NRW-Landtag beschließt seine Auflösung
Archivmeldung vom 14.03.2012
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDer Landtag in Nordrhein-Westfalen hat am Mittwochabend seine Auflösung beschlossen. Ein entsprechender Antrag wurde von allen anwesenden Abgeordneten in Düsseldorf angenommen. Eine breite Mehrheit galt bereits im Vorfeld als sicher. Die Abgeordneten machten damit den Weg für Neuwahlen frei, die nun binnen 60 Tagen stattfinden müssen. Als Termine sind derzeit der 6. oder 13. Mai im Gespräch.
Nach jüngsten Umfragewerten sind CDU und SPD bei den Wählern gleichauf. In einer repräsentativen Umfrage des Instituts YouGov im Auftrag des "Kölner Stadt-Anzeigers" (Donnerstagausgabe) und Sat /NRW sprachen sich jeweils 33 Prozent der Wähler im Land für die CDU beziehungsweise die SPD aus, wenn an diesem Sonntag gewählt würde.
Für die CDU hat bereits Bundesumweltminister Norbert Röttgen seine Bereitschaft zur Spitzenkandidatur signalisiert. Auch die Piratenpartei rechnen sich gute Chancen aus. Der Vorsitzende der Piratenpartei in Nordrhein-Westfalen, Michele Marsching, hat als Ziel seiner Partei für die bevorstehende Neuwahl des Landtags "5 Prozent plus X" ausgerufen. "Wir sind vorbereitet", sagte Marsching "RP Online", dem Internetportal der "Rheinischen Post". Im anstehenden Wahlkampf werde die Partei vor allem auf die Themen Bildungspolitik und Kommunalfinanzen setzen. Die Landesliste wollen die Piraten laut Marsching mit 40 Namen besetzen.
Am Mittwochmorgen hatte der Landtag in Nordrhein-Westfalen den Haushaltsentwurf der rot-grünen Regierung für den Bereich Inneres abgelehnt. Damit galt der gesamte Etat als gescheitert und die Minderheitsregierung von Hannelore Kraft (SPD) nach knapp zwei Jahren an Ende. Der Entwurf von Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) sah Ausgaben in Höhe von rund 58 Milliarden Euro und 3,6 Milliarden Euro an neuen Krediten vor. CDU und FDP hatten mehr Einsparungen sowie weniger Schulden gefordert. Die Linke forderten deutlich mehr soziale Ausgaben.
Ex-Innenminister Hirsch begrüßt Neuwahl in Nordrhein-Westfalen
Der Liberale Burkhard Hirsch hat die Neuwahlen in Nordrhein-Westfalen begrüßt. "Wir sind einfach an Minderheitenregierungen nicht gewöhnt, obwohl sie funktionieren können", sagte Hirsch dem Deutschlandfunk. Ihm sei eine klare Kante auch lieber als das "ständige Herumgewürge", ob nun die eine Fraktion oder der einzelne Abgeordnete zustimmen oder nicht. Hirsch halte die Meinung des Landtages, dass mit der zweiten Lesung der Haushalt definitiv abgelehnt sei, "für wirklich falsch", unterstütze jedoch das Ergebnis der Neuwahl. Der Ex-Innenminister sieht auch eine Chance für die FDP. "Ich bin an sich sicher, dass trotz aller Meinungsumfragen die FDP bei einer solchen Wahl die fünf Prozent überschreiten wird", sagte Hirsch.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat eine Neuwahl in Nordrhein-Westfalen befürwortet und sieht die Bundesebene von dem Scheitern der dortigen rot-grünen Minderheitsregierung unberührt. "Die Arbeit auf der Bundesebene ist völlig unabhängig von der Arbeit in den Ländern", sagte Merkel in Berlin und ergänzte: "Wenn es in Nordrhein-Westfalen zu Neuwahlen kommen sollte, dann glaube ich, ist das gut und richtig, dass wir dort nicht mehr eine Minderheitenregierung haben."
Kraft geht zuversichtlich in die Neuwahlen
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) geht optimistisch in die anstehenden Neuwahlen. "Wir sind da sehr zuversichtlich", sagte sie im "Phoenix"-Interview. "Wir haben 20 Monate lang dieses Land gut regiert und ein ganzes Stück vorangebracht." Als Beispiele nannte sie die Themen Kinder und Bildung. "Der Schulkonsens war historisch", sagte sie. Zudem sei die Handlungsfähigkeit der Kommunen ein Stück weit wiederhergestellt worden. "Auf diesem Weg wollen wir gerne weitermachen und dafür stellen wir uns dem Wählervotum." Eine Minderheitsregierung sei ein Konstrukt auf Zeit, so Kraft weiter. Gradmesser sei die Handlungsfähigkeit, wofür wiederum der Haushalt entscheidend sei. Dennoch zeigte sie sich überrascht über den Zeitpunkt der Entscheidung.
