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Germanist Detering attestiert AfD-Führung den "Jargon von Gangstern"

Archivmeldung vom 07.12.2018

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 07.12.2018 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch André Ott
Heinrich Detering (2014), Archivbild
Heinrich Detering (2014), Archivbild

Von Jensen99 - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=34000745

Der frühere Präsident der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, Heinrich Detering, hat der AfD-Führung den "Jargon von Gangstern" vorgeworfen. "Die berechtigte Empörung beschränkt sich in Deutschland immer wieder auf isolierte sprachliche Entgleisungen", sagte der Göttinger Germanist, der in diesem Jahr Stipendiat des Thomas-Mann-Hauses in Los Angeles war, dem "Kölner Stadt-Anzeiger".

Stattdessen müsste es darum gehen, "die ideologischen Denkmuster zu rekonstruieren, aus denen die vermeintlichen Entgleisungen folgerichtig und präzise hervorgehen". Als Beispiel verwies Detering auf eine Wahlkampfrede des AfD-Co-Vorsitzenden Alexander Gauland aus dem Jahr 2017 mit der Aussage, die damalige Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD), nach Anatolien zu "entsorgen". Im Kontext lasse Gauland "eine Vernichtungsphantasie auf diesen Punkt zulaufen. Die Gewaltforderung stellt sich ein, ohne dass sie ausgesprochen werden müsste". Dass Zuhörer bei AfD-Kundgebungen in Sprechchören die "Volksverräter" erledigen wollten, zeige, wie genau sie verstanden werde. "Nicht die einzelne Vokabel, sondern das Narrativ folgt dem Jargon von Gangstern, die es ihrem Opfer erst richtig zeigen, es dann erledigen und schließlich 'entsorgen'." Gauland sei ein Virtuose der Zweideutigkeit, so Detering weiter.

"Er will nichts gesagt haben, aber die Rücknahme ist auf Durchschaubarkeit anlegt. Das Ausmessen einer rhetorischen Ambivalenz-Zone gehört zum rhetorischen Kalkül. Das muss man ernstnehmen und sichtbar machen. Sonst gerät man in eine letztlich wirkungslose Empörungsschleife und verheddert sich im Gewirr einzelner Wörter und Begriffe." Die ständigen Rückgriffe von AfD-Vertretern auf den Nationalsozialismus seien keine Ausrutscher, sondern konstitutiv, betonte Detering. "Die AfD muss die NS-Zeit aufwerten, weil sie nur dann die Kontinuität einer deutschen Kulturgeschichte behaupten kann. Ein Bruch in dieser homogenen Kultur kann per Definition niemals von innen gekommen sein. Dem demokratischen Konsens, dass der Nationalsozialismus einen beispiellosen Zivilisationsbruch bedeutet, muss die AfD darum widersprechen." Die Ankündigung der Gaulands wie des Thüringer AfD-Chefs Björn Hecke, man wolle sich "unser Land zurückholen", beziehe sich auf ein Deutschland, das am 8. Mai 1945 verloren gegangen sei.

"Das Feindliche und Fremde, das mit diesem Datum vom Land Besitz ergriffen hat, ist - der demokratische Rechtsstaat, die offene Gesellschaft", erläuterte Detering. Der Bezug auf eine verbindende "Wesensart", an der alle Deutschen teilhätten und die sich auswirkte auf Lebensführung, Weltanschauung, Umgangsformen, ist laut Detering "nicht nur eine reine Fiktion, sondern gemeingefährlicher Unsinn, weil es am Ende immer auf ein biologisches Substrat hinausläuft. Also auf rassistische Annahmen". Was heute als verbindende Kultur "der Deutschen" behauptet werden könne, "das reduziert sich bei genauerer Betrachtung auf die gemeinsame Sprache - im Grunde auf das, was Frau Özoguz 2017 gesagt und was Gaulands Hassausbruch veranlasst hat".

Quelle: Kölner Stadt-Anzeiger (ots)

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