BND plante weitere Geheimdienstkooperation am Kanzleramt vorbei
Archivmeldung vom 02.05.2015
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtDer Bundesnachrichtendienst (BND) hat offenbar am Kanzleramt vorbei eine weitere heikle Geheimdienstoperation mit ausländischen Partnerdiensten geplant. Um an eine zentrale Datenleitung in Frankfurt am Main zu gelangen, bot der britische Geheimdienst GCHQ dem BND im Jahr 2012 ein hoch entwickeltes Erfassungs- und Verarbeitungssystem an, berichtet der "Spiegel" in seiner neuen Ausgabe.
Die Deutschen sollten das System demnach dazu nutzen, um Transitdatenleitungen anzuzapfen und die Rohdaten zu übermitteln. Dafür wollten die Briten auch Daten aus ihrer Auslandserfassung übermitteln. Als dritten Partner wollten die Deutschen den US-Geheimdienst NSA involvieren. Die Operation lief unter dem Codenamen "Monkeyshoulder". Obwohl es im BND erhebliche rechtliche und politische Bedenken gab, wurde das Projekt bis weit ins Jahr 2013 vorangetrieben, berichtet das Nachrichten-Magazin.
Intern wurde die Ansage gemacht, niemanden offiziell in Kenntnis zu setzen, weder das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik noch das Bundeskanzleramt als oberste Aufsichtsbehörde. BND-Mitarbeiter wurden in mehreren Workshops am GCHQ-Erfassungssystem geschult. Der letzte dieser Workshops fand im August 2013 statt, rund sechs Wochen nach Beginn der NSA-Affäre. Erst dann stoppte BND-Präsident Gerhard Schindler die Operation "Monkeyshoulder", hieß es weiter.
Generalbundesanwalt leitet Prüfvorgang zur BND-Affäre ein
Der Skandal um die Rolle des Bundesnachrichtendienstes (BND) beim mutmaßlichen Ausspähen befreundeter Regierungen und europäischer Industrieunternehmen beschäftigt nun auch Generalbundesanwalt Harald Range. Die Karlsruher Bundesanwaltschaft leitete inzwischen einen entsprechenden Prüfvorgang ein, wie der "Spiegel" berichtet. Geklärt werden soll demnach insbesondere, "ob ein Anfangsverdacht für eine in unsere Zuständigkeit fallende Straftat vorliegt", hieß es aus der Behörde.
Deutschlands oberste Ermittlungsbehörde ist unter anderem für die Strafverfolgung von Spionage und Landesverrat zuständig. Zuvor war bekannt geworden, dass der US-Geheimdienst NSA den BND offenbar über Jahre hinweg mit Tausenden fragwürdigen Zieldaten für Abhöraktionen beliefert hatte.
Umfrage: Drei Viertel der Deutschen fordern stärkere Geheimdienst-Kontrolle
Vor dem Hintergrund der aktuellen BND-Affäre fordert eine große Mehrheit der Deutschen laut einer Umfrage eine bessere Kontrolle der deutschen Geheimdienste. Nach der repräsentativen Umfrage von TNS Emnid im Auftrag des Nachrichtenmagazins "Focus" sind 76 Prozent der Befragten für eine striktere Kontrolle, 19 Prozent stimmen dagegen.
Besonders hoch ist der Anteil der Befürworter unter den 50- bis 64-Jährigen: Sie sind sogar zu 88 Prozent für eine schärfere Kontrolle der Geheimdienste. TNS Emnid befragte für die Umfrage am 27. und 28. April insgesamt 1.008 Personen.
Ex-Geheimdienstkoordinator kritisiert Umgang des Kanzleramts mit BND als "Schande"
Der frühere Geheimdienstkoordinator und Staatsminister im Kanzleramt, Bernd Schmidbauer (CDU), hat den Umgang der Bundesregierung mit dem eigenen Geheimdienst massiv kritisiert und als "Schande" bezeichnet. "Jeder prügelt derzeit auf den BND ein, zumeist aus ideologischen Gründen", sagte Schmidbauer dem Nachrichtenmagazin "Focus". "So machen wir unsere Sicherheit für dieses Land kaputt."
BND-Präsident Gerhard Schindler sei ein einsamer Rufer in der Wüste. "Es ist eine Schande, wie er von diesen Herren im Kanzleramt im Stich gelassen wird. Dabei wäre es die vornehmste Aufgabe, Schindler in dieser Zeit den Rücken zu stärken", sagte Schmidbauer, der in den 90er-Jahren unter Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) die deutschen Geheimdienste koordinierte. "Wir sind nichts ohne die nachrichtendienstlichen Erkenntnisse der Amerikaner. Wir wären blinde Hühner."
Quelle: dts Nachrichtenagentur