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Die Wiederbelebung des europäischen Schienenverkehrs kann nur gemeinsam gelingen

Archivmeldung vom 27.11.2015

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 27.11.2015 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Manuel Schmidt
Bild: Peter Freitag / pixelio.de
Bild: Peter Freitag / pixelio.de

Das EU-Weißbuch Verkehr formulierte 2011 das Ziel, dass der überwiegende Teil des europäischen Personen- und Güterverkehrs auf mittleren und langen Distanzen bis 2050 auf den umweltfreundlichen Verkehrsträgern Schiene und Wasserstraße stattfinden soll. Gleichzeitig sollen die Treibhausgasemissionen des Verkehrs um 60 Prozent gegenüber dem Jahr 2005 sinken. Das Fraunhofer ISI hat zusammen mit Projektpartnern untersucht, unter welchen Bedingungen sich diese Ziele erreichen lassen. Die internationale Studie zeigt, dass die Bahnen diese enorme Aufgabe nicht allein bewältigen können.

Für das Erreichen der Weißbuch-Ziele ist eine Neuausrichtung der Mobilitätskultur nötig, die die konsequente Umsetzung lebenswerter Stadt- und Regionalkonzepte beinhaltet. Wie sich diese „RAILmap 2050“ umsetzen und finanzieren lässt, wurde im Forschungsprojekt LivingRAIL aufgezeigt.

Zunächst wurde herausgearbeitet, welche Ziele für die Mobilität des Jahres 2050 erstrebenswert sind und welche Rolle die Bahnen dabei spielen können. Zu dieser positiven Vision gehören die zunehmende Bedeutung nachhaltiger Lebensstile, grüne Städte, fortschreitender Pragmatismus im Umgang mit dem Pkw, kurze Innovationszyklen in der Bahnindustrie, Bahnunternehmen als kundenorientierte Gesamtmobilitätsanbieter sowie qualitativ hochwertige, personalisierte und allzeit verfügbare Informationen.

Doch die aktuelle Marktlage der europäischen Bahnen weist nicht in Richtung der EU-Weißbuch-Ziele: Zwar gibt es positive Entwicklungen wie den zunehmenden grenzüberschreitenden Personenverkehr in Westeuropa, erfolgreiche Regionalbahnen sowie attraktive und städtisch gut integrierte Bahnhöfe, doch der Marktanteil der Bahn stagniert nach Zahlen des Statistischen Amts der Europäischen Union im Personenverkehr bei neun Prozent. Im Güterverkehr wurden 2013 zwar siebzehn Prozent der Verkehrsleistung per Bahn transportiert, jedoch mit abnehmender Tendenz.

Durch die Anwendung komplexer Verkehrsmodelle berechnete das LivingRAIL-Forschungsteam, dass schnellere Bahnstrecken alleine – also ohne die gleichzeitige Verbesserung der gesamten Reisekette beispielsweise durch den Ausbau des Regional- und Nahverkehrs oder die Integration von Car- und Bikesharing – nur zwei bis fünf Prozentpunkte Marktanteil bringen. Wenn die Preise im Vergleich zur Straße günstiger sind, bringt das jedoch rund zehn Prozentpunkte. Die größten Effekte auf den Marktanteil der Bahnen werden jedoch durch „weiche Maßnahmen“ erreicht: Dazu gehören vor allem eine strategische Verkehrsraum- und Stadtplanung in enger Kooperation von EU, Mitgliedsstaaten und Kommunen sowie eine konsequente Ausrichtung der Unternehmenspolitik der Bahnen an den Bedürfnissen ihrer Kunden im Personen- und Güterverkehr. Weitere Maßnahmen sind ein schneller und bequemer Zugang zu Bahnhöfen, die Automatisierung in allen Bereichen der Bahn und einfache Buchungsstellen für europäische Gütertransporte. Projektleiter Dr. Claus Doll vom Fraunhofer ISI betont: „Nur im Zusammenspiel zielgerichteter und koordinierter Maßnahmen von Bahnsektor, Politik, Unternehmen und Gesellschaft lassen sich die durch das EU-Weißbuch gesteckten Ziele näherungsweise erreichen.“

Dafür schlägt die im Projekt entwickelte „RAILmap 2050“ mehrere Strategien vor: Zunächst muss die EU den begonnenen Reformprozess hin zu einem einheitlichen und liberalisierten Eisenbahnraum fortsetzen. Dies bedarf der vollen Unterstützung der Mitgliedsstaaten, um die Abschottung der nationalen Bahngesellschaften durch technologische und rechtliche Barrieren abzuschaffen. Die Koordination regionaler, nationaler und europäischer Verkehrsentwicklungspläne, die Stärkung regionaler Gestaltungsbefugnisse, faire Preise sowie eine stärkere Regulierung des Straßen- und Luftverkehrs können hier unterstützen.

Gleichzeitig müssen jedoch die Bahngesellschaften die Umwandlung von Staatsunternehmen zu kundenorientierten Marktakteuren schaffen. Hierzu sind intensive Marktforschung, die Standardisierung und Automatisierung von Prozessen, Unternehmenskooperationen, kürzere Innovationszyklen und die aktive Neuausrichtung von Unternehmenskulturen essenziell.

Ohne massive Investitionen in die europäischen Schienennetze werden die Ziele des EU-Weißbuchs jedoch unerreichbar bleiben: Die Gesamtkosten für Investitionen und sonstige Maßnahmen werden für die gesamte EU von heute bis zum Jahr 2050 auf 37 bis 57 Milliarden Euro pro Jahr beziffert. Demgegenüber stünden jährlich 57 bis 71 Milliarden Euro durch erhöhte Einnahmen der Bahnen sowie 10 bis 20 Milliarden Euro durch Quersubventionierungen über Straßenbenutzungsgebühren zur Verfügung. Claus Doll fasst zusammen: „Langfristig ist die Finanzierung aus eigenen Einnahmen der Bahnen mit geringfügiger Quersubventionierung aus Straße und Luftverkehr durchaus möglich.“

Wenn es gelänge, die Verkehrsverlagerungsziele des EU-Weißbuchs umzusetzen, würden 45 Prozent weniger CO2-Ausstoß erreicht. Das Klimaziel des EU-Weißbuchs für den gesamten Verkehr wäre 2050 also zu drei Vierteln erfüllt. Das verbleibende Viertel an CO2-Reduktionen wäre dann durch Verbesserungen und Verkehrsvermeidung im Straßen- und Luftverkehr zu erreichen. Ein zusätzlicher Nutzen der umgesetzten Verkehrsverlagerungsziele wären 80 Prozent weniger Luftschadstoffe sowie 25 Prozent weniger Verkehrstote.

Quelle: Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) (idw)

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