Militärexperten vermissen Zukunftsvision für Bundeswehr
Archivmeldung vom 30.08.2024
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Freigeschaltet durch Sanjo BabićDer Militärhistoriker Sönke Neitzel und der Generalleutnant a. D. Frank Leidenberger vermissen eine Zukunftsvision für die Bundeswehr. "Wenn die Bundeswehr in der Zukunft ohne bewaffnete Drohnen kämpfen wollte, wäre das so, als ob sich die Kaiserliche Armee der Bewaffnung von Flugzeugen verweigert hätte", schreiben Neitzel und Leidenberger in einem Gastbeitrag für die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung".
In den zweieinhalb Jahren seit dem russischen Überfall habe sich der
Drohnenkrieg schneller verändert als in den vergangenen drei
Jahrzehnten. "Heute werden nahezu alle Bewegungen an der Front in
Echtzeit aufgeklärt und bekämpft", schreiben sie. Drohnen seien dabei
aber nur der sichtbarste Teil des digitalen Kampfes. Ohne die Satelliten
von Star Link würde in der ukrainischen Armee nichts mehr funktionieren
- die Gefechtsstände nicht, die Kommunikation der Soldaten
untereinander nicht und die punktgenauen Angriffe mit Raketen erst recht
nicht, so Neitzel und Leidenberger.
Die Ukraine konnte im Krieg
der Digitalisierung bislang mithalten, weil sie sich auf die
Zusammenarbeit mit westlichen Technologiefirmen abstützte, heißt es in
dem Gastbeitrag. Hinzu seien die eigene Start-up- und Innovationskultur
gekommen.
Die Bundeswehr habe diese enorme technische Dynamik
dagegen weitgehend verpasst. Um "kriegstüchtig" zu werden, fordern
Neitzel und Leidenberger, heute CEO von BWI, einem IT-Dienstleister der
Bundeswehr, müsse die Bundeswehr gemeinsam mit der Rüstungsindustrie
vorausdenken. Notwendig sei ein enges und schnelles Zusammenwirken mit
Rüstungsindustrie, Start-ups, relevanten Wissenschafts- und
Forschungseinrichtungen, der Beschaffungsorganisation und vor allem den
Nutzern, die auch mit einer gemeinsamen Softwareentwicklungsplattform
verbunden sein sollten.
Ohne deutlich mehr finanzielle Mittel
werde sich eine neue Innovationsfähigkeit nicht erreichen lassen,
fürchten die Militärexperten. Die Bundeswehr müsse es sich leisten
können, nicht nur vorhandenes Gerät zu verbessern, sondern parallel
deren Vernetzung voranzutreiben, moderne, weitreichende
Präzisionsmunition sowie Drohnen aller Leistungsklassen einzuführen und
darüber hinaus in Neuentwicklungen zu investieren. Schließlich habe
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zugesagt, dass Deutschland jeden
Quadratkilometer des Baltikums verteidigen werde. "Man möchte ihm
zurufen: Aber wie?", so Neitzel und Leidenberger.
Quelle: dts Nachrichtenagentur