BKA warnt vor Risiken bei Fußfessel-Überwachung
Archivmeldung vom 24.02.2017
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Freigeschaltet durch André OttDas Bundeskriminalamt (BKA) warnt vor Risiken beim künftig geplanten Einsatz der elektronischen Fußfessel. In einer internen Bewertung, die der "Welt" vorliegt, erklärte die Behörde, dass eine solche Überwachung von islamistischen Gefährdern den Erfolg von verdeckten Observationen gefährden könnte. Die Maßnahme könne demnach "Auswirkungen auf das Verhalten des Betroffenen und somit auf verdeckte Maßnahmen zur Informationsgewinnung" haben.
Die Kontrolle per Fußfessel sei "nicht sinnvoll, sofern verdeckte Maßnahmen durchgeführt werden oder geplant sind". Das BKA bezweifelt zudem die Kooperationsbereitschaft von islamistischen Gefährdern. Während Verurteilte nach ihrer Entlassung "in der Regel eine hohe Mitwirkungsmotivation" zeigten, könne diese "bei Personen nicht unterstellt werden, die zum Beispiel aus einer religiösen Motivation den festen Entschluss gefasst haben, schwerste politisch motivierte Straftaten zu begehen".
Fehle die Bereitschaft zur Kooperation, so sei "mit einem erheblich höheren und gegebenenfalls sogar absichtlich herbeigeführten Alarmierungsaufkommen zu rechnen". Der Einsatz der Fußfessel könne jedoch eine Option sein, wenn nach dem Start von offenen Ermittlungen noch keine "ausreichenden Beweise" für den Erlass eines Haftbefehls ausreichen, "die Gefahrenlage gleichwohl aber weiterhin bestehen würde".
Eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums erklärte auf Anfrage, dass eine Fußfessel "kein Allheilmittel" sei und nicht "für alle potenziell möglichen Fälle auch zur Anwendung" komme. In jedem Einzelfall werde sich die Frage gestellt, "ob aus polizeitaktischer Sicht eine verdeckte Maßnahme einer offenen" vorzuziehen sei, sagte die Sprecherin der Zeitung.
Die Opposition im Bundestag kritisiert die geplante Ausweitung der Überwachung durch Fußfesseln: "Die elektronische Fußfessel wird einen Terroranschlag wie den auf dem Breitscheidplatz nicht verhindern", sagte Irene Mihalic, innenpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, der "Welt". Dem Gefährder werde durch die Fußfessel unmittelbar bewusst, dass er im Fokus der Sicherheitsbehörden ist.
Das würde ihn "womöglich eher zu einer spontanen Umsetzung von Anschlagsplanungen provozieren", erklärte Mihalic. Ähnlich äußerte sich die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Ulla Jelpke: "Bei den Gefährdern handelt es sich um Menschen, gegen die nichts weiter vorliegt als der bloße Verdacht, sie könnten in Zukunft vielleicht ein Verbrechen begehen", sagte die Innenexpertin. "Auf der Basis unzuverlässiger Prognosen darf es keine freiheitseinschränkenden Maßnahmen geben."
Vertreter der Regierungsparteien stehen trotz der Kritik zu dem Vorhaben: Die Fußfessel könne "ein geeignetes Mittel sein, in bestimmten Fällen Gefährder in ihrer Bewegungsfreiheit einzuschränken und so die Bildung terroristischer Netzwerke oder eine Radikalisierung weiterer Menschen zu erschweren", sagte Stephan Mayer (CSU), innenpolitischer Sprecher der Unionsfraktion.
Dass ein Gefährder womöglich die Fessel manipuliert, könne "kein Grund sein, von vornherein auf diese Maßnahme zu verzichten". Und auch die SPD steht zu dem Versuch, der Terrorgefahr auch mit Fußfesseln zu begegnen. Burkhard Lischka, innenpolitischer Sprecher der Fraktion, begrüßt den Einsatz "ausdrücklich".
Die Fußfessel sei "allerdings nur ein Teil eines gesamten Pakets an Maßnahmen, um Gefährder zu überwachen", sagte Lischka. Er setzt zudem auf "verschärfte Meldeauflagen - zur Not mehrmals am Tag - Aufenthaltsbeschränkungen und Näherungsverbote für bestimmte Orte oder Personen".
Quelle: dts Nachrichtenagentur