Grüne fordern "persönliche und umfassende Antworten" von Bundespräsident Wulff
Archivmeldung vom 22.12.2011
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie Grünen haben von Bundespräsident Christian Wulff persönliche und umfassende Antworten gefordert, um die Distanz zwischen Staatsoberhaupt und Öffentlichkeit zu überwinden. Steffi Lemke, Bundesgeschäftsführerin der Grünen, sagte der Tageszeitung "Die Welt": "Es ist ein merkwürdiger Vorgang, wenn ein Bundespräsident die Fragen, die es in der Bevölkerung zu Recht gibt, nur noch von seinen Anwälten beantworten lässt. Mehr Distanz zwischen Staatsoberhaupt und Öffentlichkeit gab es lange nicht."
Die Schreiben der Anwälte produzierten immer mehr Fragen, sagte Lemke: "Zum Beispiel, was ein laut seinen Anwälten seit 2004 nicht mehr aktiver Unternehmer auf Wirtschaftsdelegationsreisen des Ministerpräsidenten macht. Oder wer denn nun eigentlich den Kredit für den Hauskauf verhandelt hat - Herr oder Frau Geerkens?" Die Grünen-Bundesgeschäftsführerin fordert deshalb vom Bundespräsidenten: "Wenn Christian Wulff nicht als Salami-Präsident in die Geschichte eingehen will, muss er endlich Antworten geben. Persönlich und umfassend. Die Weihnachtsansprache ist dafür definitiv nicht der richtige Platz."
Weihnachtsansprache: Wulff schweigt offenbar zur Kreditaffäre
Bundespräsident Christian Wulff wird in seiner mit Spannung erwarteten Weihnachtsansprache offenbar nicht auf die Kreditaffäre eingehen. Vielmehr werde er auf die Themen Zusammenhalt und Gemeinsamkeit in der Gesellschaft und auf Europa eingehen, wie mehrere Medien übereinstimmend berichten. Weiterhin werde sich Wulff bei der Weihnachtsansprache, die am kommenden Sonntag ausgestrahlt werden soll, gegen Rassismus aussprechen und für Weltoffenheit plädieren. Die Ansprache wurde am heutigen Mittwochnachmittag aufgezeichnet.
Wie bei seiner ersten Ansprache im Jahr 2010 waren auch in diesem Jahr Gäste bei der Aufzeichnung dabei. Wulff hatte 2008 für den Kauf seines Hauses in Großburgwedel bei Hannover einen Privatkredit aufgenommen und steht wegen diesem seit Tagen in der Kritik.
Linken-Chefin Lötzsch erwartet Grundsatzdebatte über Amt des Bundespräsidenten
Die Vorsitzende der Linkspartei, Gesine Lötzsch, schließt eine Grundsatz-Debatte über das Amt des Bundespräsidenten im Zuge der Affären von Bundespräsident Christian Wulff nicht aus. "Ich kann mir vorstellen, dass die Diskussion über den Sinn dieses Amtes wieder aufflammen wird", sagte sie der "Mitteldeutschen Zeitung", fügte jedoch einschränkend hinzu: "Das Grundgesetz sieht dieses Amt nun mal vor. Und es gibt bestimmte Aufgaben, die der Bundespräsident zu erfüllen hat. Er unterschreibt Gesetze und hat repräsentative Aufgaben."
Ansonsten monierte Lötzsch: "Der Bundespräsident selbst war sehr streng anderen gegenüber. Er hat zum Beispiel dem damaligen Bundespräsidenten Johannes Rau wegen dessen West-LB-Affäre den Rücktritt nahe gelegt. Diese Strenge ist aber nicht mein Kriterium. Mein Kriterium ist die Verknüpfung zwischen politischer Entscheidung und wirtschaftlicher Beeinflussung. Darüber hätte ich gerne Aufklärung."
BW-Bank: Wulff gehörte wegen der Kredithöhe zum Geschäftssegment "gehobene Privatkunden"
Die Baden-Württembergische Bank (BW-Bank), bei der Christian Wulff 2009 sein umstrittenes Privatdarlehen durch einen Geldmarktkredit ablösen ließ, hat den damaligen Ministerpräsidenten und seine Ehefrau wegen der Kredithöhe als "gehobene Privatkunden" eingestuft. In diesem Geschäftssegment seien die Kreditkonditionen, die Wulff eingeräumt wurden, nicht außergewöhnlich. Die Einstufung begründete das Institut nicht mit Wulffs Position als Ministerpräsident oder mit den Einkommensverhältnissen des Ehepaares Wulff, sondern mit der Höhe der Kreditsumme.
