Verfassungsrechtler Battis zur AfD nach Hanau: Genauere Prüfung durch Verfassungsschutz wäre richtiger Schritt
Archivmeldung vom 21.02.2020
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Freigeschaltet durch André OttVerfassungsrechtler Ulrich Battis von der Humboldt-Universität Berlin hat sich hinter Forderungen aus der SPD gestellt, die AfD vom Verfassungsschutz beobachten zu lassen. "Es gibt rassistische Äußerungen von AfD-Mitgliedern. Eine genauere Prüfung der AfD durch den Verfassungsschutz wäre daher ein richtiger Schritt", sagte der Rechtsexperte der "Neuen Osnabrücker Zeitung".
Battis weiter: "Bei Leuten wie Björn Höcke sehe ich eine dezidierte Handhabe. Was er und andere mit Blick auf die Nazi-Zeit und die deutsche Geschichte sagen und schreiben, hat den Boden bereitet für die Welle an Gewalttaten, die wir in Deutschland erleben. Dazu gehört auch die Äußerung von Herrn Gauland, die Nazizeit sei ein "Vogelschiss" in der deutschen Geschichte."
Der Staatsrechtler sieht Parallelen zum NPD-Verbotsverfahren. "Im NPD-Verbotsverfahren waren es die Unterlagen der Behörde, auf die sich das Innenministerium stützen konnte. Und die Äußerungen von NPD-Funktionären sind mit dem, was von Teilen der AfD kommt, zu vergleichen", sagte Battis. "Es ist wichtig zu betonen, dass die NPD damals nicht "freigesprochen" wurde. Sie wurde als verfassungsfeindlich eingestuft und nur deswegen nicht verboten, weil sie als "nicht gefährlich genug" betrachtet wurde. Ob es bei der AfD auf ein Verbot hinauslaufen würde, "sollte geprüft werden", betonte der Experte.
Einschätzungen, die AfD könne von einer Beobachtung durch den Verfassungsschutz profitieren, teilt der Wissenschaftler nicht. "Ich sehe nicht, dass die AfD von einer Beobachtung profitieren könnte, indem sie sich als Märtyrer der Politik darstellt, die unliebsame Meinungen unterdrücken will. Im Gegenteil", sagte Battis. "Die Partei hat viele Wähler, die bestimmt keine Rechtsradikalen sind und auch keine Sympathien für Herrn Höcke und Gleichgesinnte hegen. Die Beobachtung durch den Verfassungsschutz wäre ein Stigma für die Partei und könnte sie Wähler kosten. Warum hat sie denn gegen die Beobachtung von "Flügel"-Leuten geklagt? Das war der Versuch, Schaden von der Partei abzuwenden."
Vorwürfe, die AfD trage für die rassistisch motivierten Morde in Hanau eine direkte Mitschuld, wies Battis zurück. "Es wäre überzogen, der AfD den Terrorakt von Hanau direkt zuzuordnen. Die Partei kann dafür nicht direkt verantwortlich gemacht werden", erklärte er, fügte aber hinzu: "Aber wie gesagt, es gibt aus der Partei heraus rassistische Äußerungen und Einstellungen, die das Klima vergiften und Hemmschwellen abbauen. Und deswegen steht sie in der Verantwortung für eine Zunahme rechtsextremer Gewalt."
Quelle: Neue Osnabrücker Zeitung (ots)