Oppermann sieht Röttgen aus der Verantwortung fliehen
SPD-Parlamentsgeschäftsführer Thomas Oppermann hat Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) vorgeworfen, "aus der Verantwortung zu fliehen". Röttgen, der als Spitzenkandidat für die CDU in Nordrhein-Westfalen antreten wird, sei in Berlin an der Energiewende gescheitert und er werde in NRW an Hannelore Kraft scheitern, sagte Oppermann der "Rheinischen Post" (Donnerstagausgabe). "Wer sich beim Thema Solarförderung noch nicht einmal gegen Wirtschaftsminister Rösler durchsetzen kann, der ist nicht gut genug für NRW", sagte Oppermann. Der SPD-Politiker erklärte: "Am Ende wird er in der Opposition im Düsseldorfer Landtag landen." Am Mittwochmorgen war der Haushalt im NRW-Landtag gescheitert. Eine Mehrheit für die Auflösung des Landtages gilt als sicher. Neuwahlen müssen dann binnen 60 Tagen nach der Entscheidung anberaumt werden.
Dobrindt wirft Rot-Grün politisches Dauerversagen vor
CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt hat Rot-Grün politisches Dauerversagen vorgeworfen und stellt die Regierungsfähigkeit rot-grüner Bündnisse grundsätzlich infrage. "Rot-Grün in NRW scheitert nicht nur an der katastrophalen Finanzpolitik, sondern auch an zwei Jahren politischen Dauerversagens und wackeligen Koalitionsverhältnissen", sagte Dobrindt der Tageszeitung "Die Welt" (Donnerstagsausgabe). "Wieder eine rot-grüne Regierung, die krachend an ihrer eigenen Unfähigkeit zerbricht." Rot-Grün, so Dobrindt, sei die pure Instabilität. Dagegen sieht der aus Nordrhein-Westfalen stammende SPD-Politiker Dieter Wiefelspütz gute Chancen für eine Neuauflage von Rot-Grün in Düsseldorf: "Die Chancen sind groß. Die Resonanz dieser Regierung im Land ist positiv. Der Regierungsstil von Hannelore Kraft, der nicht konfrontativ, sondern konsensorientiert ist, kommt gut an", sagte Wiefelspütz der "Welt". Das bedeute nicht, dass der Sieg schon in der Tasche sei, "aber die Chancen für eine Neuauflage von Rot-Grün sind gut. Aus Sicht der SPD ist das auch die Präferenz in Nordrhein-Westfalen und im Bund." Wiefelspütz fügte hinzu, die schwarz-gelbe Koalition im Bund sei sehr schwach, das könne sich positiv für die SPD in Nordrhein-Westfalen auswirken. "Außerdem: Es ist die Opposition in Düsseldorf, die sich verzockt hat und nicht der Fehler von Rot-Grün in Düsseldorf." Sylvia Löhrmann (Grüne), stellvertretende Ministerpräsidentin in NRW, verteidigte die Entscheidung für Neuwahlen: "Eine Minderheitsregierung ist von einer konstruktiven Opposition abhängig. Im Interesse des Landes konnten wir keine taktischen Spielchen und keine Hängepartie zulassen", sagte sie der "Welt". Zuversichtlich äußerte sie sich zu den Wahlchancen ihrer Partei: "Wir Grüne haben in knapp zwei Jahren viel erreicht und unsere Wahlversprechen gehalten. Damit treten wir vor die Wählerinnen und Wähler und wollen gestärkt aus einer Neuwahl hervorgehen."
Linkspartei-Chef Ernst: "Rot-Grün hat NRW-Regierung bewusst an den Baum gesetzt"
Linkspartei-Chef Klaus Ernst hat der rot-grünen Landesregierung in NRW vorgeworfen, sie habe die Koalition absichtlich scheitern lassen. "Die Überraschung ist gespielt. Rot-Grün hat die Regierung bewusst an den Baum gesetzt", sagte Ernst den Zeitungen der WAZ-Mediengruppe. "Es hätte bis zuletzt Spielraum für Verhandlungen gegeben. Es gab nie die Bereitschaft, auf die Opposition zuzugehen. SPD und Grüne wollten keine sozialere Politik. Wir wollen eine sozialere Politik und kämpfen dafür", so Ernst weiter. "Wir haben eine Reihe von Verbesserungen durchgesetzt wie die Abschaffung der Studiengebühren. Sozialabbau und Entlassungen gibt es mit uns nicht. Das bleibt der Kurs."
Quelle: dts Nachrichtenagentur