Schleswig-Holsteins Umweltminister Robert Habeck: "Das tut mir leid für die Menschen in Brunsbüttel"
Archivmeldung vom 10.04.2013
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittSchleswig-Holsteins Umweltminister Robert Habeck, B'90/Grüne, hat im NDR Fernsehen mit Verständnis auf Vorbehalte gegen ein Zwischenlager für Atommüll im nördlichsten Bundesland reagiert. "Das tut mir leid für die Menschen in Brunsbüttel. Ich nehme die Sorgen ernst, aber wir brauchen eben Standorte", so der schleswig-holsteinische Umweltminister in der Sendung NDR aktuell. Damit kommentiert Habeck die Tatsache, dass Brunsbüttel nach wie vor als mögliches Zwischenlager für Castorbehälter aus der britischen Aufbereitungsanlage Sellafield in Frage kommt.
Habeck kritisierte zugleich die Haltung der anderen Bundesländer: "Wir sind bereit diese Last zu tragen, mitzutragen - aber nicht alleine. Ich war gestern nur erstaunt, dass keiner diesen zweiten Teil des Satzes auch wahrgenommen hat", so der Grünen-Politiker in dem Interview. Auch hätten die Ministerpräsidenten alle, so Habeck weiter, in ihrem Kaffee herumgerührt und gesagt: "Ach so, wir müssen auch nochmal drüber nachdenken, ob wir Castoren nehmen."
Jochim Stoltenberg zu den Aussichten einer atomaren Müllkippe in Deutschland|
Wie heißt es doch so mahnend in Goethes Ballade "Der "Zauberlehrling"? "Die ich rief die Geister, werd ich nun nicht los..." Das passt zur Atomenergie, die vor 60 Jahren als Sorglosstrom für alle Zukunft gepriesen wurde, deren Hunderte Jahre strahlender Abfälle wir aber noch immer nicht Herr werden. Jetzt haben Spitzenpolitiker aus Bund und Ländern erstmals parteiübergreifend ein Konzept vereinbart, nach dem ein Endlager für hochradioaktiven Atommüll gesucht werden soll. Doch kaum war das Ergebnis von Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) verkündet, ist es schon wieder aus mit der Einigkeit. Parteiinteressen überwiegen einmal mehr gegenüber dem überfälligen Staatsinteresse, eine einvernehmliche und letztlich erfolgreiche Suche nach einer Endlagerstätte zu starten.
Wie brüchig der jetzt gefundene Kompromiss für ein "Endlagersuchgesetz" ist, zeigt sich schon daran, dass sich die Beteiligten zwar auf Daten in ferner Zukunft einigen konnten, nicht aber darauf, wo die 26 Behälter mit deutschem Atommüll zwischengelagert werden sollen, die bis 2015 aus ausländischen Wiederaufbereitungsanlagen zurückkehren. Allein der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und sein Parteifreund Robert Habeck, Umweltminister in Schleswig-Holstein, deuteten mit den Standorten Philippsburg bei Karlsruhe und Brunsbüttel im dortigen stillgelegten Atommeiler Aufnahmebereitschaft an. Doch kaum ausgesprochen, schall ihnen die sattsam bekannte Kritik, eine Mixtur aus Parteilichkeit, Landesegoismus und Furcht vor der eigenen Bevölkerung entgegen. In Philippsburg drohte der CDU-Bürgermeister mit zivilem Ungehorsam, in Kiel koppelte der SPD-Chef Ralf Stegner eine mögliche Zwischenlagerung an der Elbe an die weitere Förderung der Windenergie im Norden - und das ohne Wenn und Aber. Es ist also doch wieder das altbekannte Taktieren, das Verschieben der Verantwortung, das Drücken vor einer klaren Entscheidung. Ebenso unwillig wie unfähig, ein Problem zu lösen, das sich Deutschland mit der Kernenergie einst gemeinsam eingebrockt hat. Daran hat nicht einmal der einvernehmlich beschlossene Ausstieg aus der Produktion von Atomstrom etwas geändert.
Nun soll es einen Neuanfang geben bei der Suche nach dem Atomfriedhof. Doch der von den Spitzenpolitikern am Dienstag beschlossene Fahrplan dorthin verfolgt vorrangig ein anderes Ziel: Zeit gewinnen. Danach soll nach Kommissionssitzungen, geologischen Prüfungen und Einbeziehung der Bevölkerung 2031 entschieden werden, an welchem Standort Deutschlands atomare Müllkippe errichtet wird. Also in 18 Jahren. Zu diesem Zeitpunkt wird keiner aus der Dienstags-Runde noch im Amt sein. Alles wurde also vertagt auf die nächste Generation. Und wenn die sich dann irgendwann zu einem Standort durchringen sollte, droht sich zu wiederholen, was Deutschland seit 36 Jahren in Gorleben erlebt. Es sei denn, Einsicht und Vernunft siegen über Parteilichkeit und Emotion. Der Müll muss ja irgendwo hin. Und die Wüste Gobi ist bislang nur in der Fantasie eine Lösung.
Quelle: NDR Norddeutscher Rundfunk / BERLINER MORGENPOST (ots)