eigenen Beobachtungen zu Wort. Wenn zum Beispiel alarmierende Entwicklungen von den Medien kleingeredet wurden, wie Unternehmenspleiten etc., konnte man auf dieser Seite von den Lesern aus ihrer eigenen Erfahrung vor Ort, Datum, Firmennamen, Beschäftigtenzahlen usw. die wahren Umstände erfahren.
Die Freie Presse, Webblogs und Facebookseiten (also wir „Schwurbler“) waren immer froh, wenn ihre Beiträge auf Hartgeld.com gelistet wurden. Sofort explodierten dadurch die Zugriffszahlen auf ihren Seiten.
Irgendwann muss Herr Eichelburg in Kontakt mit Leuten gekommen sein, die ihm den Floh ins Ohr setzten, dass eine Revolution „von oben“ im Gange sei, den ganzen Fehlentwicklungen ein Ende zu setzen und wieder Glanz und Glorie des Kaiserreiches zu restaurieren. Diese Leute machten ihn glauben, dass sie zum inneren Kreis des zukünftigen Herrschers gehören. So eine Art Kaiser-QAnon, nur ohne Rätselraten. Und dass dieser Kaiser aus dem Hause Habsburg ihn, Walter Eichelburg, zum Grafen adeln werde für seine Verdienste, Standhaftigkeit und kaisertreue Haltung. Herr Eichelburg glaubte das felsenfest. Er berief sich oft mit seinem „Hintergrundwissen“auf seine kaiserlichen Quellen. Kein Monat, in dem er nicht ganz sicher mit Datum und Uhrzeit die Revolution durch die Kaisertreuen ankündigte – die ebenso ganz sicher jedesmal gerade nochmal abgeblasen werden musste. Und doch hielt er in bewundernswerter Frustrationstoleranz fest zum Kaiser.
Man kann das oft bei Menschen beobachten, die umso fester an ihren wahren, guten und richtigen Weg glauben, je mehr sie angefeindet und verlacht werden. Das ist der Stoff, aus dem Märtyrer, Terroristen, Spinner und Helden sind.
Ja, er und seine Getreuen hofften auf die Revolution und dass die wütende Revoluzzermenge die Täter aus den Kreisen der Macht bestrafen würden, sogar von „Laternenorden am hanfenen Bande“ war immer wieder die Rede. Das ist absolut nicht richtig, so etwas schreibt man nicht – nur war daraus nie abzuleiten, dass Herr Eichelburg beabsichtigte, Politiker zu ermorden. Es war das Ventil der Frustrierten, die machtlos zusehen müssen, wie die Dinge einen Lauf nehmen, der in einer Katastrophe münden muss und die sich im geschützten Raum des Blogs ihre Angst, Wut und Frust von der Seele schimpfen. Er war selber nie eine Gefahr für andere und er animierte auch nicht dazu. Er hat geschildert, was passieren wird, wenn die Revolution kommt – und das hatte er, so, wie es sich anhörte, von seinen „Kaiserquellen“.
Diese Äußerungen war eher so etwas die „klammheimliche Freude“, die der „Göttinger Mescalero“ alias Klaus Hülbrock, Dozent für Deutsch als Fremdsprache, 1977 in seinem Nachruf zum Mord an Siegfried Buback in der Asta-Zeitung zum Ausdruck brachte. Nur mit dem Unterschied, dass dieser einen tatsächlich begangenen Mord damit gutgeheißen hatte, während Herr Eichelburg und seine Freunde eine mögliche Revolution herbeisehnten, in deren Verlauf sie erwarteten, dass die ihrer Ansicht nach schändlichen Urheber allen Übels vom revoltierenden Mob abgestraft werden würden. Klaus Hülbrock wurde dafür weder inhaftiert noch jahrelang in die Psychiatrie geschlossen.
