Novum: Gesellschaft braucht weniger Straßen
Archivmeldung vom 10.05.2012
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie Zeit des ständigen Ausbaus des Straßennetzes ist vorbei, denn künftig ist eher der Rückbau bestehender Verkehrsinfrastruktur ein Thema. Die demografische Entwicklung und der Klimaschutz werden den Verkehr deutlich verändern, betonen Experten anlässlich der Jahrestagung der deutschen verkehrswissenschaftlichen Gesellschaft DVWG, die unter dem Motto "Strukturwandel und Strategien für die Mobilität 2030" steht.
"Die Planung von Verkehrsinfrastruktur muss um Jahrzehnte vorausdenken", legt Peter Vortisch, Leiter des Instituts für Verkehrswesen am Karlsruher Institut für Technologie (KIT), im pressetext-Interview dar. Große Strukturmaßnahmen benötigen rund zehn Jahre für Diskussion und Planung und weitere fünf bis zehn Baujahre. "Zwar hat sich das Mobilitätsverhalten schon bisher über die Lebensabschnitte stets geändert, denn mit 20, 50 und 80 Jahren bewegt man sich jeweils deutlich anders. Während der Ausgleich von Geburten- und Sterbezahlen stets die Waage hielt, ist das nun erstmals nicht mehr der Fall."
Die neue Situation stellt Annahmen zur Mobilität auf den Kopf. "Erstmals steigt die täglich zurückgelegte Strecke nicht mehr und hat sich in den vergangenen Jahren in Deutschland bei rund 40 Kilometern pro Kopf eingependelt. Zwar nehmen die Kfz-Anmeldungen weiter zu, doch gefahren wird weniger", erklärt Vortisch. Am radikalsten ist der Umbruch bei den unter 30-Jährigen, wo das Auto an Stellenwert verliert. Die Grundthese, dass stets neue Straßen und Autobahnen nötig sind, gilt somit nicht mehr.
Autobahn-Rückbau als Option
Der Klimawandel und die begrenzte Erdöl-Verfügbarkeit erfordern zusätzlich ein Hinterfragen bisheriger Mobilitätskonzepte. Elektromobilität bietet hier eine Lösung, sofern sie mit Strom aus zusätzlichen erneuerbaren Energiequellen gespeist wird. "Mobilität und Energie werden künftig noch enger verknüpft sein, zumal Autoakkus ideale Speicher für in der Nacht erzeugten Windstrom wären", legt der Karlsruher Verkehrsexperte dar. Deutschland droht seinen Anschluss an die Elektromobilität jedoch zu verpassen, wie aktuelle Studien zeigen.
Für die Infrastruktur wird der Trend jedenfalls Folgen haben, betont Vortisch "Bei manchen Teilabschnitten von Autobahnen ist ein Rückbau zu überlegen, andere geplante Projekte wie etwa die zweite Rheinbrücke in Karlsruhe sind stark in Diskussion gekommen." Eindeutig sei weiterhin der Trend in Richtung der Stadt der kurzen Wege. "In der Autobegeisterungsphase trennte man in der Stadtplanung die Bereiche für Wohnen, Arbeit und Freizeit. Man ist davon abgekommen - nicht nur aufgrund der Stau- und Klimaproblematik: Längst herrscht auch Konsens darüber, dass eine lebenswerte Stadt nutzungsgemischt gestaltet ist", so der Experte.
Quelle: www.pressetext.com/Johannes Pernsteiner