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Grünen-Politiker Lindner: Zögern beim Drohnen-Stopp kostete über 100 Millionen Euro

Archivmeldung vom 04.06.2013

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 04.06.2013 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Euro Hawk
Euro Hawk

Lizenz: Public domain
Die Originaldatei ist hier zu finden.

Der späte Stopp des Drohnen-Projekts Euro-Hawk hat nach Ansicht des Grünen-Politikers Tobias Lindner mehr als 100 Millionen Euro gekostet. Der "Bild-Zeitung" sagte Lindner, der Berichterstatter seiner Partei im Haushaltsausschuss ist: "De Maizière hätte mit einem Projektabbruch zu Beginn des Jahres 2012 einen dreistelligen Millionenbetrag sparen können."

Das Projekt vorzeitig zu stoppen sei möglich gewesen, so Lindner weiter. Dem Verteidigungsministerium sei im Beschaffungsvertrag für die Drohnen aus dem Jahr 2007 ein außerordentliches Kündigungsrecht zugesichert worden. "Neben den Entwicklungs- und Beschaffungskosten in Höhe von mindestens 100 Millionen Euro wären auch weitere Ausgaben für Infrastruktur, Personal und Reisen entfallen", rechnet der Haushaltsexperte.

US-Rüstungskonzern weist Vorwürfe wegen Euro Hawk zurück

Der amerikanische Rüstungskonzern Northrop Grumman ist Vorwürfen entgegen getreten, er habe die Zulassungsprobleme bei der Aufklärungsdrohne Euro Hawk mitverschuldet. Ein leitender Manager des Konzerns wies gegenüber der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" außerdem die Darstellung des Bundesverteidigungsministeriums zurück, für die Zulassung fielen Mehrkosten von bis zu 600 Millionen Euro an. Der Manager bekundete den Willen seines Unternehmens, das Rüstungsprojekt fortzuführen. "Wir haben dem Verteidigungsminister Mitte Mai über die Euro Hawk GmbH einen Vorschlag übermittelt, der sich auf 160 bis 193 Millionen Euro beläuft. Dieser Vorschlag deckt sämtliche Kosten für die Musterzulassung und Lufttüchtigkeitsprüfung des Euro Hawk", sagte Janis Pamiljans, der als Vizepräsident von Northrop Grumman für unbemannte Flugsysteme verantwortlich ist.

Es war das erste Interview eines Konzernmanagers, seit Verteidigungsminister Thomas de Maizière Mitte Mai die Beschaffung von vier weiteren Drohnen gestoppt hatte. De Maizière wird darüber am Mittwoch dem Verteidigungs- und Haushaltsausschuss des Bundestags Bericht erstatten.

Pamiljans wies Darstellungen zurück, der Konzern habe Unterlagen zurückgehalten, um seine Technologie zu schützen. "Wir haben mehr als 4.000 Dokumente übergeben, mehr als vertraglich vereinbart. Der Kunde hatte und hat unbeschränkten Zugang zu allen Unterlagen", sagte er. Sicherheitsrelevante Daten seien den Bundeswehr-Prüfern in Deutschland zugänglich gemacht worden. Die Entscheidung des Verteidigungsministers, das Rüstungsprogramm zu stoppen, sei "eine große Überraschung für uns" gewesen. Alle Flugtests seien sicher und fehlerfrei verlaufen. Bei Vertragsschluss sei die Zulassung des Euro Hawk nach amerikanischem Luftwaffenstandard geplant gewesen; so wurde der nahezu baugleiche Global Hawk zugelassen. "Mir ist nicht klar, warum die Zertifizierungsgrundlage verändert wurde", sagte Pamiljans der Zeitung.

Der Manager wies Kritik daran zurück, dass Bundeswehrpiloten den Euro Hawk derzeit nicht selbst fliegen dürfen. "Bis zur vollen Übergabe des Euro-Hawk-Systems sieht der Vertrag vor, dass nur die Industrie fliegt und plant", sagte Pamiljans. Für das noch fehlende Einsatzplanungssystem sei mit dem Verteidigungsministerium eine "Road Map" vereinbart worden. "Die dauerhafte Lösung könnte innerhalb von 18 bis 24 Monaten geliefert werden, wenn der deutsche Kunde um das vollständige System bittet", sagte Pamiljans.

