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Kommunen fordern mehr Aufklärung über Asylpolitik

Archivmeldung vom 07.04.2015

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 07.04.2015 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Dr. Ulrich Maly (2012)
Dr. Ulrich Maly (2012)

Foto: Freud
Lizenz: GFDL
Die Originaldatei ist hier zu finden.

Als Konsequenz aus den Anschlägen gegen Asylbewerberunterkünfte wie zuletzt in Tröglitz fordern die Kommunen eine bessere Aufklärung über die Flüchtlingspolitik. "Solidarität ist sichtbar, aber es gibt auch Ängste vor Fremden", sagte der Präsident des Deutschen Städtetags, Ulrich Maly (SPD), der "Welt". Toleranz lasse sich nicht von oben verordnen, "aber wir müssen Tag für Tag dafür werben".

Maly sprach sich für einen intensiven Dialog mit der Bevölkerung aus, um durch Aufklärung und Information Ängste abzubauen. Dazu seien Kirchen und Religionsgemeinschaften, Parteien, Gewerkschaften und Politiker auf allen Ebenen gefragt. Er erklärte auch: "Je mehr die Menschen über das Schicksal der Flüchtlinge wissen, desto größer ist die Bereitschaft, sie als Nachbarn zu akzeptieren oder zu unterstützen. Das hat sich in vielen Städten in den vergangenen Monaten gezeigt." Man müsse die Akzeptanz in der Bevölkerung und die Toleranz gegenüber Flüchtlingen aufrechterhalten.

Auch der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB) ist überzeugt, dass die Bevölkerung stärker eingebunden werden muss, wenn es um die Aufnahme von Flüchtlingen geht. "Bund, Länder und Kommunen sollten ein Lage- und Kommunikationszentrum schaffen, zum Beispiel beim Bundesministerium des Inneren", sagte DStGB-Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg. Er schlug vor: "Hier sollten die Informationen gesammelt, aufbereitet und der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden." Man müsse in der deutschen Gesellschaft für die humanitäre Aufgabe der Flüchtlingsaufnahme immer wieder werben und sich mit dem Widerstand, der teilweise vor Ort entsteht, auseinandersetzen. Über ein solches Kommunikationszentrum könne dann auch über viele gute Beispiele berichtet werden, "die aufzeigen, dass Flüchtlinge aus Lebensgefahr gerettet werden konnten, in Deutschland aufgenommen wurden und nach wenigen Monaten einen Arbeitsplatz fanden".

Landsberg forderte zudem eine Task-Force aus Vertretern von Bund, Ländern und Kommunen, in der man die verabredeten Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit prüfen und bei aktuellen Entwicklungen, wie zum Beispiel der Flüchtlingszahlen aus dem Kosovo, gemeinsam über die notwendigen Konsequenzen beraten könne.

Unterstützt werden die beiden kommunalen Verbände von der stellvertretenden SPD-Fraktionsvorsitzenden Eva Högl. "Die Kommunen dürfen nicht im Stich gelassen werden", mahnte sie. Man müsse einen Informationsaustausch organisieren und Handlungsleitfäden erarbeiten, damit die Gemeinden erfahren, wie sie das Flüchtlingsthema offensiv mit der Bevölkerung diskutieren können und wie man sich im Notfall gegen einen rechtsextremen Mob wehren könne. Das Thema Rechtsextremismus sei kurzzeitig von der Agenda gerutscht, weil die Bevölkerung den Flüchtlingen in sehr vielen Gegenden eine große Hilfsbereitschaft entgegenbringe. "Der Vorfall in Tröglitz verdeutlicht aber eine traurige Entwicklung: Es gibt vielerorts Übergriffe gegen Flüchtlinge. Wir beobachten ein Ost-West-Gefälle und registrieren besonders in den östlichen Ländern viele Übergriffe", erklärte die SPD-Politikerin.

