NRW-FDP-Chef Lindner kritisiert Kanzlerin wegen Solidaritätszuschlag
Archivmeldung vom 24.07.2013
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtIm Streit um den Solidaritätszuschlag hat der Vorsitzende der nordrhein-westfälischen FDP, Christian Lindner, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) angegriffen. Der Solidaritätszuschlag müsse 2019, wenn der Solidarpakt Ost endet, auslaufen, sagte Lindner der "Rheinischen Post".
"Mich überrascht die ablehnende Position der Bundeskanzlerin", so Lindner. Es sei eine Frage politischer Verlässlichkeit, eine Sonderabgabe zu beenden, wenn ihr Zweck entfallen sei. Lindner: "Es ist enttäuschend, dass selbst die CDU in Zeiten von Rekordeinnahmen des Staates ganz zuletzt an die Entlastung der Bürger denkt. Staatsorientierung ist keine Domäne linker Parteien mehr."
NRW-Finanzminister Walter-Borjans fordert Erhalt des Solidaritätszuschlags
Der Finanzminister von Nordrhein-Westfalen, Norbert Walter-Borjans (SPD), hat den Erhalt des Solidaritätszuschlag gefordert und eine Ausweitung auf alle Bundesländer vorgeschlagen. "Wir haben einfach wahrzunehmen und einzugestehen, dass wir über die Jahre einen enormen Strukturwandel nicht nur in Ostdeutschland hatten", sagte er im Deutschlandfunk.
Die etwa 13 Milliarden Euro Einnahmen aus dem Solidaritätszuschlag könnten nun für die Infrastruktur und den Schuldenabbau im gesamten Land verwendet werden. Eine Abschaffung würde bedeuten, dass "der Steuerzahler nämlich ansonsten über marode Straßen fahren muss, Bildungsrückstand hinnehmen muss". Man müsse darüber nachdenken, mit dem Soli einen Tilgungsfonds zu speisen, der die Altlasten wegnehme und dem Rest Deutschlands "die Möglichkeiten gibt, genauso wie in Ostdeutschland die notwendigen Investitionen zu unternehmen".
Um als Land noch weiter voranzukommen, müsse man nach Meinung von Walter-Borjans investieren. "Wir brauchen anständige Straßen, wir brauchen ein gutes Bildungssystem, wir müssen unsere öffentliche Sicherheit und den Zusammenhalt erhalten."
Karlsruhe verhandelt möglicherweise noch 2013 über Soli
Der umstrittene Solidaritätszuschlag wird erneut ein Fall für die Richter. Das Finanzgericht Niedersachsen wird in den kommenden Monaten über die Klage eines Angestellten gegen den Soli urteilen, wie ein Gerichtssprecher der Tageszeitung "Die Welt" sagte.
Sollte das Gericht zu dem Schluss kommen, dass der einst für den Aufbau Ost eingeführte Zuschlag nicht mit dem Grundgesetz vereinbar ist, müsste sich danach das Bundesverfassungsgericht mit dem Soli beschäftigen. Das Niedersächsische Finanzgericht hatte bereits im Jahr 2009 in einer Entscheidung den Soli für verfassungswidrig gehalten. 2010 hatte das Bundesverfassungsgericht den Vorlagebeschluss aus Hannover allerdings für unzulässig erklärt.
Der Sprecher des Finanzgerichts Niedersachsen sagte der "Welt" zu der erneuten Verhandlung: "Karlsruhe hat uns vor drei Jahren aufgegeben, dass wir uns mit der früheren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Wesen einer Ergänzungsabgabe, um die es sich beim Soli handelt, befassen. Das haben wir nun getan." Er sagte weiter: "Es ist geplant, dass es noch in diesem Jahr eine mündliche Verhandlung zur Verfassungsmäßigkeit des Solidaritätszuschlags gibt."
