Studie zeigt Zusammenhang von sozialer Situation am Wohnort und Zahl an jugendlicher Rauschtrinker
Archivmeldung vom 07.01.2015
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtDer Wohnort eines Jugendlichen gibt wichtige Hinweise auf dessen Gefährdung, Opfer eines behandlungsbedürftigen Alkoholrausches zu werden. Das ergab eine Studie der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden. Die Forscher werteten dazu alle 586 Fälle aus den Jahren 2003 bis 2008 aus, bei denen Jugendliche im Alter zwischen 12 und 17 Jahren wegen eines Vollrausches in eine der beiden Dresdner Kinderkliniken eingeliefert wurden. Dabei stellten die Forscher bei der Herkunft der Rauschtrinker erhebliche Unterschiede zwischen bestimmten Dresdner Stadtteilen fest, die in Abhängigkeit von der Arbeitslosenquote stehen.
Auch der Anteil an alleinerziehenden Familien ist in den Dresdner Stadtteilen mit den höchsten Raten an jugendlichen Rauschtrinkern überdurchschnittlich hoch. Die in der Fachzeitschrift „European Addiction Research“ veröffentlichte Studie „A Retrospective Analysis of Psychosocial Risk Factors Modulating Adolescent Alcohol Binge Drinking“ (DOI: 10.1159/000362410) könnte eine wichtige Grundlage bilden, den Bedarf für Suchtpräventionsangebote künftig genauer planen zu können.
Die Forschungsergebnisse weisen auf einen wichtigen Aspekt des Rauschtrinkens hin, der die positiven Meldungen vom Dezember vergangenen Jahres relativiert, in denen über eine abnehmende Zahl von Kinder und Jugendlichen mit Alkoholvergiftungen berichtet wurde. „Trotz eines allgemeinen Rückgangs von jugendlichem Komatrinken tritt das Problem häufiger in sozial schwächeren Wohngebieten auf. Das weist auf den spezifischen Bedarf an präventiven Maßnahmen in diesen Gegenden hin, der ungeachtet sinkender Zahlen bestehen bleibt“, sagt Prof. Ulrich Zimmermann, stellvertretender Direktor der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie und Leiter des Forscherteams für die Dresdner Studie. Besonderen Handlungsbedarf sieht er im Freistaat: „Vor allem in Sachsen ist der Rückgang an jugendlichen Rauschtrinkern erheblich niedriger als in anderen Bundesländern, so dass wir uns nicht in falscher Sicherheit wiegen dürfen – zumal in Sachsen die Häufigkeit jugendlicher Alkoholvergiftungen zuletzt ziemlich genau im Bundesdurchschnitt aller Länder lag, der Rückgang aber am geringsten ist“, so Prof. Zimmermann weiter.
586 Alkoholvergiftungen von 12- bis 17-Jährigen untersucht
Ein oft diskutierter Risikofaktor für die Entwicklung von Suchterkrankungen stellen schwierige psychosoziale Verhältnisse dar, zum Beispiel Arbeitslosigkeit. Vor diesem Hintergrund wurde in der Dresdner Studie auch untersucht, ob es einen Zusammenhang zwischen der Arbeitslosenquote in den Dresdner Ortsamtsbereichen und der Häufigkeit alkoholbedingter Krankenhausbehandlungen bei den dort wohnhaften Jugendlichen gibt. Die Arbeitslosenquote liegt in den statistischen Bezirken zwischen fünf und 18 Prozent. Der Anteil der jeweils dort wohnhaften Jugendlichen, die von 2003 bis 2008 alkoholbedingt ins Krankenhaus kamen, schwankte zwischen 0 und 3,5 Prozent. Bei Bewohnern von Ortsamtsbereichen mit hoher Arbeitslosigkeit war auch der Anteil der Jugendlichen mit alkoholbedingten Krankenhausbehandlungen hoch. Diese Beobachtung trifft beispielsweise auf die Dresdner Stadtteile Pieschen oder Cotta zu. Umgekehrt kamen deutlich weniger jugendliche Rauschtrinker aus Ortsamtsbereichen mit geringerer Arbeitslosigkeit wie zum Beispiel Dresden-Klotzsche. Ein ähnlicher Zusammenhang fand sich auch für den Anteil Alleinerziehender: In den Dresdner Ortsamtsbereichen mit vielen alleinerziehenden Familien kam es wesentlich häufiger zu alkoholbedingten Krankenhausaufnahmen als in Stadtteilen mit einem hohen Anteil an vollständigen Familien.
Die Studie des Forscherteams um Prof. Ulrich Zimmermann ging der Frage nach, ob verschiedene psychosoziale Faktoren mit besonders riskantem Alkohol- oder Drogenkonsum verbunden sind. Zu den wichtigsten Faktoren gehören zum Beispiel die Trinksituation, der Trinkanlass und die Arbeitslosenquote im Stadtteil, in dem der Betroffene wohnt. Um hier genauere Rückschlüsse ziehen zu können, wurden die Krankenakten aller jugendlicher Patienten mit Alkoholvergiftung systematisch ausgewertet, die im Zeitraum von 2003 bis 2008 in den beiden Dresdner Kinderkliniken – dem Universitätsklinikum und dem Städtischen Krankenhaus Dresden-Neustadt – behandelt wurden. Insgesamt analysierte das Forscherteam alle 586 aufgetretenen Fälle, wobei der Altersbereich der Jugendlichen zwischen 12 und 17 Jahren lag. Bei dieser Auswertung zeigte sich, dass die überwiegende Mehrheit der untersuchten Jugendlichen am Wochenende auf Partys zusammen mit Gleichaltrigen trank. Dieses „typische“ Trinkverhalten stand im Gegensatz zu „atypischem“ Alkoholkonsum, das heißt Alkoholkonsum, bei dem die Jugendlichen Alkohol entweder zur Flasche griffen, um zwischenmenschliche Probleme zu bewältigen, oder sich betranken, obgleich der nächste Tag ein Schul- beziehungsweise Arbeitstag war. Jugendliche, die „atypisch“ Alkohol tranken, nahmen auch häufiger illegale Drogen ein, wiesen eine Alkohol- oder Drogengebrauchsstörung und / oder andere psychische Störungen auf. Die Wissenschaftler folgern, dass „atypisches” Trinkverhalten bei Jugendlichen ein Anzeichen für ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung von Alkohol- und Substanzgebrauchsstörungen zu sein scheint.
Quelle: Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden (idw)