SPD macht zu große Kompromisse in der großen Koalition
Archivmeldung vom 17.03.2007
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Freigeschaltet durch Jens BrehlDer SPD-Linke und Bundestagsabgeordnete Karl Lauterbach, bisher eher bekannt als Gesundheitsexperte, will sich zukünftig stärker um den Gesamtkurs der Partei kümmern. In einem Interview mit der "Leipziger Volkszeitung" (Sonnabend-Ausgabe) stellte er seiner SPD ein schlechtes Zeugnis für die Arbeit in der großen Koalition aus.
"Wir machen in dieser großen Koalition zu viele
Kompromisse zu Lasten der Kernkompetenz der SPD." Die SPD müsse
wirkliche Chancengleichheit und die Rechte der Ärmsten in der
Gesellschaft verteidigen. "Ich räume aber ein, dass die
Unternehmenssteuerreform, so wie sie jetzt geplant ist, dieser
Kernkompetenz entgegensteht. Gleiches trifft auf die
Gesundheitsreform zu, bei der die privat Versicherten ungeschoren
blieben", sagte Lauterbach.
"Das Sonnendeck der Gesellschaft darf nicht von denjenigen dauerhaft besetzt bleiben, die die Privilegien geerbt haben. Somit muss die SPD die Partei der Einkommensschwachen, der Armen, der Kranken und der Behinderten auf der einen Seite und der fairen Aufstiegsmöglichkeit auf der anderen Seite sein", meinte er zur zukünftigen Kursorientierung. Es gehe im Wettbewerb der Parteien darum, wer bei den Kernkompetenzen vorn liege. "Wer möchte, dass die Reichen im Land noch mehr verdienen, ist mit der FDP gut beraten. Wer meint, es ist schon ein Vorteil, wenn es den Einkommensstarken schlechter geht, auch wenn sich für alle anderen nichts ändert, der wird vermutlich die Linkspartei wählen. Wer der Meinung ist, dass Migranten in Deutschland nicht den gleichen Zugang zum Gymnasium haben sollten wie deutsche Kinder oder wer der Ansicht ist, dass Mütter auf den Beruf verzichten sollen, der ist bei der Union sehr gut aufgehoben", so Lauterbachs Parteienschema. "Die Kernkompetenz der SPD muss der Kampf für den Abbau von Privilegien insbesondere für die Herkunfts-Elite sein."
Mit Blick auf die Rente mit 67 kritisierte der SPD-Politiker an
der Arbeit von Vizekanzler Franz Müntefering (SPD): "Das
Sozialdemokratische" in der Politik-Abfolge sei "nicht zu erkennen".
Lauterbach weiter: "Beschlossen wurde erst die Rente mit 67, danach
wird über eine soziale Gestaltung der Folgen dieser Politik gerungen.
Sozialdemokratischer und logischer wäre der umgekehrte Weg gewesen.
Die SPD wird nur wieder aufsteigen können, wenn sie sich auf ihre
Kernkompetenzen konzentriert. Vieles, was jetzt in der Sozialpolitik
gemacht wird, ist aufgesetzt und nicht glaubwürdig", kritisierte
Lauterbach.
Im Zusammenhang mit der noch ausstehenden Pflegereform warnte
Lauterbach die Union, es auf "einen harten Waffengang" ankommen zu
lassen. Zwar werde die Pflegereform in der großen Koalition sehr viel
einfacher zu verabschieden sein als die Gesundheitsreform.
Schließlich sei im Koalitionsvertrag festgelegt, dass sich die privat
versicherten Einkommensstarken auch an der Finanzierung der gesamten
Pflege beteiligen müssten. "Zudem ist die Schaffung eines
Kapitalstocks vereinbart. Der wird kollektiv zu füllen sein, nicht
durch eine individuelle Minizusatzversicherung. Wenn die Union das
wieder strittig stellt, könnte es allerdings einen harten Waffengang
geben. Da ist auch die Glaubwürdigkeit der SPD voll gefordert." Für
Lauterbach wäre "eine Kopfpauschale ohne Einkommensausgleich in der
Pflegeversicherung eine weitere deutliche Schwächung des
Solidargedankens". Es dürfe keinen dritten Weg geben zwischen
Kopfpauschale und Bürgerversicherung mit dem Ergebnis, dass die
Bürger beides bezahlen müssten.
Großes Lob zollte Lauterbach der bisherigen Arbeit von Parteichef Kurt Beck. "Ich halte von Kurt Beck als Strategen eine ganze Menge. Er verkörpert mit seiner persönlichen Herkunft, seiner Integrität und seiner Seriosität die SPD sehr gut und wird auch als Kanzlerkandidat deutlich besser abschneiden, als dass sich das jetzt viele vorstellen können."
Quelle: Pressemitteilung Leipziger Volkszeitung