Roman Müller-Böhm: „Da passiert nichts“
Archivmeldung vom 28.09.2017
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDer mit 24 Jahren jüngste Abgeordnete des neuen Bundestages, Roman Müller-Böhm (FDP), sieht Deutschland in Fragen der Mobilität und Digitalisierung „meilenwert“ hinterher hinken. Dabei seien dies Themen, die besonders die Jüngeren beschäftigten und beträfen, sagte er im Interview mit der Wochenzeitung „Das Parlament“ (Erscheinungstag: 2. Oktober). Um sie wolle er sich als Abgeordneter in Berlin daher besonders kümmern.
Mit Blick auf das Durchschnittsalter der Abgeordneten im Parlament, das zuletzt bei knapp unter 50 Jahren lag, urteilte Müller-Böhm: „Ein höheres Lebensalter führt nicht per se dazu, dass eher Politik für ältere Menschen gemacht wird. Aber wenn man sich die Entscheidungen der vergangenen Jahre ansieht, war es häufig so.“
Einer möglichen Jamaika-Koalition aus Union, Grünen und FDP steht der junge FDP-Abgeordnete offen gegenüber. „Die Koalitionsverhandlungen dürften schwierig werden, aber es wäre falsch zu sagen, dass ein solches Bündnis von Natur aus zum Scheitern verurteilt ist.“ Genauso wenig Sinn mache es, vorab schon rote Linien zu ziehen. „Klar ist doch, dass wir als Liberale selbst in einer Koalition nur mit der Union nie zu hundert Prozent unsere Forderungen durchsetzen könnten - und umgekehrt. Alle müssen am Ende Kompromisse machen und ich bin zuversichtlich, dass es die auch geben wird.“
Das Interview das Johanna Metz mit Roman Müller-Böhm geführt hat im Wortlaut:
Herr Böhm, Sie sind absoluter Neuling im künftigen Bundestag. Wie haben Sie die ersten Tage in Berlin erlebt?
Die waren wahnsinnig stressig und sehr überwältigend. Ich habe gefühlt 10.000 Nachrichten bekommen - Glückwünsche, aber auch viele Presseanfragen. Es gibt so vieles zu klären und zu organisieren. Zum Glück wohnt meine Freundin schon in Berlin, sodass ich mich nicht noch um eine Wohnung kümmern muss.
Sie sind mit 24 Jahren gleichzeitig der jüngste Abgeordnete. Hilft Ihnen jemand, sich im Parlamentsalltag zurechtzufinden?
Ich gehe in den nächsten Tagen in ein „Bootcamp“ meiner Fraktion. Da werden wir Neulinge - und das sind ja fast zwei Drittel der Abgeordneten bei uns - auf die Fraktions- und Parlamentsarbeit vorbereitet. Da die FDP in den vergangenen vier Jahren nicht im Bundestag vertreten war, bedeutet der Wiedereinzug für uns einen kompletten Neustart. Wir brauchen Hilfe bei formalen und technischen Fragen, müssen die Räumlichkeiten kennenlernen - wir sind wie ein Start-up-Unternehmen, das jetzt erstmal aufgebaut werden muss.
Ihr Parteichef Christian Lindner saß selbst mit 21 Jahren als jüngster Abgeordneter der Geschichte im Landtag von Nordrhein-Westfalen. Hat er Ihnen Tipps gegeben?
Nicht wirklich, aber natürlich guckt man sich manches Positive ab. Mir war aber immer sehr wichtig, meinen eigenen Weg zu gehen. Ich möchte keine Kopie von einem anderen Politiker sein.
Wie haben Sie es geschafft, sich so früh ein Bundestagsmandat zu erkämpfen? Gab es einen besonderen Auslöser für Ihr politisches Engagement?
Das begann bei mir alles mit der Bundestagswahl 2009. Da war ich 16 und durfte noch nicht wählen. Aber ich habe mich intensiv gefragt, wen ich wählen würde. Trotz meines eher konservativen Elternhauses war diese Frage für mich offen. Ich habe alle Parteiprogramme gelesen und den Wahl-O-Mat gemacht und dabei entdeckt, dass die FDP meinem Lebensgefühl am besten entspricht. Ich will eine freie und offene Gesellschaft und lehne eine zu starke staatliche Überwachung der Privatsphäre ab.
Wie ging es dann weiter?
Ich habe begonnen, mich bei den Jungen Liberalen zu engagieren und bin sehr schnell in den Jugendstadtrat meiner Heimatstadt Mühlheim an der Ruhr gewählt worden. 2014 bin ich in die höheren Gremien der Jungen Liberalen eingestiegen und war in NRW Landesschatzmeister. Insgesamt war der Zeitpunkt günstig: Nachdem die FDP 2013 aus den Bundestag ausgeschieden ist, wurde in der Partei viel Platz frei für neue, junge Leute. Und Engagement wird bei uns honoriert. Jetzt sind wir eine der jüngsten Fraktionen im neuen Bundestag.
