Von Opfern und Tätern
Archivmeldung vom 30.08.2008
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 30.08.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Oliver RandakDie Adresse, die Kontonummer, die Vorliebe für Luxusgüter oder die Suche nach einem Partner: In Deutschland werden Millionen von Daten illegal gehandelt. stern.de hat versucht, die Kette der Daten zu verfolgen - vom ausgespähten Bürger bis zu den Tätern.
Am Anfang steht ein Angebot. Rund sechs Millionen Adressen, davon mutmaßlich vier Millionen mit Kontoverbindungen, bietet ein 22-jähriger Mann aus Münster zum Kauf an. Der Preis: 850 Euro. Bei Interesse verschickt er eine kleine Kostprobe, verschiedene Listen mit den Details von etwa 500 Personen. Eine dieser Listen enthält die Namen und Kontonummern von 121 Kunden der Deutschen Bank Lübeck, sortiert nach Geburtsdatum, aufsteigend vom 30.10.1967 bis zum 30.9.1974. Eine Sprecherin der Deutschen Bank in Frankfurt erklärt, "nach Form und Zusammenstellung" könne man "ausschließen, dass die Daten aus unserem Hause stammen". Mit dem Einverständnis der Betroffenen hat der stern.de versucht, die Spur der Daten zu verfolgen. Die Reise beginnt bei den Opfern.
Malies K., 40 Jahre, aus Neustadt war Kundin der Deutschen Bank Lübeck, ihr Name steht auf der Liste. Im Juni vergangenen Jahres erhielt sie ein verführerisches Angebot: "Mir wurde wirklich das Blaue vom Himmel versprochen. Ich sei für die Teilnahme an einer Lotterie ausgewählt worden. Meine Daten hatte er schon. 'Das ist ganz kostenlos und nach vier Wochen sind Sie wieder raus', hat er felsenfest versprochen. Da habe ich blöderweise eingelenkt.
"Nach vier Wochen sind Sie wieder raus"
Einige Tage später kam ein Anruf von einer netten Frau, die mich darauf aufmerksam gemacht hat, dass demnächst 99,80 Euro von meinem Konto abgebucht werden. Ich habe sofort gesagt, dass ich das nicht will und dass davon keine Rede war. Die Abbuchung wäre aber bereits in die Wege geleitet worden und ich solle mir das Geld zurückbuchen lassen. Sie entschuldigte sich auch für das Verhalten des ersten Anrufers und erklärte, dass solche Dinge passierten, weil sie mit Call-Centern zusammenarbeiten würden. Am 3. Juli 2007 wurden mir dann tatsächlich 99,80 Euro abgebucht. Nach meinem Protest hatte ich das Geld am 6. Juli 2007 zurück. Die einzigen, denen ich je meine Bankddaten gegeben habe, war die SKL. Bis heute rufen dauernd Nervensägen an. Die Leute sind jetzt so dreist, dass sie sagen: Was wollen Sie denn, wir rufen weiter an, Ihre Daten stehen doch sowieso im Netz." Die Lot-To-Win GmbH aus Duisburg hatte die 99,80 Euro von Malies K. Konto abgebucht.
Drohung mit Strafanzeige
Die Spur führt zum Geschäftsführer Herbert Bas. Doch er ist nicht leicht zu erreichen. Die Telefonnummer entpuppt sich als Faxanschluss, und der Losverkäufer im Callcenter ist angewiesen, die Nummer seines Chefs nicht herauszugeben. Per E-Mail verlangt Bas vom Journalisten "einen schriftlichen Nachweis über den rechtmäßigen Besitz von Kunden- bzw. Abbuchungsdaten. ... Sollten Sie diesen Nachweis nicht vorlegen, muss ich ... Strafantrag stellen." Strafantrag hätte Lot-to-win besser gegenüber dem nach Angaben von Bas beauftragten Callcenter Win-Call in Köln gestellt, das Malies K. belogen hatte. "Auffälligkeiten bei dem genannten Vertriebspartner wurden nie im Bereich der Adressherkunft festgestellt, sondern vielmehr bei der Qualität der teils eingesetzten Mitarbeiter", redet sich Lot-to-win heute heraus. Ein Mitarbeiter von Win-Call muss Malies K. um den 13. Juni 2007 angerufen haben. Doch dort geht niemand mehr ans Telefon. Die Spur führt in eine Tierarztpraxis. Die Firma Lot-to-Win gehört unter anderem der Ärztin Odile Tüllmann-Meyer, die in Krefeld eine Praxis für Tiere unterhält. Am Telefon möchte sich Odile Tüllmann-Meyer nicht zu Lot-to-win äußern. Ebenso wenig Miteignerin Rita Thiel in Ratingen. Rita Thiel findet es ironischerweise "unverschämt, am Telefon belästigt" zu werden. Überhaupt, woher wisse der Anrufer von ihrem Firmenanteil? Es gäbe doch Datenschutz, empört sich die Dame.