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GAL-Fraktionschefin Christa Goetsch im Interview

Archivmeldung vom 14.03.2008

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 14.03.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Die Stadtteile Harburg und Altona sind das Vorbild. Nun wollen sich CDU und Grüne auch in der Hamburger Bürgerschaft auf ein Bündnis einlassen. Am Montag beginnen die Verhandlungen über die Bildung der ersten schwarz-grünen Koalition auf Landesebene. Christa Goetsch, Fraktionsvorsitzende der GAL, sieht große Differenzen, aber auch große Chancen für die Hansestadt.

Gibt es wirklich eine inhaltliche Annäherung oder soll Schwarz-Grün nur eine Große Koalition in Hamburg verhindern?

    Christa Goetsch: Nur eine Große Koalition zu verhindern, das wäre ein bisschen wenig. Für uns ist ganz klar Voraussetzung, dass inhaltlich etwas in Bewegung kommt. Wir haben zunächst ausgelotet, ob die großen Differenzen, die bei einzelnen Themen bestehen, überbrückbar sind und ob neue Perspektiven entwickelt werden können. Sonst könnten wir es ja gleich bleiben lassen.

    Größer als mit der CDU könnten die Differenzen doch kaum sein...

    Goetsch: Das hat auch der Wahl-O-Mat ergeben. Unterschiede gibt es vor allem in Fragen des Klimaschutzes und im Bildungsbereich. Zu nennen wären aber auch die Volksentscheide, die in Hamburg nicht verwirklicht sind, soziale und Bürgerrechtsfragen und die Flüchtlingspolitik. Das alles sind Fragen, die uns Grüne immer schon sehr bewegt haben. Darüber haben wir mit der CDU intensiv diskutiert und sind zu dem Ergebnis gelangt, dass vieles möglich ist und dass es sich lohnt, für Hamburg etwas zu entwickeln. Ziel muss ja sein, dass in vier Jahren die Lebensqualität in Hamburg sichtbar besser geworden ist. Wenn man dann zum Beispiel auf ordentlichen Radwegen fahren könnte, wäre schon etwas erreicht.

    Ist Schwarz-Grün nur eine Übergangslösung oder ist damit - im Hinblick auf andere Länder und den Bund - endgültig der Bann gebrochen?

    Goetsch: Ich würde das nicht so hoch hängen, denn wir sind eine Großstadt und kein Flächenland. Unsere Aufgabe besteht darin, für Hamburg etwas Tragbares zu erreichen, zum Beispiel zu beweisen, dass wirtschaftlicher Erfolg und eine neue Energiepolitik zu vereinbaren sind.

    Für die CDU ist die Elbvertiefung nicht verhandelbar. Wie könnte die grüne Handschrift bei diesem Thema erkennbar sein?

    Goetsch: Das ist ein sehr schwieriges Thema. Wir werden darüber intensiv verhandeln müssen. Die Belastung der Lebensräume, der Biotope, für Niedersachsen kommt natürlich die Deichsicherheit hinzu, sind Themen, die man nicht einfach übergehen kann, um ausschließlich wirtschaftliche Interessen zu befriedigen. Ob das hinzukriegen ist, werden wir nächste Woche sehen. Sie können davon ausgehen, dass wir unsere Bedenken in die Waagschale werfen werden.

    Ein weiterer Knackpunkt ist das geplante Kohlekraftwerk in Moorburg. Wie könnte die von der CDU in Aussicht gestellte "vollständige Alternative" aussehen?

    Goetsch: Das Ziel ist es, die Kohlendioxid-Emissionen um 40 Prozent zu reduzieren. Das ist mit diesem Kohlekraftwerk nicht zu schaffen. Der andere Punkt ist die Feinstaubbelastung, die noch einmal dasselbe Ausmaß hätte wie der komplette Ausstoß aller Autos und Haushalte zusammen. Das wäre eine enorme gesundheitliche Belastung. Deshalb ist es richtig und notwendig, nach Alternativen zu suchen. Eine zukunftsfähige Energiepolitik setzt auf Energiesparen, erneuerbare Energien und dezentrale Anlagen. Was da möglich ist, wird jetzt von den Fachleuten ausgelotet.

    Die SPD hatte der CDU in den Sondierungsgesprächen einen Privatisierungsstopp abgerungen. Welche Rolle hat das Thema bei den Gesprächen mit den Grünen gespielt?

    Goetsch: Das ist natürlich auch für uns ein wichtiges Thema.

    Kann Schwarz-Grün mehr durchsetzen als eine Große Koalition?

    Goetsch: Wir sehen in vielen Bereichen, die für uns und auch ist für eine Stadt wie Hamburg bedeutsam sind, etwa bei Flüchtlingsfragen, Bewegung bei der CDU. Für mich persönlich ist wichtig, dass auf gleicher Augenhöhe und mit Respekt miteinander umgegangen wird. Ich war sehr skeptisch, als es in Altona um ein Bündnis mit der CDU ging. Aber dort sind inzwischen Ergebnisse greifbar: das neue Schwimmbad, die Bauwagenplätze sind erhalten geblieben, es gibt Wohnprojekte für Demenzkranke - alles Dinge, von denen man meint, die Schwarzen würden das nur mit spitzen Fingern anfassen. Das ging nur, weil man ordentlich miteinander umgegangen ist. Jetzt den Versuch zu machen, ein Korrektiv zu sein im Klimaschutz sowie in der Sozial- und Bildungspolitik, ist eine spannende Herausforderung.

