Schavan darf Doktortitel bis zur Gerichtsentscheidung weitertragen
Archivmeldung vom 07.02.2013
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittBundesbildungsministerin Annette Schavan darf ihren Doktortitel bis zu einer gerichtlichen Entscheidung vorerst weiter tragen. Das sagte ein Sprecher der Universität Düsseldorf, wo der zuständige Fakultätsrat am Dienstag für die Aberkennung gestimmt hatte.
Die CDU-Politikerin, die sich diese Woche in Südafrika aufhält, hatte über ihre Anwälte umgehend angekündigt, gegen den Beschluss der Hochschule zu klagen. Zuständig wird das Verwaltungsgericht Düsseldorf sein. Die Frist zur Einlegung von Rechtsmitteln beträgt einen Monat.
Führende Wissenschaftler kritisieren Aberkennung von Schavans Doktortitel
Hochrangige Vertreter der deutschen Wissenschaft kritisieren die Entscheidung der Universität Düsseldorf, Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) den Doktortitel abzuerkennen. Der Präsident der Humboldt-Universität Berlin, Jan-Hendrik Olbertz, sagte dem Nachrichtenmagazin "Focus": "Vom Verfahren her ist die Entscheidung der Uni Düsseldorf anzuzweifeln. Die Bewertung der fraglichen Textpassagen hatte nicht die nötige Tiefe." Der Wissenschaftler hatte Schavan auf ihrem Arbeitsbesuch in Südafrika begleitet. Auch der Präsident der Humboldt-Stiftung, Helmut Schwarz, bekräftigte am Rande der Delegationsreise: "Eine Ministerin muss man nach ihrer Kompetenz und Leistung beurteilen", sagte er "Focus". "In dieser Hinsicht gibt es keinen Grund zum Rücktritt."
Wissenschaftsexperte befremdet über Uni-Entscheidung gegen Schavan
Der Wissenschaftsexperte und ehemalige Präsident der Westdeutschen Rektorenkonferenz, George Turner, hat sich befremdet über die Entscheidung der Uni Düsseldorf zur Aberkennung des Doktertitels für Forschungsministerin Annette Schavan (CDU) gezeigt. "Beim Verfahren, denke ich, hat die Universität Fehler gemacht", sagte Turner der "Saarbrücker Zeitung". Sie habe "nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft, sich selbst als untadelig und als unvoreingenommen gegenüber Frau Schavan darzustellen". Dazu hätte die Universität weitere Gutachten einholen müssen. Nun aber lenke sie "alle Speere auf sich", meinte Turner. Das Urteil wiege auch gegen den Doktorvater Schavans schwer. Wenn deren Täuschungsabsichten klar erkennbar seien, wie der Fakultätsrat das jetzt sage, "dann frage ich mich, was der Doktorvater und der Zweitberichterstatter gemacht haben, als sie Schavans Arbeit durchgeschaut haben".
Zugleich äußerte Turner Verständnis für den Entschluss der Ministerin, im Amt zu bleiben und den Klageweg zu beschreiten. "Das Gericht wird prüfen, ob Verfahrensfehler vorgekommen sind. Hier könnte ich mir vorstellen, dass das bestätigt wird." Wenn jemand in erster Instanz verurteilt sei und in die nächste Instanz gehe, "dann muss dieses Urteil abgewartet werden", sagte Turner.
Entzug des Doktortitels: Merkel spricht Schavan Vertrauen aus
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat Bildungsministerin Annette Schavan (beide CDU) auch nach dem Entzug des Doktortitels durch die Universität Düsseldorf ihr "volles Vertrauen" ausgesprochen. Das sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Mittwoch in Berlin. Sobald Schavan aus Südafrika zurückgekehrt sei, wolle Merkel mit ihr "in Ruhe" reden, so Seibert. Des Weiteren schätze die Kanzlerin die Arbeit der Bildungsministerin "außerordentlich".
Bosbach: Niemand in der CDU stellt Schavan in Frage
In der CDU gibt es nach Einschätzung des Vorsitzenden des Bundestags-Innenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU), niemanden, der den Verbleib Annette Schavans im Amt der Bundesbildungsministerin infrage stellt. "Ich habe in der CDU noch keinen gefunden, der jetzt nach der Düsseldorfer Entscheidung sagt, Annette Schavan sei nicht mehr haltbar", sagte Bosbach der "Rheinischen Post". Die Union sei gut beraten, ihrer Parteifreundin jetzt nicht in den Rücken zu fallen. "Ich glaube nicht, dass wir uns einen Gefallen tun würden, wenn wir jetzt unsere Ministerin und Parteifreundin im Stich lassen würden", sagte der CDU-Politiker aus Nordrhein-Westfalen. "Es ist das gute Recht von Frau Schavan, die Entscheidung gerichtlich überprüfen zu lassen", sagte Bosbach.
Deutscher Hochschulverband fordert Rücktritt von Ministerin Schavan
Der deutsche Hochschulverband hat nach dem Entzug des Doktortitels von Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) durch die Universität Düsseldorf den Rücktritt der Ministerin gefordert. "Bis zu einer gerichtlichen Entscheidung können Monate, wenn nicht Jahre vergehen. Unter diesen Umständen kann Annette Schavan ihr Amt als Bildungsministerin nicht weiter ausfüllen", sagte der Präsident des Verbandes, Bernhard Kempen, der "Welt".
Schavan hatte angekündigt, gegen die Entscheidung klagen zu wollen, politische Freunde hatten sie als "Farce" bezeichnet. Kempen, der selbst Jurist ist, bewertet die Erfolgsaussichten skeptisch: "Die Entscheidung der Universität Düsseldorf ist nicht evident rechtswidrig. Für uns ist nicht erkennbar, wieso die Aberkennung des Titels auf einem fehlerhaften Verfahren beruhen sollte. Indiskretionen sind inakzeptabel, aber sie machen das Verfahren als solches nicht fehlerhaft." Nach den Plagiatsfällen der letzten Jahre sieht Kempen nun die Hochschulen in der Verantwortung. "Jede Aberkennung eines Titels ist eine Schlappe für die Universitäten. Es ist nun Aufgabe der Hochschulen, in Zukunft genauer hinzusehen und mehr zu kontrollieren. Die Hochschulen müssen zu einheitlichen Regeln für wissenschaftliches Arbeiten kommen", sagte er.
An den Gesetzgeber appelliert Kempen, das Verwaltungsrecht zu überdenken. "Der Gesetzgeber muss darüber nachdenken, auch im Verwaltungsrecht Verjährungsfristen einzuführen." Die politische Leistung Schavans könne sich indes sehen lassen, meint Kempen: "Die Wissenschaftsszene wird auf ihren Rücktritt sicher nicht mit Erleichterung reagieren."
Senioren-Union stärkt Schavan den Rücken
Der Vorsitzende der Senioren-Union in der CDU, Otto Wulff, hat Bundesbildungsministerin Annette Schavan den Rücken gestärkt. "So lange das rechtlich nicht geklärt ist, kann sie im Amt bleiben", sagte er dem "Kölner Stadt-Anzeiger" mit Blick auf ihre angekündigte Klage gegen die Aberkennung des Doktortitels. "Letzten Endes liegt die Entscheidung bei ihr selbst." Wulff äußerte allerdings Zweifel, ob ein Verbleib im Amt politisch machbar sei. "Das durchzustehen, wird nicht einfach", erklärte er.
Quelle: dts Nachrichtenagentur