Zeitnah nach der Verhandlung werde es zu einem Beschluss kommen, so der Sprecher. Der 7. Senat des Gerichts wird sich damit befassen. Bei dem Fall handelt es sich um eine Musterklage des Steuerzahlerbunds. Dessen Präsident Reiner Holznagel zeigte sich optimistisch: "Karlsruhe hat nie über den Soli verhandelt, sondern hat damals lediglich den Vorlagebeschluss aus Hannover nicht angenommen", sagte Holznagel der "Welt". Er betonte: "Zu sagen, dass Karlsruhe den Soli für verfassungskonform hält, ist unredlich."
FDP-Finanzexperte Solms: Soli-Vorstoß führt zu Vertrauensbruch gegenüber dem Wähler
FDP-Finanzexperte Hermann Otto Solms hat den Vorstoß von Kanzlerin Angela Merkel, den Solidaritätszuschlag über das Jahr 2019 hinaus beibehalten, heftig kritisiert. "Dieser Vorstoß führt zu einem Vertrauensbruch gegenüber den Wählern. Die Bürger haben fest damit gerechnet, dass der Solidaritätszuschlag in einem überschaubaren Zeitraum entfällt", sagte Solms dem "Handelsblatt". Das wäre jetzt in weite Zukunft gerückt, sollte sich die Union hier durchsetzen.
Solms erinnerte an die Zeit, als die schwarz-gelbe Regierung unter Helmut Kohl den Zuschlag 1995 wieder einführte. Solms war damals FDP-Fraktionschef im Bundestag. Bei der Wiedereinführung des Soli unter Helmut Kohl 1995 seien sich Union und FDP einig gewesen, dass die Abgabe zur Finanzierung der Deutschen Einheit dienen sollte. "Nachdem dieser Zweck 2019 ausläuft, ist die Grundlage für den Soli entfallen", sagte Solms. Jetzt aber müssen die Bürger hören, dass das alles Makulatur sei. Die Union habe ein Füllhorn von Wahlgeschenken ausgebreitet, für das sie den Soli zweckentfremden wolle.
Kritisch äußert sich auch Kurt Lauk, Chef des CDU-Wirtschaftsrats. "Der Einstieg in den Ausstieg ist zwingend. Nach 20 Jahren sind einige Länder gut aufgestellt. Die haben den Soli genutzt. Anderen hilft auch eine Veränderung nichts", sagte Lauk dem "Handelsblatt". Lauk verwies auf die Neugestaltung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen bis 2020. Darüber hinaus komme es ganz besonders in den neuen Bundesländern darauf an, das Wachstum der Ausgaben dauerhaft kräftig zu senken, damit 2020 alle Länder die Schuldenbremse einhalten könnte, sagte Lauk.
Brüderle lehnt Verlängerung des Soli ab
FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle stellt sich gegen die Pläne des Koalitionspartners, den Solidaritätszuschlag über 2019 hinaus zu erheben. "Wer den Soli verlängert, erhöht in Wahrheit die Einkommensteuer auf Dauer. Das will ich nicht", sagte der Spitzenkandidat der Liberalen bei den Bundestagswahlen dem "Handelsblatt".
Kanzlerin Angela Merkel dagegen hatte vorgeschlagen, den Soli über das Jahr 2019 hinaus zu erheben und die Mittel deutschlandweit für den Erhalt und Ausbau der Infrastruktur einzusetzen "Die Wähler fühlen sich nicht mehr ernst genommen, wenn man ihnen jetzt erklärt, die Politik habe noch gute anderweitige Verwendungsmöglichkeiten für den Soli", sagte Brüderle.
Wenn man den Haushalt umstrukturiere, könne man "locker eine oder zwei Milliarden Euro zusätzlich für den Straßenbau herausholen", sagte der FDP-Fraktionschef. Die Deutschen hätten gewaltige Anstrengungen für den Aufbau der neuen Bundesländer unternommen, sagte Brüderle. Das sei eine "tolle Leistung". Doch irgendwann müsse Schluss sein.
Quelle: dts Nachrichtenagentur