Der Manager äußerte weiter, das Bundesverteidigungsministerium habe noch nicht auf das Angebot von Northrop Grumman zur Nachbesserung bei der Zulassung reagiert. Das Unternehmen habe bis jetzt keinen Hinweis darauf, dass das Entwicklungsprogramm abgebrochen oder unterbrochen werde. Er warnte vor der Lösung, die dem Verteidigungsausschuss präsentiert worden war; demnach soll das von EADS hergestellte Aufklärungssystem in einem anderen Flugzeug installiert werden. In diesem Fall, so Pamiljans, müsse dieses Flugzeug neu zertifiziert werden. Dann wären die Zulassungskosten "weit höher als eine halbe Milliarde Euro".

FDP verlangt von de Maizière Alternativen zu "Euro Hawk"

Die FDP erwartet von Verteidigungsminister Thomas de Maizière am Mittwoch mehr als nur eine Darlegung der Ursachen, die zum Scheitern des Drohnenprojektes "Euro Hawk" führten. "Der Verteidigungsminister muss auch Perspektiven aufzeigen, wie die Bundeswehr nun zu den dringend benötigten Aufklärungs-Fähigkeiten kommt", sagte die FDP-Verteidigungsexpertin Elke Hoff der "Rheinischen Post". Mit Blick auf die laufenden Einsätze in Afghanistan und am Horn von Afrika sei doch jedem klar, dass die Bundeswehr auf die Signalaufklärung angewiesen sei. "Dafür haben wir doch das Drohnenprojekt beschlossen", betonte Hoff.

SPD uneins über Euro Hawk-Untersuchungsausschuss

Der Verteidigungsexperte der SPD-Bundestagsfraktion Hans-Peter Bartels lehnt die Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur Aufklärung der Drohnen-Affäre ab. Er vertritt damit eine andere Auffassung als SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles, die zuvor erklärt hatte, ihre Fraktion wolle über einen solchen Ausschuss erst "im Angesicht der Informationen, die Herr de Maizière uns zur Verfügung stellt" entscheiden. Bartels begründete seine Position damit, dass die Wahlperiode fast zu Ende sei. "Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss ist ein gründliches, langsames Instrument - er braucht Zeit", sagte der SPD-Politiker "Handelsblatt-Online". Ein solcher Ausschuss müsse sich erst konstituieren, dann müsse er arbeitsfähig werden. Dazu müsse zunächst der Untersuchungsauftrag formuliert, Akten angefordert sowie eine Zeugenliste und ein Zeitplan erstellt werden. "Deshalb muss der Verteidigungsausschuss jetzt mit den normalen Mitteln sein Bestes geben", betonte Bartels. "Wir können auch Sondersitzungen machen."

Aufklärung des Euro-Hawk-Debakels: Grüne geben de Maizière letzte Chance

Die Grünen wollen Verteidigungsminister Thomas de Maizière eine letzte Chance für eine umfassende Aufklärung des Debakels beim Drohnen-Projekt Euro Hawk gewähren und dann weitere Konsequenzen in Betracht ziehen: Der Minister habe angekündigt, am Mittwoch alle Fragen zu beantworten. "Diese Chancen geben wir ihm", sagte der verteidigungspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Omid Nouripour, "Handelsblatt-Online". "Falls er dies nicht kann oder will, dann müssen wir zu anderen parlamentarischen Instrumenten greifen." Möglich wäre es etwa, dem Verteidigungsausschuss die Rechte eines Untersuchungsausschusses zu übertragen. Dies ist dann möglich, wenn ein Viertel der Mitglieder einen entsprechenden Antrag stellt.

Die Opposition wirft dem CDU-Minister vor, die Probleme lange verschwiegen und das Vorhaben zu spät gestoppt zu haben. So seien Hunderte Millionen Euro Steuergelder in den Sand gesetzt worden. De Maizière soll am Mittwoch im Verteidigungs- und im Haushaltsausschuss des Bundestages über das Debakel Auskunft geben.

Künast stellt Eignung von de Maizière als Verteidigungsminister in Frage

Die Fraktionschefin der Grünen im Bundestag, Renate Künast, hat wegen der neuen Enthüllungen zum Fall "Euro Hawk" die Eignung von Thomas de Maizière (CDU) als Bundesverteidigungsminister in Frage gestellt. "Es wird jetzt sehr eng für de Maizière. Es sieht so aus, als habe er sein eigenes Haus nicht im Griff", sagte Künast der "Saarbrücker Zeitung". Anders sei nicht zu erklären, dass beim "Euro Hawk" so viele Millionen in den Sand gesetzt werden konnten. Außerdem sei sein Staatssekretär Stéphane Beemelmans offenbar schon früh und umfassend über die Probleme beim Euro-Hawk-Projekt informiert gewesen. "Es stellt sich die Frage, ob de Maizière seine Verantwortung richtig wahrnimmt und sein Ministerium richtig führt", sagte Künast.

Quelle: dts Nachrichtenagentur

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