Union kippt Gesetz über Parlamentsrechte bei Auslandseinsätzen
Archivmeldung vom 15.02.2017
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Freigeschaltet durch André OttDie Reform der Parlamentsrechte bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr ist offenbar vorerst gescheitert: Führende Vertreter aus Union und SPD bestätigten dem ARD-"Hauptstadtstudio", dass Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) dem Koalitionspartner offiziell mitgeteilt habe, dass es bis zur Bundestagswahl kein gemeinsames Gesetz mehr geben werde. Damit distanziert sich die Union von einem gemeinsamen Entwurf, der schon vor einem Jahr ins Parlament eingebracht worden war.
Darin werden eine Vereinbarung im Koalitionsvertrag und die Ergebnisse der sogenannten Rühe-Kommission umgesetzt. Mit dem neuen Gesetz sollten die Mitwirkungsrechte des Bundestages auf die veränderten Anforderungen bei Auslandseinsätzen angepasst und die Informationsrechte gestärkt werden.
Befürworter in der Koalition bewerten den Gesetzentwurf als gut ausbalancierten Kompromiss. Allerdings gab es vor allem unter Verteidigungspolitikern von CDU und CSU Stimmen, die das Gesetz ablehnten, weil sich die Union mit ihrer Maximalforderung nach Vorratsbeschlüssen für bestimmte Auslandseinsätze nicht durchsetzen konnte.
Nach Informationen des ARD-"Hauptstadtstudios" hatte sich zuletzt auch Fraktionschef Kauder auf die Seite der Kritiker gestellt und sich damit über die Argumente anderer Fachpolitiker hinweg gesetzt. Ein interner Vermerk aus dem Büro von Kauders Stellvertreter Franz-Josef Jung, der dem ARD-"Hauptstadtstudio" vorliegt, nennt das Gesetz zum Beispiel eine "Erfolgsgeschichte der CDU/CSU-Bundestagsgeschichte" und warnt: "Es wäre nicht vermittelbar, wenn wir diese Erfolge jetzt aufgeben wollten, wenn wir eine Neufassung des ParlBG. verhindern würden."
In ähnlicher Weise haben sich fraktionsintern auch der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses Norbert Röttgen (CDU) sowie der außenpolitische Obmann Roderich Kiesewetter (CDU) für den Koalitionskompromiss eingesetzt. Am Ende dieses fraktionsinternen Machtkampfs hat Kauder am Dienstagmorgen seinem sozialdemokratischen Partner Thomas Oppermann offiziell mitgeteilt, dass man den gemeinsamen Gesetzentwurf nicht mehr weiter verfolgen werde.
Als Begründung nannte er ausdrücklich die umstrittenen Vorratsbeschlüsse. Über die heißt es allerdings in dem internen Vermerk aus dem Büro von Fraktionsvize Jung: "Die Verfassungsrechtler haben uns während der Beratungen der Rühe-Kommission eindeutig dargelegt, dass Vorratsbeschlüsse mit der bisherigen Rechtsprechung nicht in Einklang zu bringen wären."
Beim Koalitionspartner reagiert man empört. So erklärt der außenpolitische Sprecher, Niels Annen gegenüber der ARD: "Gerade in Zeiten, in denen zu Recht mehr europäische Zusammenarbeit im Bereich Außen- und Sicherheitspolitik gefordert wird, sendet dieser Vorgang das völlig falsche politische Signal in Sachen deutscher Bündnissolidarität und Verlässlichkeit aus."
Die Union entwerte durch ihr Vorgehen die Empfehlungen der von ihr selbst initiierten Bundestagskommission. Nach Informationen des ARD-"Hauptstadtstudios" will die SPD nun noch einmal das Gespräch mit der Verteidigungsministerin suchen. Sollte es Ursula von der Leyen (CDU) nicht gelingen, die Fraktionsspitze umzustimmen, wolle man im Verteidigungsausschuss eine Reihe von Beschaffungsvorhaben blockieren, heißt es.
Doch auch in Teilen der Unionsfraktion ist die Verärgerung offenbar groß. "Die Union hat leider den Koalitionsvertrag gebrochen", räumt ein enttäuschter Fachpolitiker laut ARD offen ein. Es werde so schnell nicht wieder gelingen, ein so hohes Maß an Einigungsfähigkeit wie in der Rühe-Kommission zu erreichen.
Quelle: dts Nachrichtenagentur