AfD-Politiker im Bundestag: Es gibt Schnittmengen mit anderen Parteien
Archivmeldung vom 09.10.2017
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittAlle Parteien hatten zur Bundestagswahl russlanddeutsche Kandidaten aufgestellt, aber nur die beiden AfD-Politiker Anton Friesen und Waldemar Herdt haben es ins Parlament geschafft. Anton Friesen ist bereits seit 2013 in der Jugendorganisation der AfD in Thüringen aktiv. Im Bundestag sieht er durchaus auch Schnittmengen mit anderen Parteien.
In der vergangenen Legislaturperiode gab es nur einen russlanddeutschen Abgeordneten Heinrich Zertik (CDU), der nicht wiedergewählt wurde. In den kommenden vier Jahren sitzen zwei russlanddeutsche Politiker für die AfD im Bundestag. Der 35jährige Anton Friesen wurde in Kasachstan geboren und kam im Alter von zehn Jahren mit seiner Familie nach Deutschland. Friesen ist bereits seit dem Gründungsjahr der AfD 2013 Mitglied der Partei und arbeitete ab 2015 für die AfD-Landtagsfraktion in Thüringen. Friesen meint im Sputnik-Interview, das Interesse der Russlanddeutschen an Politik hat zugenommen:
„Die Russlanddeutschen verstehen sich als aktiver Teil des deutschen Volkes. Die Migrationskrise im Jahre 2015 hat noch mehr Russlanddeutsche dazu bewegt, sich zu engagieren. Sie machen sich Sorgen um die deutsche Identität.“
Friesen hält die Russlanddeutschen für sehr gut integriert. Allerdings gibt es noch Probleme, die im Bundestag angegangen werden müssen:
„Es besteht noch Verbesserungsbedarf bei der Rentenangleichung und beim Familiennachzug, der restriktiv geregelt ist für Russlanddeutsche. Es geht auch um die Pflege der eigenen Traditionen, dass die Geschichte der Russlanddeutschen mehr in den Fokus gerückt wird, vielleicht auch im Schulunterricht.“
Friesen hat sich vor seinem Bundestagsmandat bei der Jungen Alternative, der Jugendorganisation der AfD, engagiert. Der Politiker meint, dass sich vor allem junge Menschen Sorgen um die Zukunft des Landes machen:
„Die jüngere Generation wird ausbaden müssen, was jetzt schiefläuft. Eine falsche Familienpolitik hat zu demografischen Problemen geführt. Es muss auch eine neue Wohnraumpolitik für junge Familien, vor allem in Großstädten, geben.“
„DDR-Vergangenheit war Grund für AfD-Erfolg im Osten“
Friesen wohnt in der Thüringer Landeshauptstadt Erfurt. Hier wurde 1989 die erste Stasi-Zentrale in der DDR gestürmt. Friesen sieht in der DDR-Vergangenheit einen Grund für den Erfolg der AfD in Ostdeutschland:
„Die Ostdeutschen haben das alte autoritäre System noch gut in Erinnerung. Sie sind damals vor allem in Sachsen, aber auch in Thüringen auf die Straße gegangen. Deshalb stehen sie der Staatsmacht und jeglichen Versuchen, die Freiheit einzuschränken, äußerst kritisch gegenüber.“
Friesen ist Doktor der Politikwissenschaften und hat am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität Berlin promoviert. Das Thema seiner Dissertation war „Über das Scheitern der US-Strategie im Afghanistankrieg“. Im Bundestag möchte sich Friesen für ein gutes Verhältnis zu Russland einsetzen:
„Schon Bismarck meinte, dass es immer für beide Seiten gut war, wenn das deutsch-russische Verhältnis gut ist. Wir als AfD wollen die Russland-Sanktionen abschaffen, denn sie schaden nicht nur wirtschaftlich, sondern auch dem Vertrauen und der politischen und kulturellen Kooperation. Das wirkt sich auf alle Bereiche aus. Den Schaden kann man also nicht nur monetär messen.“
Vor allem in der geplanten neuen Erdgas-Pipeline Nord Stream 2, die russisches Gas ab 2019 nach Deutschland bringen soll, sieht Friesen nur Vorteile und gar eine Notwendigkeit für Europa:
„Ich denke, die EU sollte kein Sondergesetz schaffen, nur um Nord Stream 2 Steine in den Weg zu legen. Die Europäische Kommission sollte Nord Stream 2 eher unterstützen, weil viele alternative Lieferstaaten, vor allem nordafrikanische Länder, aber auch die Ukraine als Transitland politisch instabil sind. Auch werden wir den steigenden Energiebedarf in der Zukunft nicht allein mit Flüssiggas aus anderen Ländern abdecken können.“
In dem Zusammenhang sieht Friesen auch die Arbeit Gerhard Schröders im Aufsichtsrat der russischen Ölfirma Rosneft nicht kritisch. Dies sei „in erster Linie Schröders persönliche Entscheidung“. Friesen weist darauf hin, dass hier mit zweierlei Maß gemessen wird:
„Der ehemalige Außenminister Joschka Fischer hat sich auch bei einem, allerdings westlichen, Energiekonsortium engagiert. Das wurde nicht so kritisch gesehen. Also wenn dann sollte man für alle die gleichen Maßstäbe anlegen. Es kann nicht sein, dass ein Politiker dafür, dass er im Aussichtsrat eines Energieunternehmens X sitzt, gelobt wird, und ein anderer wird kritisiert.“
Im Thüringer Landtag war Friesen innerhalb der AfD-Fraktion wissenschaftlicher Mitarbeiter und Referent für Innere Sicherheit, Kommunalpolitik, Zuwanderung und Asyl. In einigen seiner Fachgebiete sieht Friesen auch im Bundestag Anknüpfungspunkte mit anderen Parteien:
„Sogar mit der Linkspartei, wenn man es objektiv betrachtet, gibt es zum Beispiel bei der Russlandpolitik, beim Thema Euro oder der Direkten Demokratie Ansatzpunkte. Ich denke, es gibt auch Schnittmengen mit dem konservativen Teil der CDU, vor allem in den Bereichen Innere Sicherheit und Migration.“
Quelle: Sputnik (Deutschland)