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Bericht: NRW-Innenminister wusste seit Monaten von Missständen in Asylunterkünften

Archivmeldung vom 04.10.2014

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 04.10.2014 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Dennis Witte
Ralf Jäger
Ralf Jäger

Lizenz: Public domain
Die Originaldatei ist hier zu finden.

Der Skandal um Misshandlungen in drei Asylunterkünften in Nordrhein-Westfalen bringt die Landesregierung in Erklärungsnot: Nach Informationen des Nachrichtenmagazins "Focus" wusste Innenminister Ralf Jäger (SPD) seit Monaten von den Missständen in den Erstaufnahmestellen in Dortmund-Hacheney, Essen und in Burbach in der Siegerland-Kaserne.

In mehreren Brandbriefen hatte etwa Dortmunds Oberbürgermeister Ullrich Sierau (SPD) seinen Parteifreund Jäger vor einem "Systemkollaps" gewarnt: Noch am 26. August schilderte der Stadtchef die desaströsen Zustände in einigen der 18 Ländereinrichtungen. Vor allem Dortmund-Hacheney sei konstant überbelegt, das Personal überfordert, bemängelte Sierau.

Bis Juli hätten allein 26.000 Asylsuchende vorgesprochen. Der OB forderte dringend weitere Erstaufnahme-Einrichtungen in NRW. "Ich vermisse nach wie vor ein effizientes Krisenmanagement und stelle eine gewisse Trägheit angesichts zahlreicher Problemstellungen fest", schrieb er an Jäger. In seiner Antwort bekannte der Minister laut "Focus", dass er sich "der schwierigen Situation der Erstaufnahmeeinrichtung Dortmund bewusst" sei.

Leider hätten "intensive Bemühungen", weitere Einrichtungen und damit eine Entlastung zu schaffen, bislang nicht den erwünschten Erfolg gezeitigt. "Durch eine Vielzahl unvorhergesehener Krankenfälle in unseren Landeseinrichtungen wird die aktuelle Situation noch verschärft", resümierte Jäger.

Die Bezirksregierung Arnsberg hatte laut des Berichts schon vor Monaten in die Siegerland-Kaserne in Burbach, in dem Wachleute Asylbewerber schikaniert und schwer misshandelt haben sollen, einen Kontrolleur entsandt. Der Beamte war wegen der zunehmenden Polizeieinsätze in dem Heim ständig vor Ort.

Die Frage, warum der Mitarbeiter seinen Vorgesetzten nichts über die desaströsen Zustände in der völlig überfüllten Asyleinrichtung berichtete, mochte die Bezirksregierung nicht beantworten. Bei den Ermittlungen zu den Misshandlungen in Burbach durch Wachleute gehen die Staatsschützer der Polizei in Hagen nach einer internen Einschätzung von "einem rechtsradikalen Hintergrund" aus.

Kardinal Woelki fordert Konsequenzen aus Misshandlungen in Flüchtlingsheimen

Der Kölner Erzbischof, Kardinal Rainer Maria Woelki, hat Konsequenzen aus dem Misshandlungsskandal in Flüchtlingsheimen in Nordrhein-Westfalen (NRW) gefordert. "Großunterkünfte, wie sie hauptsächlich in NRW zu finden sind, mit mehreren Hundert Menschen in psychischen Ausnahmesituationen, bergen generell Risiken. Großunterkünfte müssen die Ausnahme bleiben und auch nur für möglichst kurze Übergangszeiten", sagte Woelki dem "Handelsblatt" (Donnerstagausgabe).

Es müsse für die Betreuung der Flüchtlinge auch genügend gutes Personal geben. "Diese Leute brauchen natürlich zwingend ein Führungszeugnis und einen Sachkundenachweis", so der Kardinal. "Die bekannt gewordenen Misshandlungen sind ungeheuerlich, und es muss alles getan werden, dass sich so etwas nicht wiederholt."

Wichtig sei aber auch eine gute Schulung der Helfer: "Unverzichtbar ist neben einer Ahnung davon, wie es Menschen mit einem anderen kulturellen Hintergrund nach Verfolgungs-, Kriegs- und Fluchterlebnissen geht, auch ein gewisses Grundwissen, wie man angemessen darauf reagiert", sagte Woelki. "Wir dürfen die Helfer nicht allein lassen, dann sind sie hilflos."

Grundsätzlich hält Woelki eine Flüchtlingspolitik, die auf Abwehr oder gar Abschreckung setzt, für falsch. "Wir können uns hier nicht selbstzufrieden abschotten und ausgerechnet die armen Staaten der Welt mit der Flüchtlingsproblematik allein lassen. Das potenziert die Probleme bloß. Deutschland leistet Großes, aber die Not ist leider größer", so der Kardinal.

Zugleich müsse Deutschland mehr tun, um die Ursachen der Flucht zu bekämpfen, auch in den Herkunftsländern. Dazu gehöre ein ganzes Maßnahmenbündel auf allen Ebenen: Einsatz für Menschenrechte, politische Verhandlungen, humanitäre Hilfe, entschlossene Bekämpfung des Terrorismus, anwaltschaftliches Eintreten für Minderheiten und eine der Not angemessene Flüchtlingshilfe.

"Vor allem aber muss in diesen Ländern der Zugang zur Bildung für alle erschlossen werden, und wir müssen für weltweit gerechte wirtschaftliche Strukturen sorgen", sagte Woelki. "Unser Lebensstil geht ja weithin einher mit der Ausbeutung der sogenannten Dritten Welt."