Nach Brandanschlag: Böhmer ruft Bevölkerung zur Gegenwehr auf

Der ehemalige Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Wolfgang Böhmer (CDU), hat die Geschehnisse in Tröglitz kritisiert und die Bevölkerung zur Gegenwehr aufgerufen. "Das ist beschämend für uns alle", sagte er der "Mitteldeutschen Zeitung" (Mittwochausgabe). "Man muss da durchhalten. Es geht nicht anders. Ich bin sicher, dass weder der Ministerpräsident noch der Innenminister zurückweichen. Und auch der Landrat gibt sich redlich Mühe. Ich hoffe, dass dort, wo es schwierig wird, das Rettende hoffentlich auch wächst und zusammen schmiedet und die Leute versuchen, solchen Tendenzen zu widerstehen."

Böhmer fügte hinzu: "Wir haben in Deutschland eine zwar nicht allzu große, aber organisierte rechtsradikale Truppe. Nur dort kann ich eine Ursache dafür sehen. Dass es Brandstiftung war, ist ja so gut wie sicher. Und wer außer denen, die schon bisher gegen die Aufnahme von Flüchtlingen demonstriert haben, sollte denn so was machen? Es ist nicht das erste Mal, dass Wohnunterkünfte von Flüchtlingen brennen."

Zentralrat der Juden: Rassismus ist bundesweites Phänomen

Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, verlangt nach dem Brandanschlag in Tröglitz, Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus als "bundesweite Phänomene" zu betrachten, "die auch bundesweit bekämpft werden müssen". Schuster sagte dem "Tagesspiegel" (Mittwochausgabe): "Die erschreckenden Vorfälle in Tröglitz zeigen exemplarisch, dass Politik und Gesellschaft im Kampf gegen den Rechtsextremismus nicht nachlassen dürfen." 

Haseloff fordert Umdenken

Nach dem Brandanschlag auf ein künftiges Asylbewerberheim im sachsen-anhaltinischen Tröglitz hat Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) ein Umdenken in der bisherigen Debatte gefordert. Nachdem bislang nur über künftige Flüchtlingszahlen und eine angemessene finanzielle Beteiligung des Bundes diskutiert worden sei, forderte Haseloff in einem Interview mit der "Mitteldeutschen Zeitung": "Wir müssen das Thema ganz anders anfassen - von unserer generellen humanen und gesellschaftlichen Verpflichtung her. Wir haben die Menschlichkeit zu praktizieren, die uns selber in unserer Geschichte mehrfach widerfahren ist." Mehr als 20 Prozent aller Menschen, die nach dem Zweiten Weltkrieg in Sachen-Anhalt eine neue Heimat gefunden hätten, seien Flüchtlinge gewesen, so Haseloff. "Das müssen wir uns wieder vor Augen führen, wenn es darum geht, in einem der reichsten Länder der Welt solidarische Verantwortung zu übernehmen." Haseloff kündigte an, am Prinzip der dezentralen Unterbringung von Flüchtlingen festhalten und vor rechtsradikalen Attacken "keinen Deut" zurückweichen zu wollen.

Kauder: Anschlag auf Flüchtlingsheim ist "Anschlag auf unseren Rechtsstaat"

Nach dem Brandanschlag von Tröglitz hat der Vorsitzende der Unions-Fraktion im Bundestag, Volker Kauder (CDU), zum Kampf gegen Fremdenfeindlichkeit aufgerufen: "Asylbewerberheime in Brand zu setzen, um die Aufnahme von Menschen zu verhindern, ist ein Anschlag auf unseren Rechtsstaat", sagte Kauder der "Welt". "So etwas darf keinen Erfolg haben. Wir müssen Flüchtlinge in unserem Land aufnehmen."

In der Nacht auf Samstag war es in der Flüchtlingsunterkunft, die im Mai bezogen werden sollte, zu einem Brand gekommen, der nach Angaben der Ermittler vorsätzlich gelegt wurde. "Es ist definitiv besonders schwere Brandstiftung", sagte der zuständige Staatsanwalt auf einer Pressekonferenz. Zwei Bewohner konnten das Haus unverletzt verlassen. Die beiden Deutschen sind derzeit die einzigen Bewohner. Der entstandene Schaden liegt ersten Schätzungen zufolge im sechsstelligen Bereich. In dem Gebäude sollten 40 Flüchtlinge untergebracht werden.

Quelle: dts Nachrichtenagentur

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