Vorfälle bei umstrittenen Testlauf mit Tasern bei der Berliner Polizei
Archivmeldung vom 20.06.2017
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Freigeschaltet durch André OttWährend des Testlaufs der Berliner Polizei mit Distanzelektroimpulsgeräten (DEIG) gab es bislang vier Vorfälle mit den sogenannten Tasern. Das bestätigte ein Sprecher der Berliner Polizei der "Heilbronner Stimme". In einem Fall ging es um eine Auseinandersetzung mit einem Bewaffneten in einer U-Bahn. In einem weiteren Fall ging es um einen Diebstahl und Widerstandshandlungen. In beiden Fällen hätte alleine die Androhung des Taser-Einsatzes die Situation entschärft.
Bei den anderen beiden Vorfällen ging es um Suizidversuche, in denen Polizisten als Nothilfe über den Einsatz von Tasern nachgedacht hätten. In der Stellungnahme der Polizei heißt es: "Am 13. März 2017 erfolgte der Einsatz des DEIG im Bereich des Polizeiabschnittes 53 durch das Androhen in entschlossener Schießhaltung nach einer Bedrohung von Fahrgästen der U-Bahnlinie U 8 mit einer Schere sowie sexueller Nötigung.
Das offensive Zeigen bewirkte die sofortige Festnahme des Täters ohne weitere Zwangsmittelanwendung. Ein weiterer Fall ereignete sich ebenfalls im Bereich des Polizeiabschnittes 53 am 6. Juni 2017. Bei der Festnahme einer männlichen Person nach einem Fahrraddiebstahl und einem Zeugenhinweis, dass der Täter ein Beil und einen Zimmermannshammer mitführte, kam es zu erheblichen Widerstandshandlungen. Dabei wurde von einem Mitarbeiter das DEIG in die Sicherungshaltung genommen, woraufhin der Täter den Widerstand aufgab. In zwei Fällen des angekündigten Suizides wurde der Einsatz durch die Beamten im Rahmen des rechtfertigenden Notstandes in Erwägung gezogen. Beide Einsatzanlässe konnten ohne den Einsatz des DEIG gelöst werden."
Der Berliner Taser-Test im Polizeistreifendienst in den Bezirken Mitte und Kreuzberg - mit jeweils zehn Beamten - hat am 6. Februar 2017 begonnen und soll drei Jahre dauern. Taser-Pilotprojekte gibt es auch bei der Polizei in Hessen und Rheinland. Verwendung finden Taser schon bei den Sondereinsatzkommandos, Vorreiter war im Jahre 2001 das Land Berlin.
Der Einsatz im Streifendienst ist umstritten. Die Gewerkschaft der Polizei GdP Berlin verlangt eine klare gesetzliche Regelung zum Einsatz der Taser. Bislang seien die Taser mit Schusswaffen gleichgesetzt. Benjamin Jendro, Sprecher des GdP-Landesbezirks Berlin, sagte der "Heilbronner Stimme": "Wir brauchen eine Einordnung unter der Schusswaffe und über Mitteln wie Pfefferspray oder Schlagstock. Dienstkräfte müssen binnen Sekunden über die richtige Wahl des Einsatzmittels entscheiden, ohne klare gesetzliche Regelung ist der Taser keine Hilfe, sondern eine zusätzliche Belastung am Gürtel."
In einem Positionspapier der GdP Berlin, das der Zeitung vorliegt, heißt es: "Das Distanz-Elektroimpulsgerät DEIG schließt in der Reihe der Einsatzmittel die Lücke vor der Schusswaffe, wenn es gesetzlich auf Höhe der Hilfsmittel der körperlichen Gewalt geregelt wird." Vorteile sind laut GdP-Papier: Im Gegensatz zu Schlagstock und Pfefferspray wirke das DEIG auch bei Personen mit hoher Schmerztoleranzgrenze (z. B. infolge von Alkohol- und Drogenkonsum), das Einsatzmittel verursache keine Folgewirkungen wie Schlagstock und Pfefferspray, es gebe ein verringertes Risiko einer posttraumatischen Belastungsstörung bei den Einsatzkräften und eine hohe Treffsicherheit durch die Laserzielvorrichtung.
Als Nachteile führt die GdP auf: das Risiko der Nichtwirksamkeit bei dicker Kleidung (Winter). Außerdem: "Bei gesetzlicher Einstufung des DEIG als Schusswaffe entfällt der Einsatzwert, da in Schusswaffen-Einsatzszenarien (z. B. Notwehr und Nothilfe) weiterhin die Schusswaffe verwendet werden muss - das DEIG ersetzt nicht die Schusswaffe!" Sollte eine Dienstkraft den DEIG dennoch statt der Schusswaffe in einer Notwehr- oder Nothilfesituation einsetzen, berge dies erhebliche Risiken. In dem Papier heißt es: "Bei der Schusswaffe kann bei Nichttreffer wiederholt geschossen werden; beim DEIG gibt es allenfalls einen zweiten Schuss (je nach Modell)."
Der Taser-Testlauf war im August 2016 von dem damaligen Innensenator Frank Henkel (CDU) auf den Weg gebracht worden. Grüne und Linke hatten das Vorhaben, damals noch als Oppositionsparteien, kritisiert. Nach der Wahl im September einigte sich die rot-rot-grüne Koalition, den einst ungeliebten Testlauf wie von Henkel geplant dennoch durchzuführen. Der Start erfolgte unter Innensenator Andreas Geisel (SPD) im Februar dieses Jahres.
Quelle: Heilbronner Stimme (ots)