Bsirske übt scharfe Kritik am geplanten Mindestlohngesetz
Archivmeldung vom 30.06.2014
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtDie Dienstleistungsgewerkschaft Verdi übt scharfe Kritik am geplanten Mindestlohngesetz der Bundesregierung. "Mit der Vielzahl von Ausnahmen hat die Koalition den Mindestlohn brutal amputiert. CDU, CSU und SPD verweigern mindestens drei Millionen Menschen die 8,50 Euro", sagte der Verdi-Vorsitzende Frank Bsirske der Zeitung "Bild am Sonntag".
Die Ausnahmen träfen ausgerechnet die Schwächsten am Arbeitsmarkt. Die Bundesregierung liefere Langzeitarbeitslose, Saisonkräfte, Erntehelfer, Zeitungszusteller und Praktikanten "weiterhin der Willkür von Hungerlöhnen aus". Bsirske wirft der SPD Wählertäuschung vor: "Das hat mit dem allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn, den die SPD in ihrer Mitgliederbefragung vor der Regierungsbildung zur Abstimmung gestellt hat, nichts mehr zu tun. Dieser Flickenteppich ist ein Akt grober Wählertäuschung zulasten von Millionen Arbeitnehmern."
Am Freitag hatten sich die Spitzen der schwarz-roten Koalition auf zusätzliche Ausnahmen beim Mindestlohn verständigt, am Donnerstag soll das Gesetz beschlossen werden.
Linke: Ausnahmen von Jugendlichen vom Mindestlohn verfassungswidrig
Die Linkspartei hält die Ausnahmen für Jugendliche unter 18 vom Mindestlohn für "pure Willkür" und für "verfassungswidrig" - und bezieht sich dabei auf neue Zahlen des Bundesarbeitsministeriums, die Einblick in die Beschäftigungsverhältnisse von unter 18-Jährigen geben. Die Zahlen liegen der "Welt" vor.
Demnach gingen im Juni 2013 rund 70 Prozent der 453.000 Beschäftigten unter 18 Jahren einer geringfügigen oder kurzfristigen Beschäftigung nach. Dabei dürfte es sich in aller Regel um Minijobs neben der Schule oder Ferienjobs handeln. 29 Prozent der 18-Jährigen befanden sich in einer Ausbildung.
Die Linkspartei hält die Gruppe an Auszubildenden für zu klein, als, dass künftig ein massenhafter Exodus in besser bezahlte Aushilfsjobs drohe. "Es gibt die Gruppe von Jugendlichen gar nicht, die davor geschützt werden müsste, einen Ausbildungsplatz zu verweigern", sagte Jutta Krellmann von der Linkspartei. "Die SPD brauchte nur ein Bauernopfer, um von der CDU/CSU die Zustimmung für den Mindestlohn zu bekommen."
Knapp 60 Prozent der ausschließlich geringfügig oder kurzfristig Beschäftigten sind in vier Wirtschaftszweigen zu finden: Im Handel, im Gastgewerbe, im Bereich Information und Kommunikation sowie im Verkehr. In allen vier Wirtschaftszweigen sind den Zahlen zufolge deutlich mehr Minijobs und kurzfristig Beschäftigte als Azubis unter 18 Jahren zu finden.
"Die Bundesregierung liefert selbst die Belege dafür, dass die Verweigerung des Mindestlohns für Jugendliche unter 18 Jahren pure Willkür und Diskriminierung am Arbeitsmarkt ist", sagte Krellmann. "Dadurch werden Schüler bestraft, die einen Minijob oder einen Ferienjob haben." Dies sei verfassungswidrig.
CDU-Vize Strobl verteidigt neue Ausnahmen beim Mindestlohn
Der stellvertretende CDU-Vorsitzende Thomas Strobl hat die am Wochenende in der Koalition vereinbarten weiteren Ausnahmen vom Mindestlohn verteidigt. "Wir haben immer gesagt, dass wir den Mindestlohn wollen, aber, dass keine Arbeitsplätze gefährdet werden dürfen", betonte Strobl gegenüber der "Saarbrücker Zeitung". "Es zeichnet sich nun ein sehr guter Kompromiss ab, der das sicherstellt."
In den beiden Bereichen, wo es weitere Ausnahmen geben soll, Erntehelfer und Zeitungsausträger, gehe es um "atypische" Beschäftigungsformen. "Auf diese Besonderheiten mussten wir eingehen", sagte Strobl. Auch die Ausdehnung bei den Praktikanten auf drei Monate Beschäftigung unterhalb des Mindestlohns sei "eine sinnvolle Differenzierung."
Strobl bestritt die von der Gewerkschaft Verdi genannte Zahl von drei Million Beschäftigten, die nun vom Mindestlohn ausgenommen seien, "Diese Zahl kann ich nicht bestätigten." Der Kompromiss sei auch im Interesse der betroffenen Arbeitnehmer. Der Mindestlohn werde "mit Maß und Mitte und mit den notwendigen Differenzierungen" umgesetzt. Das sei ein gemeinsamer Erfolg der Koalition. Wenn es bei den Kompromissen bleibe, werde die Anzahl der Gegenstimmen aus dem Unionslager bei der Schlussabstimmung am Freitag "sehr überschaubar" bleiben, sagte Strobl voraus.
Quelle: dts Nachrichtenagentur