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Nahles schließt Mindestlohn-Ausnahmen für einzelne Branchen aus

Archivmeldung vom 10.06.2014

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 10.06.2014 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Manuel Schmidt
Bild: Rainer Aschenbrenner / pixelio.de
Bild: Rainer Aschenbrenner / pixelio.de

Im Koalitionsstreit um den Mindestlohn zeigt sich Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) kompromisslos. "Ich kann nur davor warnen, darauf zu wetten, dass die politische Verabredung für irgendeine Branche am Ende nicht gilt", sagte sie in einem Interview der "Welt am Sonntag". Das gehe schief. "Ab 1. Januar 2017 gilt für alle Branchen und für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ein Mindestlohn von 8,50 Euro."

Dieser sei "überfällig in Deutschland, und wir haben es in der Regierungskoalition auch klar so verabredet", betonte Nahles. "Es kann also niemand überrascht sein, und ich bin nicht bereit, über diese Grundfrage zu verhandeln." Im Bundestag gehe sie "von einer großen Mehrheit" für das Gesetz aus. 8,50 Euro sei eine Größenordnung, "mit der wir in Ost und West gut leben können", sagte Nahles. Deutschland als stärkste Wirtschaftsnation Europas könne "diesen Mindestlohn verkraften".

Sie gehe nicht davon aus, dass es zu Arbeitsplatzverlusten komme. Vielmehr trage der Mindestlohn dazu bei, die Abwanderung von Fachkräften aus den östlichen Bundesländern zu stoppen. Nahles zeigte sich offen für den Vorschlag von Arbeitgebern und Gewerkschaften, die Untergrenze alle zwei Jahre anzupassen. "Da bin ich gesprächsbereit. Ich finde es gut, wenn sich DGB und BDA hier gemeinsam positionieren", sagte sie. "Grundlage für die Erhöhung des Mindestlohns sollten neben den Tarifsteigerungen aber auch die konjunkturelle Lage und die Beschäftigungssituation sein."

Änderungen an der umstrittenen Regelung für Praktikanten schloss Nahles aus. Diese sollen nur dann keinen Mindestlohn bekommen, wenn sie ein Pflichtpraktikum absolvieren oder das freiwillige Praktikum auf sechs Wochen befristet ist. "Ich werde das Modell der "Generation Praktikum" beenden", kündigte die Ministerin an. Wer eine Ausbildung oder ein Studium absolviert haben, werde "nicht mehr monatelang für lau ausgenutzt werden".

Mindestlohn: Stegner erinnert Kritiker an Koalitionsvertrag

In der Debatte um Ausnahmen vom Mindestlohn hat der stellvertretende SPD-Vorsitzende Ralf Stegner die Kritiker an den Koalitionsvertrag erinnert. "Die Union wird lernen müssen: Vertragstreue ist Vertragstreue", sagte Stegner der "Frankfurter Rundschau". "Nichts wird besser, wenn wir den Mindestlohn zum Schweizer Käse machen". Das gelte auch für die Forderung, Erntehelfern weniger als die vereinbarten 8,50 Euro bezahlen zu können.

"Mag sein, dass das Kilo Spargel dann 50 Cent billiger wird", sagte der SPD-Politiker. Aber das ändere nichts an dem sozialen Grundrecht, dass Menschen von ihrer Hände Arbeit leben können müssten. Das sage er gerade aus der Erfahrung in seiner Heimat Schleswig-Holstein, die mit einem hohen Anteil an Landwirtschaft und Tourismus das wichtigste Niedriglohnland in Westdeutschland sei.

Der Sozialdemokrat kann der Kritik des Wirtschaftsflügels der Union allerdings auch ein Gutes abgewinnen: "Sie macht noch einmal deutlich, dass die Idee des Mindestlohns aus der SPD kommt". Diese werde ihn am Ende auch durchsetzen.

Mindestlohn: Grüne nehmen Nahles in Schutz

Im Streit um den Mindestlohn nehmen die Grünen Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) vor Kritik aus der Union in Schutz. "Ausnahmen höhlen den Mindestlohn aus", sagte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Kerstin Andreae der "Welt". Sie führten zu einem weiteren Niedriglohnsektor. "Ein Sicherheitsnetz mit großen Lücken gibt eben keine Sicherheit."

Die Grünen-Politikerin forderte allerdings, die Auswirkungen des Mindestlohns auf den Arbeitsmarkt und die Situation Auszubildender und Jugendlicher "zeitnah und unabhängig" zu überprüfen. In Teilen der Union und in der Wirtschaft wird gefordert, das Mindestlohngesetz zu ändern. Es geht dabei insbesondere um Regelungen für Saisonarbeiter und Praktikanten. Ministerin Nahles hatte dies strikt abgelehnt.

Mindestlohn: Änderungswünsche aus Union reißen nicht ab

Trotz der Absage von Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) an Ausnahmen vom Mindestlohn reißen die Änderungswünsche aus der Union nicht ab. "Der Mindestlohn kommt, aber es muss noch Ergänzungen und Differenzierungen geben", sagte CDU-Partei- und Fraktionsvize Thomas Strobl der "Welt". "Dafür ist das Gesetzgebungsverfahren da, das wir jetzt begonnen haben." Strobl forderte Lösungen für Saisonarbeitskräfte in der Landwirtschaft. "Wir wollen auch in Zukunft regionale Lebensmittel in Deutschland produzieren können", erklärte der CDU-Politiker.

Der Vorsitzende der CDU-Mittelstandsvereinigung, Carsten Linnemann, warnte vor einem gesetzlichen Automatismus bei künftigen Mindestlohn-Erhöhungen. "Die entscheidende Frage ist, wer künftig über die Höhe des Mindestlohns bestimmt, nachdem die Politik das Ausgangsniveau von 8,50 Euro festgesetzt hat", sagte Linnemann der "Welt".

Er erinnerte daran, dass sich Union und SPD auf eine Mindestlohnkommission geeinigt hätten, die von Arbeitgeber- und Gewerkschaftsvertretern besetzt werden soll. "In der sozialen Marktwirtschaft können verantwortungsvoll nur die Sozialpartner über die Lohnfindung entscheiden", erklärte Linnemann.

Arbeitgeber und Gewerkschaften hatten vorgeschlagen, den Mindestlohn alle zwei Jahre anzupassen und dabei an die Entwicklung der Tariflöhne zu koppeln. Arbeitsministerin Nahles hatte sich gesprächsbereit gezeigt. "Wer für eine automatische Steigerung des Mindestlohns nach der Entwicklung der Tariflöhne plädiert, will die Kommission faktisch entmachten", warnte Linnemann. "Wenn wir einen Automatismus per Gesetz beschließen, brauchen wir keine Kommission mehr." Dann reiche ein Fax des Statistischen Bundesamts. Der allseits beschworenen Tariffreiheit wäre damit ein "Bärendienst" erwiesen.

Quelle: dts Nachrichtenagentur

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