Die meisten Teenager haben anderes im Sinn als Politik. Mal ehrlich, wurden Sie nicht öfter schräg angeguckt?
(Lacht) Natürlich waren am Anfang viele in meinem Umfeld skeptisch. Aber mein engster Freundeskreis ist sehr schnell mit mir mitgegangen. Viele sind bei den Jungen Liberalen oder den Freien Demokraten aktiv geworden. Wir haben den ganzen Prozess also zusammen durchlebt, was sehr schön war und ist.
Das Durchschnittsalter der Abgeordneten im neuen Bundestag liegt bei 49,7 Jahren. Finden Sie, dass die überwiegend älteren Politiker die Interessen Ihrer Generation ausreichend vertreten?
Ein höheres Lebensalter führt nicht per se dazu, dass eher Politik für ältere Menschen gemacht wird. Aber wenn man sich die Entscheidungen der vergangenen Jahre ansieht, war es häufig so. Gerade bei Themen wie Mobilität und Digitalisierung hinken wir meilenwert hinterher. Ich komme aus dem Ruhrgebiet, da sollte es viel mehr Car-Sharing und einen guten öffentlichen Nahverkehr geben. Aber obwohl die Infrastruktur komplett überlastet ist und viele junge Leute sich kein eigenes Auto mehr leisten können, passiert nichts. Es kann doch außerdem nicht sein, dass ich mit meinem Handy ein schnelleres Netz habe als zu Hause im eigenen WLAN, weil der Hausanschluss so langsam ist. Das erschwert Arbeitsmodelle, die in Zukunft immer wichtiger werden - Stichwort Home Office. Neben dem Umwelt- und Klimaschutz sind das Themen, die besonders die Jüngeren beschäftigen und betreffen. Und um die will ich mich im Bundestag gerne kümmern.
Möchten Sie als junger Abgeordneter auch stilistisch etwas anders machen?
Ja, ich möchte die Menschen direkter ansprechen anstatt zu warten, bis sie auf mich zukommen. Gerade durch die sozialen Medien kann man schnell mit Leuten in Kontakt treten und bekommt direkt negatives oder positives Feedback. Außerdem möchte ich meine Arbeit als Abgeordneter transparenter machen. Für viele Leute ist das politische Berlin weit weg. Deshalb möchte ich gut erklären, was ich hier eigentlich mache.
Sie studieren Jura und wollen im kommenden Jahr Ihr erstes Staatsexamen ablegen. Wie wollen Sie das weiter stemmen neben der Arbeit im Bundestag?
Das wird ganz sicher ein Gang auf dem Zahnfleisch, aber andere junge Abgeordnete vor mir haben das auch geschafft. Und es gibt genug Parlamentarier, die neben ihrem Mandat ihre Unternehmen weiterführen. Insofern bin ich zuversichtlich. Mir ist ja auch der Kontakt zu meinem Kommilitonen wichtig, um den Bezug zum Alltag zu behalten. Ich will eben nicht nur Berufspolitiker sein, sondern in Zukunft noch mitbekommen, was im Leben der Menschen passiert. Ohnehin kann ich mir nicht vorstellen, mein ganzes Leben im Bundestag zu sitzen.
Sie könnten im Falle einer Jamaika-Koalition aus Union, FDP und Grünen, bald einer Regierungsfraktion angehören. Für wie wahrscheinlich halten Sie es, dass es dazu kommt?
Die Koalitionsverhandlungen dürften schwierig werden, aber es wäre falsch zu sagen, dass ein solches Bündnis von Natur aus zum Scheitern verurteilt ist. Genauso wenig Sinn macht es, vorab schon rote Linien zu ziehen. Klar ist doch, dass wir als Liberale selbst in einer Koalition nur mit der Union nie zu hundert Prozent unsere Forderungen durchsetzen könnten - und umgekehrt. Alle müssen am Ende Kompromisse machen und ich bin zuversichtlich, dass es die auch geben wird. Außerdem zeigen die Erfahrungen in Schleswig-Holstein, dass Jamaika durchaus funktionieren kann.
Haben Sie sich als Fraktion schon überlegt, wie Sie mit der erstmals im Bundestag vertretenden AfD umgehen wollen?
Wir dürfen auf keinen Fall den Fehler machen, auf jede Provokation von AfD-Vertretern sofort persönlich zu reagieren. Zwar müssen wir mit aller Schärfe gegen bestimmte Äußerungen vorgehen, aber im Vordergrund sollte immer die Auseinandersetzung über Sachfragen stehen. Das halte ich für die beste Methode, die AfD zu stellen und deren Wähler zurückzugewinnen.
Hand aufs Herz: Sind Sie sehr aufgeregt vor Ihrer ersten Rede im Bundestag?
Es ist nicht so, dass ich das erste Mal vor Hunderten von Leuten rede. Trotzdem kommt an das Gefühl, vor dem Bundestag zu sprechen, wohl erst mal nichts ran. Zu behaupten, davor nicht nervös zu sein, wäre überheblich.
Quelle: Deutscher Bundestag