    Die Koalitionsverhandlungen mit der CDU könnten auch scheitern: Ist - sofern Michael Naumann seine ablehnende Haltung aufgibt - eine rot-grüne Minderheitsregierung unter Tolerierung durch die Linke eine Option für Hamburg?

    Goetsch: Wir Grüne schließen das aus. Es gibt einen entsprechenden Parteitagsbeschluss. Mit meiner Person wird es keine Zusammenarbeit mit der Linken geben.

    Niedersachsens Grünen-Chef Raimund Nowak hat Fehler im Umgang mit der Linken eingeräumt. Wie soll ihre Partei mit der Linken verfahren?

    Goetsch: Wir werden auf parlamentarischer Ebene natürlich vernünftig miteinander arbeiten. Aber wenn sich Dora Heyenn, die Fraktionsvorsitzende der Linken in Hamburg, nicht von der DKP distanziert, ist das für mich indiskutabel. Wir dürfen der Linken nicht hinterherlaufen, sondern müssen unsere eigene grüne Politik machen, und dann muss man auf der jeweiligen Landesebene sehen, wie man zu handlungsfähigen Regierungen kommt. Dass das allerdings auf Basis einer Tolerierung gehen soll, kann ich mir schwer vorstellen.

    In Hessen auch mit der Linken, in Hamburg mit der CDU: Das wirkt auf manchen wie Beliebigkeit, wie mitregieren wollen um jeden Preis. Haben Sie keine Angst, ihre traditionelle Wählerschaft zu verprellen und die Partei vor eine Zerreißprobe zu stellen?

    Goetsch: Das hängt davon ab, was man inhaltlich umsetzen kann. Wenn ich für Hamburg messbar und belastbar etwas erreichen kann, für die Umwelt, für den Klimaschutz, für die Bildung, dann wäre es verantwortungslos, das nicht zu versuchen. Wenn die Verhandlungsergebnisse das allerdings nicht hergeben, gehen wir auch hoch erhobenen Hauptes in die Opposition. Es geht nicht da"rum, um der Macht willen in die Regierung zu gehen.

    Die Linke hat in Hamburg gewonnen, die Grünen haben verloren. Sind die Grünen zu sehr Öko-Partei und haben ihre Glaubwürdigkeit in sozialen Fragen eingebüßt?

    Goetsch: Wir Grüne haben in Hamburg nicht umsonst vor zwei Jahren als erste Partei ein integriertes Handlungskonzept gegen die soziale Spaltung vorgelegt. Die soziale Frage hat bei uns immer im Vordergrund gestanden, gerade im Bildungsbereich, wo es um gleiche Chancen für alle geht, wird uns eine große Kompetenz zugeschrieben. Uns hat aber im Wahlkampf einerseits die Polarisierung der beiden großen Parteien geschadet, zum anderen ist durch die Linke auch die Konkurrenz größer geworden.

    Aber die Linke konnte mit dem Thema soziale Gerechtigkeit punkten...

    Goetsch: Die Linke hat sehr populistisch argumentiert, ohne belastbare Finanzierung und ohne Vorschläge, was konkret gemacht werden soll. Und sie hat noch nicht einmal ihr Bundestagswahlergebnis erreicht.

    Wie werden sich die Grünen der neuen Parteienlandschaft programmatisch anpassen?

    Goetsch: Wir haben gerade das Leitbild der kreativen Stadt entworfen, in dem jeder in Hamburg - vom Kind bis zum älteren Menschen - mit seinen Bedürfnissen und Fähigkeiten wichtig ist. Das werden wir nach der Wahl nicht über Bord werfen. Wir werden das weiterentwickeln und wollen, dass das bei einer Regierungsbeteiligung auch wirksam wird.

    Renate Künast und Jürgen Trittin sollen die Grünen 2009 in den Bundestagswahlkampf führen. Ein Aufbruch sieht anders aus...

    Goetsch: Wir wären schlecht beraten, wenn wir nicht erfahrene, kluge Grüne an die Spitze stellen würden, und Renate Künast und Jürgen Trittin haben das Zeug dazu, die Partei durch den Wahlkampf zu führen.

    Die grüne Basis hat ihren eigenen Kopf...

    Goetsch: Gott sei Dank haben wir eine aktive Basis. Aber ich bin keine Prophetin. Ich habe mit beiden im Wahlkampf zusammengearbeitet, und ich halte diese Kombination für stark. Was dann in der Parteispitze passiert, wird man sehen, nachdem Reinhard Bütikofer leider aufhört.

    Werden Sie in einem schwarz-grünen Senat das Bildungsressort übernehmen?

    Goetsch: Solche Fragen werden immer erst am Schluss geklärt, wie Sie wissen. Aber ich werde mich mit Sicherheit nicht für das Verkehrsressort bewerben.

Quelle: Landeszeitung Lüneburg

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