Stütze zum Pfänden
Archivmeldung vom 24.05.2008
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Freigeschaltet durch Oliver RandakEin Arbeitsloser wehrt sich dagegen, aus seiner Grundsicherung Unterhalt an die Ex-Frau zu zahlen.
Zehn Aktenordner hat Bernard Dec griffbereit im Wohnzimmer stehen. Der
Gelsenkirchener sammelt darin Rechtstipps und Gerichtspapiere. Dec ist
nicht nur arbeitslos, sondern seit 2004 auch geschieden. Manche würden
ihn als hartnäckig und vielleicht etwas rechthaberisch beschreiben.
„Ich habe mir viel erkämpft“, sagt der 50-Jährige. Der frühere
Betriebsschlosser hat durch eifrige Recherche im Internet und etliche
Klagen eine bizarre Regel des So-zialstaats offengelegt. Nicht nur wer
zumutbare Arbeit verweigert, bekommt die Stütze gekürzt – auch wer eine
arbeitslose Ex hat.
Sein Fall beschäftigt nun den Petitionsausschuss des Bundestags. Gegner sind die Hartz-IV-Behörde und die Ex-Frau.
Seit
März 2007 bekommt Dec Arbeitslosengeld II. 2005 fiel seine letzte
Stelle als Kundenbetreuer und Sachbearbeiter einer Firma für
Mobilfunkzubehör weg. Nun hat er monatlich zwischen 671 und 710 Euro –
davon 347 Euro Regelsatz für Langzeitarbeitslose, 319 Euro für
Unterkunft sowie zeitweise einen Aufschlag – orientiert am letzten Lohn.
Nicht
viel, aber aus Sicht des Gelsenkirchener Integrationscenters für Arbeit
genug, um für seine ehemalige Gattin einzuspringen, die auch von
Grundsicherung lebt. Was sonst als Existenzminimum gilt, lässt bei
Geschiedenen Spielraum. Dec wurde zu Unterhalt verdonnert. Weder die
Bundesagentur für Arbeit noch das Bundesarbeitsministerium wissen, wie
viele Erwerbslose ähnlich herangezogen werden. Im Haus von Minister
Olaf Scholz heißt es aber: „Ein Widerspruch ist aus Sicht des
Ministeriums nicht ersichtlich.“
Der Geschiedene soll für die
Ex-Frau zahlen. Doch bei ihr kommt nichts an, weil das Geld mit ihrer
Stütze verrechnet wird. „Gewinner ist nur die Hartz-IV-Behörde“,
schimpft er. Und findet Unterstützung im Bundestag. 139 Euro im Monat
fordere die Behörde, heißt es in Ausschusspapieren. Sie nehme knapp
1400 Euro Nettogehalt an, das er mit sechs Jahren Schulbildung erzielen
könne.
Jeder Arbeitslose muss sich um Arbeit und Einkommen
bemühen, an Unterhaltspflichtige werden aber höhere Ansprüche gestellt.
Der Berichterstatter im Petitionsausschuss, der FDP-Abgeordnete Volker
Wissing, fordert neue Regeln: „Entweder ist die Messlatte beim
Arbeitslosengeld II zu niedrig, oder man fordert vom Betroffenen etwas,
was er nicht leisten kann. Hier muss gleiches Maß gelten.“
Gerichte
haben nach Recherche des Petitionsausschusses regelmäßig beschieden:
Der Erwerbslose müsse beweisen, „dass er sich täglich um einen
Arbeitsplatz bemüht“. Es reiche nicht aus, sich nur auf
Stellenausschreibungen zu bewerben. Verlangt seien eigene Job-Annon-cen
und die Suche bundesweit. Betroffene müssten Überstunden leisten und
wochenends einen Zweitjob suchen.
Dec rechnet sich wenig Chancen aus: „Ich habe K.-o.-Merkmale – mein Alter und meine Schulbildung etwa.“ Der findige Mann hat zunächst eine Lösung entdeckt. Vor Gericht ließ er sich nun bescheinigen, dass er wegen Diabetes kaum einsetzbar sei: „Ich bin krank, darf nicht schwer heben.“ Da komme nur ein Job am Computer, als Pförtner oder Baumarktberater in Frage.