Stuttgart: Geheime Jugendamtsakte den Medien angeboten
Archivmeldung vom 01.04.2010
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittNach Informationen des RB Stuttgart hat eine im Jugendamt Stuttgart beschäftigte Sozialarbeiterin die gesamte Akte im aktuellen Kindesentzugsfall Nina Veronika Medienvertretern angeboten. „Der Preis der Akte ist eher als symbolisch anzusehen“, so die Mitarbeiterin. Es gehe ihr um die mit ihrem Schritt verbundenen moralischen und ethischen Werte, „dort zu helfen, wo Hilfe nötig sei“, auch möchte sie vor dem Hintergrund der aktuellen Kindesmissbrauchsfälle Reue für ihr Verhalten zeigen.
Nachdem im Fall der kleinen Nina Veronika vor kurzem erneut brisante Äußerungen mehrerer Mitarbeiter des Jugendamtes Stuttgart an die Öffentlichkeit gelangten, sah sich die Mitarbeiterin endgültig in einem Gewissenskonflikt: „Wir wurden angewiesen, dass wir mit Herkunftseltern zwar telefonieren sollen, aber stets mit der Auflage verbunden, keinerlei Informationen über das Kind preiszugeben. Auch wurde uns ausdrücklich nahegelegt, jederzeit, auch mitten im Gespräch, den Hörer aufzulegen.“ Auf Nachfrage, wie sich die Zusammenarbeit mit dem Amtsleiter gestaltete, führte die Mitarbeiterin aus: „Er ließ niemals Zweifel daran, wie wichtig ihm die Befolgung seines Hinweises ist.“ Zeitweise seien die Mitarbeiter auch angewiesen worden, bei telefonischen Anfragen von Eltern sofort aufzulegen sowie schriftliche Anfragen nicht oder ausweichend zu beantworten, was sich bei Kontaktversuchen des RB Stuttgart mit dem Jugendamt und dessen Pressestelle bestätigte.
Ungerechtfertigte Trennungen von Eltern und Kindern
Die Sozialarbeiterin berichtet, sie habe hinreichende Informationen darüber, dass die Trennung von Eltern und Kind in vielen Fällen fachlich nicht gerechtfertigt ist. Die Informantin, die aus Angst vor Konsequenzen unbedingt anonym bleiben möchte, fügt hinzu, dass unter den Mitarbeitern im Jugendamt zunehmend der Eindruck besteht, Amtsleiter Bruno Pfeifle sei psychisch krank. Sie selbst sei aufgrund der Arbeitsbedingungen zeitweise von Suizidgedanken geplagt und räumt ein, deshalb seit Monaten in psychotherapeutischer Behandlung zu sein. Dem RB Stuttgart liegen zudem mehrere Schreiben vor, die bestätigen, dass die im Jugendamt Stuttgart übliche Arbeitsweise eine immense psychische Belastung für die dortigen Mitarbeiter darstellt.
Jugendamt verstrickt Stuttgarter Polizei in Kindesentzugsfall
Amtsintern sei Kritik laut geworden, als bekannt wurde, dass von der Stuttgarter Polizei auf Anforderung des Jugendamtes ein damals einjähriges Mädchen von seinen sorgeberechtigten Eltern ferngehalten wurde. Dem RB Stuttgart liegen Informationen vor, dass in weiteren Fällen mit Beteiligung des Stuttgarter Jugendamtes ähnlich vorgegangen wurde.
Verschwiegener Todesfall in Stuttgarter Pflegefamilie?
Die Jugendamtsmitarbeiterin habe sich dazu entschlossen, ihr Schweigen zu brechen, da es kürzlich einen weiteren Todesfall eines Kindes in der Obhut einer Stuttgarter Pflegefamilie gegeben habe. Amtsleiter Pfeifle habe aber unter Androhung arbeitsrechtlicher Konsequenzen jugendamtweit die Anweisung erteilt, darüber Stillschweigen zu bewahren - der Tod des Kindes in der Obhut des Jugendamtes dürfe unter keinen Umständen an die Öffentlichkeit gelangen. Bereits seit längerem habe Pfeifle seinen Mitarbeitern offenbar systematisch Dienstanweisungen erteilt, Desinformation zu verbreiten. Dies insbesondere in gerichtlichen Verfahren, bei denen Eltern von Säuglingen und Kleinstkindern das Sorgerecht entzogen werden soll.
Muss Amtsleiter Bruno Pfeifle gehen?
Der 60-jährige Amtsleiter, in dessen Verantwortungsbereich mehrere Kinder zu Tode gekommen sind und der bereits in mehreren Sorgerechtsfällen durch krasse Fehlentscheidungen aufgefallen ist, soll mit sofortiger Wirkung beurlaubt worden sein. Seitens der Stadt Stuttgart waren keinerlei Informationen dazu zu erhalten.
Pfeifle, der auch im Stuttgarter Jugendhilfeausschuss sitzt, ist seit mehreren Tagen nicht mehr zu erreichen. Persönliche Interviewgespräche mit dem Amtsleiter „machen wir nicht“, so Pressesprecherin Petra-Daniela Hörner am vergangenen Mittwoch. Auf Nachfrage, ob es einen Grund dafür gebe, antwortete Hörner lediglich mit „Ja.“
Derzeit ist noch ungewiss, ob die Sozialarbeiterin vor dem Hintergrund der aktuellen Berichterstattung über deutsche Jugendämter für eine Zusammenarbeit mit dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu gewinnen ist.
Das Deutsche Institut für Urbanistik (DIFU), in dessen „Arbeitsgruppe Fachtagungen Jugendhilfe“ Pfeifle Beiratsvorsitzender ist, signalisierte Interesse an einer weiteren Zusammenarbeit mit dem gelernten Verwaltungsfachwirt.
Quelle: jugendamtwache / premiumpresse