Red Bull Stratos: das fliegende Videostudio
Archivmeldung vom 26.08.2010
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittWenn Felix Baumgartner aus 36,5 Kilometer Höhe im freien Fall die Schallmauer durchbricht, werden Millionen Menschen auf der ganzen Welt den Jahrhundert-Sprung live mitverfolgen können. Das Red Bull Stratos Team gab bekannt, dass Baumgartners Mission in Echtzeit und High Definition aufgenommen und übertragen wird. Im Sage Cheshire Aerospace in Lancaster, Kalifornien, präsentierten die Experten erste Einblicke in das eigens angefertigte Kamerasystem.
Als der amtierende Rekordhalter, der frühere USAF-Colonel Joe Kittinger, im August 1960 aus 31 Kilometern Höhe absprang, benutzte sein Team zur Dokumentation Filmkameras mit Federaufzug, die mit Heißwasserflaschen erwärmt wurden. Bei Red Bull Stratos werden High Definition (HD)-Videokameras und digitale Ultra-HD 4k-Kinokameras eingesetzt. Sie sind so leistungsstark, dass die größte Herausforderung in ihrer Kühlung liegt. Denn so weit oben ist die Luft zu dünn, um die immense Hitze abzutransportieren. Dank der 15 mitgeführten Kameras, die auf die Kapsel sowie Felix Baumgartners Raumanzug montiert werden, kann ein Eindruck vermittelt werden, wie sich ein Kapselausstieg nahe am luftleeren Raum und ein freier Fall 36,5 Kilometer über der Erde anfühlen.
Jay Nemeth, Kameramann von Red Bull Stratos und Gründer von FlightLine Films, weiß, dass die Kamerasysteme, die er für die Mission entwickelt hat, wichtige Forschungsdaten liefern müssen: „Je besser die Qualität der Bilder ist, desto mehr können die Wissenschaftler analysieren – auch die kleinen Nuancen und Details, die essenziell dafür sind, damit man etwas verstehen kann, was nie zuvor versucht wurde: Dass ein Mensch die Schallmauer nur mit seinem Körper durchbricht.“ Nemeth fügte hinzu, dass die Komplexität des Kamerasystems ein „zweischneidiges Schwert“ sei: „Wir werden viel lebendigere Aufnahmen bekommen, haben mehr Kamerawinkel und erfassen einen größeren Bereich. Aber wir müssen auch mehr Fehlerszenarien durchgehen, es kann viel mehr schiefgehen.“
Das Kamerasystem für die Kapsel
Die Produktionsexperten des Red Bull Stratos Teams – weltweit führend in ihrem Bereich – haben die Kapsel mit neun HD-Kameras, drei digitalen 4k-Kinokameras und drei hochauflösenden digitalen Fotokameras ausgestattet. Vier davon sind für den Weltraum geeignet und werden außen an der Kapsel angebracht. Weitere acht befinden sich in druckdichten Gehäusen außen an der Kapsel. Diese Gehäuse schützen die empfindlichen Kameras vor dem Luftdruck im Fast-Vakuum, vor Eis und der extremen Hitze der Stratosphäre. Die verbleibenden drei Kameras in der Kapsel zeigen, wie Baumgartner den Druck ausgleicht, die Kapsel öffnet und aussteigt. Stütze des Systems ist eine druckdichtes „Fässchen“, das über drei Kilometer Kabel enthält. Das Kamerasystem der Kapsel erlaubt der Bodenkontrollstation, den Aufstieg am Bildschirm zu verfolgen und Anzeichen der Dekompressionskrankheit beim Piloten oder andere Sicherheitsrisiken zu beobachten. Außerdem werden alle Aktivitäten zugunsten zukünftiger wissenschaftlicher Forschungen gespeichert. „Wir haben im Grunde ein fliegendes Videoproduktionsstudio gebaut“, so Nemeth. „Die Kameras werden von einer Station des Kontrollzentrums ferngesteuert. Dort können die Kameraeinstellungen justiert und andere Winkel eingestellt werden. So sind die Flugkontrolle am Boden und die Zuschauer der TV-Liveübertragung und des Webcasts zu Hause perfekt angebunden.“
Großer Wert wird auch auf die Fotoproduktion gelegt, schließlich kann ein Foto die Magie eines Moments perfekt einfangen. Der Abenteuersportfotograf Christian Pondella, der als Berater schon früh in die Entwicklung des Fotokamerasystems eingebunden war, wählte Fotoapparate mit kleinen Gehäusen und hoher Auflösung. Er schlug eine 14-Millimeter-Weitwinkellinse vor, um Baumgartners Ausstieg aus der Kapsel aufzunehmen, sowie eine 64-GB-Flashcard mit hoher Geschwindigkeitsrate.
Das Kamerasystem an Baumgartners Raumanzug
Die wohl dynamischsten Bilder werden bei Baumgartners Sinkflug entstehen und seinen Blickwinkel dokumentieren. Drei kleine HD-Videokameras nehmen seinen Flug zurück zur Erde aus drei Positionen auf. Baumgartner wird diese Kameras am Raumanzug selbst aktivieren, bevor er springt. Wie Felix Baumgartner müssen sie fast 20 Minuten lang extreme Bedingungen aushalten. Außerdem müssen die Kameras die Bilder unabhängig von Baumgartners Blickrichtung liefern. Daher wird Baumgartner kleine HD-Videokameras mit gegensätzlichen Blickwinkeln tragen: Eine an jedem Oberschenkel sowie eine Kamera auf seinem Brust-Container, die auf den Gesichtsschutzschirm seines Helms gerichtet ist.
Luke Aikins, Luftfahrtstratege im Red Bull Stratos Team, hat mehrere Skydives mit Baumgartner absolviert und ihn im Flug gefilmt. „Wir müssen darauf achten, dass die Anzug-Kameras Felix im freien Fall nicht beeinträchtigen“, so Aikins. „Nach dem Ende der Mission wird das Team die Aufnahmen studieren können und Ideen entwickeln, wie man Menschen bei zukünftigen Unternehmungen helfen kann. Wir hoffen, dass wir viele Details sehen werden, die Felix unmöglich selbst wahrnehmen kann, zum Beispiel hinsichtlich seiner Körperposition oder des Anzugmaterials.“
„Letzten Endes bin ich völlig allein, sobald ich in der Kapsel eingeschlossen werde und bis ich wieder zur Erde komme“, berichtete Baumgartner. „Aber dank der Kamerasysteme habe ich zumindest die Sicherheit, dass das Red Bull Stratos Team nicht nur über Funk, sondern auch am Bildschirm mitbekommt, was vor sich geht. Und ich werde im Hinterkopf haben, dass Menschen in aller Welt die Erfahrung mit mir teilen werden.“
LIVE: Red Bull Stratos auf ServusTV und als Webcast
Am Tag von Baumgartners Sprung wird Red Bull Stratos gemeinsam mit einigen Partnern eine Live-Fernsehübertragung sowie einen Online-Stream über die Aktivitäten rund um seinen Aufstieg und freien Fall bieten. In Deutschland wird ServusTV live berichten. Der Termin, Ort sowie Details zum Livestream auf www.redbullstratos.com werden in den kommenden Wochen veröffentlicht.
Quelle:Red Bull Stratos