Umfrage: Mehrheit der Deutschen für Aufnahme von mehr Flüchtlingen
Archivmeldung vom 22.04.2015
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 22.04.2015 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Manuel SchmidtEine Mehrheit der Deutschen plädiert angesichts der Flüchtlingskatastrophe im Mittelmeer dafür, noch mehr Flüchtlinge als bislang in Deutschland aufzunehmen.
Laut einer repräsentativen Umfrage von TNS Emnid im Auftrag des Nachrichtenmagazins "Focus" befürworten 52 Prozent der Bundesbürger diesen Vorschlag, 44 Prozent lehnen ihn ab. Besonders aufgeschlossen zeigten sich in der Umfrage die Anhänger der Grünen (87 Prozent), der Linkspartei und der SPD (je 61 Prozent).
Kritischer zeigten sich Sympathisanten von FDP und AfD (79 beziehungsweise 86 Prozent dagegen). Die Bevölkerung im Osten Deutschlands lehnt es mit 61 Prozent mehrheitlich ab, noch mehr Flüchtlinge als bislang in der Bundesrepublik aufzunehmen.
EVP-Fraktion erwartet nach Flüchtlingskatastrophe Umdenken in EU
Aus der bislang größten Flüchtlingskatastrophe mit über 800 Toten sollte die EU nach Überzeugung von EVP-Fraktionschef Manfred Weber Konsequenzen ziehen und das Engagement im Mittelmeer ausweiten. "Ich hoffe, dass die neuen Tragödien zu einem Umdenken führen", sagte der Fraktionsvorsitzende der Europäischen Volkspartei der "Rheinischen Post".
Von dem Sondergipfel der Staats- und Regierungschefs am Donnerstag müsse das Signal ausgehen, dass Europa zusammenstehe und "endlich handelt". Das gelte etwa für die sofortige Ausweitung des "Triton"-Einsatzes zu einer umfassenden Grenz- und Rettungsmission.
Städtetag: Kommunen können mehr Flüchtlinge aufnehmen
Der Präsident des Deutschen Städtetags, Ulrich Maly, sieht angesichts der Ereignisse auf dem Mittelmeer keine prinzipiellen Probleme für die Städte und Gemeinden in Deutschland, eine wachsende Zahl von Flüchtlingen aufzunehmen. "Wir müssen das verkraften", sagte er der "Mitteldeutschen Zeitung". "Denn wenn es sich um anerkannte Asylbewerber handelt und Deutschland seinen Verpflichtungen nachkommt, muss das im Inneren auch funktionieren. Die durchschnittliche Anerkennungsquote bei Asylbewerbern beträgt 30 Prozent. Wenn wir das auf die 200.000 Antragsteller des vorigen Jahres hochrechnen, dann wissen wir, es geht um 60.000 Neubürger. Im Vergleich zu den Millionen Vertriebenen, Spätaussiedlern und Gastarbeitern, die wir integriert haben, sind diese Zahlen zu managen."
Auch die zuletzt prognostizierte Zahl von 500.000 Flüchtlingen sei verkraftbar. Maly fügte hinzu: "Wenn im Libanon 1,5 Millionen Menschen in Zelten wohnen, dann dürfen wir nicht über 60.000 jammern. Das verbietet sich." Mit Blick auf den massenhaften Tod von Flüchtlingen im Laufe der vergangenen Woche mahnte Maly, die Europäische Union solle "so eine Seenotrettungsaktion wie Mare Nostrum sofort wieder aufnehmen, damit das Sterben endet".
Mittelmeer-Flüchtlinge: CSU warnt vor Zusammenbruch des Asylsystems
Der innenpolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Stephan Mayer (CSU), lehnt es strikt ab, für Flüchtlinge aus Krisenregionen legale Fluchtwege in die EU zu schaffen. Dem Vorschlag des Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung, Christoph Strässer (SPD), den Auslandsvertretungen der EU zu gestatten, Papiere für Betroffene auszustellen, damit diese nach Europa kommen könnten, um und dort ihre Verfahren zu betreiben, erteilte er eine klare Absage.
Die Auslandvertretungen seien für die Erteilung von Visa zuständig, aber nicht für die Entgegennahme von Asylanträgen: "Dies würde nicht nur zu einem Zusammenbruch des Asylsystems und der regulären Visaerteilung in den Auslandsvertretungen führen", sagte Mayer dem "Handelsblatt" (Onlineausgabe). "Im Ergebnis würden die vielen im Verfahren abgelehnten sich trotzdem auf den Weg nach Europa machen", so der CSU-Politiker weiter. "Wenn wir weiterhin ein funktionierendes Asylsystem zum Schutz der Verfolgten haben wollen, muss es auch künftig einen Unterschied machen, aus welchen Motiven jemand nach Deutschland kommen will."
So wie es der Zehn-Punkte-Plan der EU vorsehe, müsse daher Menschenschmuggel stärker bekämpft werden. Zudem müsse die Rückführung abgelehnter Asylbewerber forciert und dem Ansatz der Aufnahmeprogramme für Flüchtlinge etwa aus Syrien auch in andere EU Staaten stärker Rechnung getragen werden.
Mayer sieht Deutschland in Europa als "Vorreiter bei der Hilfe für Schutzbedürftige". Über Aufnahmeprogramme des Bundes, der Länder und das Asylsystem seien hierzulande mehr als 110.000 in Syrien aufgenommen worden, hinzu komme noch der Familiennachzug. Von den 630.000 in Europa gestellten Asylanträgen im vergangenen Jahr seien zudem mehr als 200.000 in Deutschland gestellt worden.
Grüne werfen de Maizière leichtfertigen Umgang mit Flüchtlingstod vor
Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt hat die Politik von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) in einen direkten Zusammenhang mit dem Tod von über 800 Flüchtlingen im Mittelmeer gebracht: Es sei ein "unerträglicher Satz" von de Maizière, noch in der letzten Woche Hilfe bei der Seenotrettung mit der Behauptung abgelehnt zu haben, dass man damit das Geschäft der Schlepper mache. "Damit nahm er leichtfertig hin, dass Hunderte Menschen im Mittelmeer sterben", sagte Göring-Eckardt der "Rheinischen Post".
Das Geschäft der Schlepper sei nur zu stoppen, indem man eine geregelte Überfahrt durch sichere Fähren und ein humanitäres Visum einführe. "Nicht jeder Flüchtling wird bei uns dauerhaft aufgenommen werden können, aber jeder soll das Recht haben, einen Asylantrag zu stellen", unterstrich Göring-Eckardt. Die bisherige EU-Flüchtlingspolitik sei eine "Schande für Europa", sagte die Grünen-Politikerin.
Quelle: dts Nachrichtenagentur