Wulffs Sylt-Urlaub "längst bekannt"? - Anwalt des Präsidenten beruft sich auf NDR-Berichterstattung
Archivmeldung vom 08.02.2012
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittNach der Berichterstattung der "Bild"-Zeitung über einen Aufenthalt des heutigen Bundespräsidenten Christian Wulff in einem Sylter Hotel hat der Anwalt Wulffs am Mittwoch (8.2.) betont, der Sachverhalt sei "längst bekannt" und auf einen Bericht des NDR verwiesen. Am 24. Januar hatte das NDR Fernsehen in der Sendung "Menschen und Schlagzeilen" über zwei Aufenthalte Wulffs auf Sylt berichtet, darunter der Urlaub im Jahr 2007 im Hotel Stadt Hamburg.
Bei beiden Urlauben hatte Filmproduzent David Groenewold die Reise reserviert und organisiert. Wulffs Anwalt Gernot Lehr teilte im Januar dem NDR mit, "Herr Wulff übergab Herrn Groenewold den von ihm verauslagten Betrag während des Aufenthaltes in den Räumlichkeiten des Hotels Stadt Hamburg". Demnach erstattete Wulff Groenewold Hotelkosten in Höhe von 774 Euro in bar.
Wie damals berichtet, übernachtete Familie Wulff außerdem vom 9. bis 16. August 2008 in einer Ferienwohnung in Kampen. Auch hier zahlte Wulff den Rechnungsbetrag in Höhe von 1540 Euro ebenfalls in bar an Groenewold, so Wulffs Anwalt gegenüber der Redaktion "Menschen und Schlagzeilen" des NDR. Die Organisation und Reservierung über Groenewold sei aus Diskretionsgründen erfolgt, so Groenewolds Anwalt damals.
Nach Informationen des NDR hat der Filmproduzent David Groenewold bei seinem Besuch Ende Januar im Hotel Stadt Hamburg auf Sylt keine Originalunterlagen, sondern lediglich Kopien erhalten. Das teilte das Management des Hotels dem NDR mit. Weiter bestätigte die Geschäftsleitung einen Bericht von "Bild", wonach Groenewold in einem Telefonat am 16. Januar 2012 "um vertrauliche Behandlung" der Unterlagen "insbesondere gegenüber Journalisten" gebeten hatte.
Unklar ist, ob diese Aktivitäten von David Groenewold im Zusammenhang mit den NDR-Recherchen stehen, etwa einer Anfrage vom 16. Januar 2012. An diesem Tag hatte der NDR bei Christian-Oliver Moser, dem Anwalt von Groenewold, eine Anfrage zu dem ebenfalls über Filmproduzenten abgerechneten Sylt-Urlaub von Wulff im Jahr 2008 gestellt.
BILD-Berichterstattung über David Groenewold entbehrt jeder Grundlage - Hotel Stadt Hamburg bestätigt schriftlich, dass es keinen Manipulations-Versuch gab
Das Hotel Stadt Hamburg hat in einer schriftlichen Stellungnahme gegenüber David Groenewold bestätigt, dass dieser zu keinem Zeitpunkt darum gebeten hat, die Unterlagen zum Aufenthalt im Oktober 2007 zu vernichten oder zu manipulieren. Dieses Schreiben lag dem für die Berichterstattung mitverantwortlichen BILD-Journalisten Martin Heidemanns zur Kenntnis vor. "Damit entbehrt der durch die BILD vermittelte Verdacht, dass unser Mandant versucht habe, Unterlagen bezüglich eines gemeinsamen Sylt-Aufenthaltes mit Familie Wulff verschwinden zu lassen oder Informationen hierüber zu vertuschen, jeder Grundlage", betont Christian-Oliver Moser, Anwalt von David Groenewold. "Trotz der klaren und eindeutigen Ausführungen insbesondere in Ziff. 4 des Schreibens (Zitat: "Sie baten uns zu keinem Zeitpunkt darum, die Unterlagen zu Ihrem Aufenthalt in unserem Hause zu vernichten, zu manipulieren oder ähnliches.") hat sich die BILD bewusst über diese ihr bekannten Informationen hinweggesetzt und aus unserer Sicht in rechtswidriger Weise einen Vertuschungsvorwurf konstruiert", betont Moser.
Der Umstand des gemeinsamen Sylt-Aufenthaltes im Jahr 2007 sei zudem gegenüber verschiedenen Medienvertretern bereits vor über 2 Wochen zusammen mit weiteren Angaben zu einem weiteren Sylt-Aufenthalt im Jahr 2008 öffentlich bekannt gemacht worden. Insoweit handele es sich - anders als der BILD-Titel suggeriert - um keine neue Information. Auch dem erneut erweckten Eindruck, dass David Groenewold geschäftliche und private Interessen miteinander vermengt habe, sei seitens der Kanzlei in der Vergangenheit mehrfach öffentlich entgegengetreten worden, zum Beispiel bezüglich des von der BILD herangezogenen Komplexes "Landesbürgschaft Niedersachsen" in einer Pressemeldung vom 16. Januar 2012.
Im Hinblick auf die aktuelle Berichterstattung in BILD werde seine Kanzlei, so Christian-Oliver Moser, die geeigneten rechtlichen Schritte für David Groenewold ergreifen: "Wir werden neben den üblichen presserechtlichen Ansprüchen wie Gegendarstellung und Unterlassung auch eine Beschwerde beim Deutschen Presserat zu den Recherchemethoden der BILD-Zeitung einreichen".
Der Tagesspiegel: Wulff-Urlaub auf Sylt Fall für Staatsanwaltschaft
Die Staatsanwaltschaft in Hannover untersucht den gemeinsamen Urlaub des ehemaligen Ministerpräsidenten von Niedersachsen, Christian Wulff, und des Unternehmers David Groenewold 2007 auf der Nordseeinsel Sylt. "Wir nehmen die Berichterstattung darüber mit großem Ernst zur Kenntnis", sagte Sprecher Hans-Jürgen Lendeckel dem "Tagesspiegel" (Donnerstagsausgabe). Teil der "gründlichen Untersuchung" sei auch die Berichterstattung über den angeblichen Versuch des Unternehmers Groenewold, Hotel-Belege über den gemeinsamen Urlaub mit Wulff und seiner Frau Bettina in seinen Besitz zu bekommen, betonte Lendeckel.
Quelle: NDR Norddeutscher Rundfunk / Rechtsanwalt Christian-Oliver Moser / Der Tagesspiegel (ots)