Soweit bekannt – und auch nicht bezweifelt – hat Herr Eichelburg nie zu Gewalttaten aufgerufen oder selbst welche geplant oder ausgeführt. Mehrfache Prozesse wegen Volksverhetzung verliefen ergebnislos. Auch in Deutschland wurde er mehrfach angezeigt und es liefen Ermittlungen gegen ihn. Dann wurde er eines Tages einem Amtsarzt vorgestellt. Über all das berichtete er auch freimütig in seinem Blog. Auch, dass man ihm androhte, dass er in die Psychiatrie eingewiesen werden würde, wenn er seine Hetze nicht einstellen würde. Das focht ihn aber alles nicht an. Wahrscheinlich wähnte er sich unter dem Schutz der Kaisertreuen. Dann machte der Staat Österreich aber plötzlich Ernst und Herr Eichelburg war weg vom Fenster. Niemand wusste wo.
Eigentlich hätte man gegen diese „Quellen“ wegen Verhetzung ermitteln sollen. Möglicherweise war das aber eine eiskalt geplante Sache, den alten Herrn in einer Psy-Op mit genau den Parolen zu ködern, von denen man wusste, er würde darauf abfahren und ihn immer weiter hineinzutreiben, bis er den Bogen in vermeintlicher Unangreifbarkeit qua „kaiserlichem Schutz“ überspannt. Und damit konnte man das Totschlagargument „Unzurechnungsfähigkeit“ und „Gefahr für andere/sich selbst“ aktivieren und ihn einfach wegschließen.
Dazu muss nicht mal ein ordentliches Gerichtsverfahren abgehalten werden. Es gibt auch keine Anklageschrift, keine Beweisführung, keine Zeugen, keine Verteidigung kein Geständnis, nicht einmal eine definierte Länge der „Haftstrafe“. Die forensische Psychiatrie kann jemanden lebenslang einsperren, niemand weiß, wo man ist und es ist sehr schwer bis unmöglich, den Fall noch einmal aufzurollen.
Drin ist man schnell in der „Klapse“. Aber raus kommt man nur sehr schwer. Das zeigt der Fall der jungen, freien Journalistin Nellie Bly, die schon 1887 als Einstieg einen Undercoverjob in der Frauenpsychiatrie „Women’s Lunatic Asylum on Blackwell’s Island“ machen sollte. Eine Ehre, für die renommierte Tageszeitung „New York World“ von Joseph Pulitzer zu schreiben. Nun, es sollten ja auch nur ein paar Tage sein.
Die 23-Jährige nimmt an, spielt in einem Hotel die Wahnsinnige und ratzfatz ist sie drin in der Frauenpsychiatrie, kein Problem. Sie sieht die fürchterlichen Bedingungen, sie findet entsetzliche Zustände und Verwahrlosung, sieht mit eigenen Augen grausame Misshandlungen und Brutalitäten. Kurz nach ihrer Aufnahme in die Anstalt gab Bly jeden Vorwand einer Geisteskrankheit auf und begann sich so zu verhalten, wie sie es normalerweise tun würde. Das Krankenhauspersonal registrierte gar nicht, dass sie nicht mehr „geisteskrank“ war und meldete stattdessen ihr ganz normales Verhalten als Symptome ihrer Geisteskrankheit. Sogar ihre Bitten um Freilassung wurden als weitere Anzeichen einer psychischen Erkrankung gedeutet. Durch Gespräche mit ihren Mitpatienten war Nellie Bly überzeugt, dass einige so normal und geistig gesund seien wie sie. Sie begreift, dass sie in einer Art „Hotel California of Hell“ gelandet ist. Nur die Intervention der Zeitung bewahrte sie davor, in dem Irrenhaus gefangen zu bleiben. Sie schrieb ein Buch darüber „Ten Days in a Mad-House“ – Zehn Tage im Irrenhaus.
Nun, im Fall Eichelburg zeichnet sich möglicherweise eine Lösung ab. Die Ära „Hartgeld.com“ ist zu Ende. Es heißt, Walter Eichelburg habe einem Publikationsverbot zugestimmt. Er wird die Seite nicht wieder betreiben und auch keinen neuen Blog. Er könnte demnächst wieder als freier Mann nach Hause gehen. Egal, wie man zu seinen damaligen Verlautbarungen steht: Es war Unrecht, ihn wegzuschließen. Und es wird höchste Zeit, es zu beenden.
Möge er bald wieder „draußen“ sein und ein gutes Leben haben."
Quellen: Niki Vogt (www.schildverlag.de)