Direktor Manfred Rube, Leiter Vorstandssekretariat/Kommunikation, übermittelte der Tageszeitung "Die Welt" auf Anfrage: "Nach unserem Selbstverständnis gilt, dass sich die BW-Bank bei der Kredithöhe für ein Objekt nicht an dem Kaufpreis, sondern am Beleihungswert orientiert. Dieser war beim Objekt Burgwedel laut vorliegendem Wertgutachten gegeben. Wir können bestätigen, dass sich am Geldmarkt orientierende kurzfristige Darlehen für gehobene Privatkunden unseres Hauses nicht ungewöhnlich sind, wenn Kreditnehmer von weiter niedrigen Zinsen am Geldmarkt ausgehen und sich daher nicht langfristig binden wollen. Die Kreditentscheidung erfolgte kompetenzgemäß. Ein Vorstand war bei der Kredithöhe nicht in die Kreditentscheidung involviert. Die Kontaktaufnahme von Herrn Geerkens fand direkt über einen Kundenbetreuer statt. Selbstverständlich ist die Kredit- und Sicherheitenprüfung bei diesem Kredit umfassend und sorgfältig erfolgt. Alle notwendigen Unterlagen wurden vom Ehepaar Wulff vor der Kreditentscheidung vorgelegt und durch die Bank geprüft."
Auf die Nachfrage der "Welt", wie die Bank den Begriff "gehobene Privatkunden" definiere, erfolgte die Antwort: "Nach der hier vorliegenden Kredithöhe wurde das Ehepaar Wulff von der BW-Bank in das Segment "Gehobenes Privatkundengeschäft" eingeordnet. Wie bereits schon ausgeführt, wurde die Kreditentscheidung im Falle der Immobilienfinanzierung Wulff ohne Involvierung des Vorstands durchgeführt."
Ex-Bundesminister Schmude stützt Wulff
Der frühere SPD-Bundesminister und langjährige Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Jürgen Schmude, hat in der Debatte um die Weihnachtsansprache Partei für Bundespräsident Christian Wulff ergriffen. "Natürlich soll er sie halten", sagte Schmude der "Neuen Ruhr/Neuen Rhein Zeitung". "Die Ansprache gehört zum Amt des Bundespräsidenten und es ist seine Sache, sein Amt solange auszuüben, wie er es hat." Schmude rät Wulff, er solle die Vorwürfe nicht wichtiger machen, als sie sind. Der Bundespräsident sollte jedoch, so der frühere Präses der EKD-Synode, auf keinen Fall in eigener Sache reden. "Er sollte Themen aufgreifen, die die Gesellschaft bewegen", sagte Schmude weiter. Dazu gehörten auch Fragen der Moral.
SPD vergleicht Wulff mit zu Guttenberg
Der Der niedersächsische Innen-Experte Sebastian Edathy hat eine klare Stellungnahme vom Bundespräsidenten gefordert und wirft ihm eine Salami-Taktik vor. "Das Problem, das ich habe mit dem Gebaren von Herrn Wulff, ist, dass er gewissermaßen im Tagesrhythmus öffentliche Verlautbarungen über seine Anwälte herausgibt. Das ist sehr unbefriedigend", sagte der SPD-Politiker im Deutschlandfunk. Wulff würde die Dimension der Kreditaffäre völlig unterschätzen. Er taktiere und damit mache er die Dinge noch viel schlimmer, als sie eigentlich sein müssten. Wenn er seine Fehler lückenlos einräumen würde, könne man darüber reden, ob sich darüber hinwegsehen lasse. "Aber wenn er den Eindruck erweckt, er gibt immer nur das zu, was man ihm nachweist, was man ihm nachweisen kann, und sonst nichts und er hält da was zurück, dann ist das schädlich auch für das Ansehen seines Amtes", erklärte Edathy. Das habe man bei Herrn zu Guttenberg erlebt: "Erst wird dementiert, dann wird behauptet, es gäbe Missverständnisse, das eigene Verhalten des Amtsträgers sei fehlinterpretierbar, dann wird eine Teilentschuldigung vorgenommen".
Rückendeckung erhielt Wulff allerdings erneut von der CDU und CSU. Bundesverteidigungsminister de Maizière sagte, er habe volles Vertrauen zu Wulff. Es handele sich bei den Vorwürfen eher um Stilfragen. Die Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Gerda Hasselfeldt, forderte ein Ende der Debatte um Wulff. Aus Respekt vor dem Amt sollte die Diskussion unverzüglich eingestellt werden, sagte sie der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Ihrer Meinung nach habe Wulff in den letzten Tagen einen beachtlichen Beitrag zur Aufklärung der gegen ihn vorgebrachten Vorwürfe geleistet.
Quelle: dts Nachrichtenagentur