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840 Milliarden Euro Weltkriegs-Forderung – „Polen wird Bruchlandung erleben“

Archivmeldung vom 12.09.2017

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 12.09.2017 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Wehrmachtssoldaten beim Kampf um ein brennendes Dorf
Wehrmachtssoldaten beim Kampf um ein brennendes Dorf

Foto: Bundesarchiv, Bild 183-H26353 / Borchert, Erich (Eric) / CC-BY-SA
Lizenz: CC BY-SA 3.0 de
Die Originaldatei ist hier zu finden.

Die polnische Regierungschefin Beata Szydlo (PiS) fordert von Deutschland erneut Zahlungen in Milliardenhöhe. Warschaus Begründung: „Unfassbare Verbrechen im Zweiten Weltkrieg“. Völkerrechtler exklusiv zu Sputnik: „Deutschland wird nicht darauf reagieren, weil Polen keine rechtliche Handhabe hat.“

„Gemessen am Völkerrecht gibt es für diese Forderungen keinerlei Grundlagen“, sagte der Berliner Völkerrechtler Gerd Seidel auf Anfrage. Zuvor hatte die polnische Premierministerin Szydlo erklärt: „Polen hat das Recht auf Reparationen, und der polnische Staat hat das Recht, sie einzufordern.“ Der polnische Innenminister, Mariusz Blaszczak, schätzt laut Medienberichten die materiellen deutschen Kriegsschäden an Polen auf etwa eine Billion US-Dollar (rund 840 Milliarden Euro).

„Was Polen jetzt bewegt, die Reparationsforderungen nach 72 Jahren zu stellen, erschließt sich mir nicht“, erklärte Seidel, emeritierter Professor für Völkerrecht an der Juristischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin. „Zumal es rechtlich dazu keine Handhabe gibt.“ Er zeichnete den historischen Hintergrund:

„Im Potsdamer Abkommen vom 5. Juni 1945, Abschnitt IV Punkt 2, heißt es ausdrücklich: ‚Die UdSSR wird die Reparaturansprüche Polens aus ihrem eigenen Anteil an den Reparationen befriedigen.‘ Dies ist dann erneut aufgegriffen worden durch die polnische Regierung im Jahre 1953. In einer offiziellen Erklärung hat Polen Verzicht geleistet auf weitere Forderungen hinsichtlich der Reparationen gegenüber Deutschland.“

Dann habe es 1990 zur Zeit der Wiedervereinigung den sogenannten Zwei-plus-vier-Vertrag gegeben. Der klinge etwas unscheinbar, aber dieser Vertrag sei in Wirklichkeit ein Ersatz-Friedensvertrag. Seidel hierzu: „Man muss wissen, dass es heute keine Friedensverträge im üblichen Sinne geben muss.“ Schließlich gebe es noch den deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrag von 1991, in dem ebenfalls Polen diese Frage überhaupt nicht mehr aufgeworfen habe.

Der Völkerrechtler verwies auf eine politische, ausdrücklich „nicht-rechtliche Position“: „Polen ist sehr gefördert worden durch Deutschland bei der Aufnahme in die Europäische Union (EU) und hat aus Mitteln der EU sehr großzügige Hilfen bekommen.“ Die EU-Mittel bestehen laut Seidel „bekanntermaßen zu großen Teilen“ aus deutschen Geldern. Er plädierte dafür, dass Polen „etwas  bescheidener wird. Auch gegenüber Deutschland. Auch gegenüber Russland.“

Aber ganz offensichtlich passe das ins Kalkül der nationalistischen Regierung Polens und der ihr zugrunde liegenden Partei, der „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS), diese Forderung jetzt zu stellen. „Vielleicht möchte man auch innerstaatlich punkten gegenüber der polnischen Bevölkerung. Zumal der Stand dieser Regierung auch innenpolitisch etwas umstritten ist.“ Jarosław Kaczyński, der Vorsitzende der Regierungspartei PiS, hatte bereits Anfang August in einer landesweiten, polnischen Radio-Sendung „gigantische Summen“ von Deutschland aufgrund ihrer „Verantwortung für den Zweiten Weltkrieg“ gefordert. Schon damals erklärte der renommierte Völkerrechtler Theodor Schweisfurth gegenüber Sputnik: „Polen hat keine rechtliche Handhabe.“

Polens Regierungschefin Szydlo erklärte auch, ihre Regierung wolle nun den Dialog mit Berlin suchen. Eine Sputnik-Anfrage bei der Pressestelle des Auswärtigen Amtes ergab folgende Antwort:

„Dieses Thema ist bereits in den letzten Regierungspressekonferenzen besprochen worden, ich möchte Sie deshalb auf die jeweiligen Protokolle, so am 8. September, verweisen.“ Bei der Bundespressekonferenz am vergangenen Freitag erklärte Regierungssprecher Steffen Seibert zu diesem Thema: „Zunächst einmal gibt es keine offizielle Anfrage der polnischen Regierung zu diesem Thema. Es gibt aus Sicht der Bundesregierung gar keinen Anlass, an der völkerrechtlichen Wirksamkeit des (polnischen) Reparationsverzichts von 1953 zu zweifeln.“

Dazu kommentierte Völkerrechtler Seidel: „Die Rechnung Polens wird nicht aufgehen, Deutschland wird nicht darauf reagieren.“ Er verwies auf historische Vergleichsfälle, als Länder wie Italien oder Griechenland ähnliche, noch aus dem Zweiten Weltkrieg stammende Forderungen an Deutschland gestellt hatten. „Die sind vor internationale Gerichte gezogen – und haben eine Bruchlandung erlitten.“ Ähnliches werde jetzt auch Polen erleben.

Dem widerspricht allerdings der Völkerrechtler Gregor Schirmer. Er schrieb in einer Studie: „Das ändert nichts daran, dass Fragen aus dem verbrecherischen Krieg und aus der ebenso verbrecherischen Besatzung durch Hitlerdeutschland (…) offengeblieben sind. Sie waren nicht Gegenstand der Verhandlungen gewesen, sind im Zwei-plus-vier-Vertrag nicht geregelt worden und konnten es dort auch gar nicht. Die Behauptung der Bundesregierung, diese Angelegenheiten seien durch (…) den Zwei-plus-vier (…) erledigt, ist juristisch unhaltbar.“

Quelle: Sputnik (Deutschland)

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