SPD-Linke Nahles: Zweifel an Mehrheit für die Gesundheitsreform
Archivmeldung vom 16.12.2006
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 16.12.2006 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Jens BrehlDie Zukunft der Gesundheitsreform, einem der Kernprojekte der großen Koalition, ist fraglich geworden. Neben verfassungsrechtlichen Problemen und Dutzenden von Änderungsvorhaben ist die Zustimmung zur vorliegenden Reform auch innerhalb der SPD heftig umstritten.
In einem Interview mit der "Leipziger
Volkszeitung" (Sonnabend-Ausgabe) machte Andrea Nahles, Wortführerin
der Parlamentarischen Linken in der SPD und Präsidiumsmitglied, die
Zustimmung der SPD-Linken zur von SPD-Gesundheitsministerin Ulla
Schmidt vorgelegten Reform von "deutlichen Verbesserungen im
Interesse der übergroßen Versicherten-Mehrheit in den gesetzlichen
Krankenversicherungen" abhängig. Zugleich stellte die
SPD-Bundestagsabgeordnete klar, dass ihrer Ansicht nach der
Arbeitskatalog der großen Katalog im Sommer 2007 abgearbeitet sei.
"Die SPD muss dann klären, was sie will. Eigene Projekte puschen oder
die große Koalition bis 2009 durchschaukeln."
Bei der Gesundheitsreform sei eines schon jetzt klar: "Der so
derzeit vorgesehene Gesundheitsfonds sollte nicht kommen, weil er
mehr Probleme aufwirft als Lösungen bringt. Zudem ruft diese Reform
gleich die nächste herbei, weil die zentrale Frage nicht gelöst wird:
Wie können wir bei immer weiter sinkender Lohnquote eine stabile
Finanzierung organisieren?" Ohne eine ergänzende Steuerfinanzierung
sei das System nicht ausreichend stabilisiert.
Ihre "äußerst kritische Position" werde in der SPD "von vielen geteilt", betonte Nahles. "Natürlich haben viele Spitzenpolitiker der Koalition ihren Namen mit dieser Reform verknüpft. Viele Abgeordnete stehen deshalb vor einem Dilemma."
Für das kommende Jahr sagte Nahles in dem Interview harte
Konflikte in der Koalition aber auch innerhalb der SPD voraus. "Wer
glaubt, es gibt in der SPD nur Friede, Freude, Eierkuchen mit Blick
auf 2009, der liegt grundfalsch und der würde auch den Interessen der
SPD schaden." Einer der zentralen Krisenpunkte in der SPD und in der
Koalition ist für Nahles neben der Gesundheitsreform die geplante
Unternehmenssteuerreform. "Keiner sollte etwa glauben, dass bereits
das letzte Wort zur Unternehmenssteuerreform gesprochen wurde. Wir
werden kaum Wähler hinterm Ofen hervorlocken können, wenn wir nicht
klären, wo stehen wir eigentlich, was wollen wir über die große
Koalition hinaus, was ist unsere sozialdemokratische
Zielperspektive?" Die SPD brauche "eine andere Perspektive als nur
die tagespolitische Notwendigkeit einer großen Koalition".
SPD und Gewerkschaften dürften es sich "gemeinsam von der Union nicht bieten lassen, dass der Regierungspartner uns beim Mindestlohn abblockt", mahnte Nahles. "In Anbetracht der Stimmung an der Basis, können wir keiner Unternehmenssteuerreform mit kräftiger Entlastung von Unternehmen zustimmen. Auch bei der Frage, ob und wie die Bahn privatisiert wird, sehe ich noch eine Menge Zündstoff."
Aus all diesen Konfliktpunkten werde klar: "Das nächste Jahr wird
das Spannendste für die Koalition. Mitte 2007 wird der
Koalitionsvertrag abgearbeitet sein, im Großen und Ganzen. Dann geht
es los." 2007 werde es um Klärungen gehen. "Innerhalb der SPD und
innerhalb der Koalition. Ich glaube, in der SPD gibt es viele, die
sich keinesfalls gemütlich in der großen Koalition einrichten
wollen."
Mit Blick auf Koalitionsüberlegungen warnte Nahles vor einer einseitigen Ausrichtung. "Die SPD steckt im 30 Prozentturm. Da muss sie raus. Der beste Weg ist, dass wir ein stabiles gutes Verhältnis zu den Gewerkschaften aufbauen. Wir sollten Politik-Angebote erarbeiten, die die Linkspartei überflüssig machen." Auch deshalb müsse die SPD den Mindestlohn in der Koalition durchkämpfen. Aber zugleich gelte: "Guido Westerwelle und seine Version der FDP sind für mich die am klarsten zu identifizierten politischen Gegner." Da gebe es kaum Schnittmengen. Allerdings sei zu erkennen, dass die FDP nichts so dringend wie eine Regierungsbeteiligung im Bund brauche. "Insoweit erwarte ich Schritte von der FDP auf uns zu und nicht umgekehrt."
Quelle: Pressemitteilung Leipziger Volkszeitung