Länder schieben 145.000 bereits abgelehnte Asylbewerber nicht ab

Die Bundesländer schieben offenbar seit Jahren zu wenige Flüchtlinge ab, über deren Asylverfahren bereits von deutschen Gerichten in letzter Instanz entschieden worden ist: Interne Zahlen des Ausländerzentralregisters, die "Bild" exklusiv vorliegen, belegen, dass rund 145.000 abgelehnte Asylbewerber trotz gerichtlicher Entscheidungen noch in Deutschland sind.

So lag die Zahl der "vollziehbar ausreisepflichtigen Personen" in Deutschland Ende August 2014 bei insgesamt rund 145.000 Personen. Von diesen abgelehnten Asylbewerbern waren Ende August rund 43.500 Personen "unmittelbar ausreisepflichtig". Sie hätten also auf jeden Fall abgeschoben werden müssen, wurden aber von den dafür zuständigen Bundesländern bisher noch nicht abgeschoben.

Von den 145.000 "vollziehbar ausreisepflichtigen Personen" hatten dabei Ende August rund 101.500 Flüchtlinge einen sogenannten "Duldungs-Status". Bei ihnen ist es dabei laut Asylgesetz also zu einer "vorübergehenden Aussetzung der Abschiebung" gekommen. Damit sind sie zwar nicht rechtmäßig in Deutschland, werden jedoch nicht wegen illegalen Aufenthalts bestraft oder abgeschoben.

Ein Mitarbeiter des Bundesinnenministeriums (BMI) sagte "Bild": "Deutschland ist zum Hauptzielland für illegale Einwanderer in Europa geworden. Das will aber niemand zugeben und abschieben will die Flüchtlinge aus Angst vor schlechter Presse auch niemand. Das Abschieben ist nämlich Ländersache, es kostet Geld und sorgt für unschöne Fotos am Flughafen."

Bis zum Jahresende 2014 erwarten die Experten des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) einen Anstieg der jährlichen Asylbewerberzahlen auf rund 230.000 Personen. Im Jahr 2013 hatten bereits rund 127.000 Personen einen Antrag auf Asyl in Deutschland gestellt.

CDU-Haushaltsexperte: Bund könnte Flüchtlingsheime finanzieren

Der Bund ist nach den Worten des Chefhaushälters der Unionsfraktion, Norbert Barthle, bereit, die Kommunen bei der Bereitstellung von Flüchtlingsunterkünften kurzfristig finanziell zu unterstützen. "In der derzeitigen Situation ist es sinnvoll darüber zu reden, ob wir den besonders betroffenen Kommunen akute finanzielle Hilfe leisten", sagte Barthle der "Rheinischen Post" (Donnerstagausgabe).

"Es kann nicht sein, dass Städte vor dem nahenden Winter Zelte für Flüchtlinge aufstellen müssen", sagte Barthle. Es gebe daher Überlegungen in der Koalition, vorhandene Städtebau-Fördermittel im laufenden Etat von Bundesbauministerin Barbara Hendricks (SPD) für die akute Hilfe des Bundes an die Kommunen zu nutzen. Das Programm "soziale Stadt" im Etat der Bauministerin sei unlängst deutlich aufgestockt worden. "Da ist Geld da, das wir jetzt für die Flüchtlingsunterkünfte einsetzen können", sagte Barthle. Die konkrete Höhe der Hilfen sei aber noch offen. Darüber werde in den kommenden Wochen beraten.

Entwicklungsminister: Flüchtlingsdrama wird noch Jahre dauern

Die Bewältigung des Flüchtlingsdramas im Nordirak und in Syrien wird die Weltgemeinschaft nach Ansicht von Bundesentwicklungshilfeminister Gerd Müller (CSU) noch über Jahre beanspruchen. Müller sagte der "Saarbrücker Zeitung" (Samstag): "Es geht nicht nur um Zelte, damit der Regen abgehalten wird. Es geht um Infrastruktur, es geht darum, dass Kinder und Jugendliche eine Perspektive bekommen." Daher müsse man sich auf Jahre einstellen, um die immense Flüchtlingsbewegung in den betroffenen Regionen in den Griff zu bekommen. Hunderttausende Menschen hätten derzeit überhaupt keine Unterkunft.

"Und der Flüchtlingsdruck im Nordirak und in Kurdistan hat nicht nur durch den IS-Terror, sondern auch durch die Bombardierungen der US-geführten Koalition zugenommen", so der Minister. Zugleich betonte er: "Wir haben nur noch ein Zeitfenster von sechs Wochen. Erst kommt der Regen, dann kommt die Kälte - und dann kommt der Tod."

Müller forderte eine Aufstockung der Mittel für das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (UN) und für das UN-Flüchtlingshilfswerk. Auch müsse die EU eine Sondermilliarde bereitstellen. Auf deutscher Seite würden die Finanz- und Haushaltspolitiker in den nächsten Wochen über eine Erhöhung der Hilfen entscheiden, sagte Müller.

Grüne: Europa muss einheitlicher Schutzraum für Flüchtlinge werden

Nach Ansicht der Grünen muss Europa ein einheitlicher Schutzraum für Flüchtlinge mit "gemeinsamen, fairen und hohen Standards" werden. Schutzsuchende sollten dort einen Antrag auf Asyl stellen können, wo sie Anknüpfungspunkte haben und nicht zwangsläufig dort, wo sie zuerst angekommen sind, erklärten Grünen-Chefin Simone Peter und die Vizepräsidentin der Grünen im Europäischen Parlament, Ska Keller, am Freitag in Berlin anlässlich des Jahrestages der schweren Schiffskatastrophe vor Lampedusa.

Bei dem Unglück waren vor einem Jahr über 300 Flüchtlinge im Mittelmeer ertrunken. "Wir wollen ein Europa, das endlich die Rechte und die Würde der Flüchtlinge schützt, statt sich immer mehr gegen sie abzuschotten."

Quelle: dts Nachrichtenagentur

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