Linke-Chefin nennt Entscheidung zu Böhmermann "politischen Skandal"
Archivmeldung vom 16.04.2016
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittFür Linke-Chefin Katja Kipping ist die Entscheidung der Bundesregierung, eine Strafverfolgung des Satirikers Jan Böhmermann zuzulassen, ein "politischer Skandal".
Kipping sagte "Bild am Sonntag": "Bundeskanzlerin Angela Merkel buckelt vor einem Despoten, der die Freiheit der Presse und der Kunst in der Türkei stückweise abschafft, und macht den Weg frei für ein Strafverfahren, das auf einem unmodernen Paragrafen zur Majestätsbeleidigung fußt."
Im Fall Böhmermann stellt sich der ehemalige Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) hinter die Entscheidung von Bundeskanzlerin Merkel, ein Strafverfahren nach Paragraf 103 des Strafgesetzbuchs gegen den ZDF-Moderator zuzulassen. Gegenüber "Bild" sagte Schily: "Die Bundesregierung hat richtig entschieden, es den unabhängigen deutschen Gerichten zu überlassen, welche rechtlichen Konsequenzen aufgrund dieses Vorganges zu ziehen sind." Damit widerspricht der Ex-Bundesinnenminister offen den SPD-Ministern Frank-Walter Steinmeier und Heiko Maas, die Merkels Entscheidung kritisiert hatten.
Schily sagte weiter: "Das Machwerk des Herrn B. ist eine plumpe, widerliche, absichtsvolle Beleidigung des Staatsoberhauptes eines befreundeten Landes." Für eine solche "vorsätzliche Beleidigung" könne "nicht der Schutz der Meinungsfreiheit beansprucht werden".
Unterstützung bekam Merkel auch vom früheren EKD-Ratsvorsitzenden Bischof Wolfgang Huber, der sich für eine Abschaffung des umstrittenen Strafrechts-Paragrafen 103 ausgesprochen hat. Es sei "höchste Zeit", diesen Paragrafen abzuschaffen, sagte Huber gegenüber "Bild": "Vor Gott und vor Gericht sind alle Menschen gleich; auch bei Beleidigungen kann es nicht zweierlei Recht geben."
Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) unterstützt Merkel, gleichzeitig kritisierte sie den in diesem Fall umstrittenen Strafrechts-Paragrafen 103. Zu "Bild" sagte die Ministerin: "Ich bin auch für die Abschaffung dieses Paragrafen."
Auch der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft Rainer Wendt lobte Merkels Entscheidungen: "Kanzlerin Merkel hat gleich zweimal recht: Erstens lässt sie die Strafverfolgung zu. Das ist in einem Rechtsstaat auch selbstverständlich. Zweitens schafft sie den überflüssigen Majestätsbeleidigungsparagrafen ab. Das ist längst überfällig."
Dagegen kritisierte die ZDF-Moderatorin Maybrit Illner die Entscheidung Merkels. Der Fall Böhmermann sei zu einer "absurden Staatsaffäre" geworden, sagte Illner gegenüber "Bild ". Es sei eine "traurige Pointe, dass Jan Böhmermann jetzt aufgrund eines Paragrafen angeklagt wird, den die Politik für komplett überholt hält".
Schauspieler Til Schweiger zeigte sich fassungslos. "Was ich von Jan Böhmermann halte, ist hinlänglich bekannt - gar nichts. Aber wie unsere Regierung hier vor einem Präsidenten kuscht, der in seinem Land die Meinungsfreiheit mit den Füßen tritt - uns aber gleichzeitig sagt, wir sollen uns aus seiner Politik raushalten - das macht mich fassungslos", sagte Schweiger gegenüber "Bild".
Oppermann weitet Kritik an Merkel aus
SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann hat seine Kritik an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wegen der Ermächtigung zu Strafermittlungen gegen den Satiriker Jan Böhmermann nach §103 STGB bekräftigt und ausgeweitet, sich aber zugleich von Böhmermanns umstrittenen "Schmähgedicht" über den türkischen Präsidenten Erdogan distanziert. Oppermann sagte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe, es obliege nicht einer Regierung, darüber zu befinden, ob bei der Ausübung von Meinungs- und Kunstfreiheit Strafgesetze verletzt worden seien. Eine Strafverfolgung von Satire wegen "Majestätsbeleidigung" passe nicht in eine moderne Demokratie. Er halte Merkels Entscheidung für falsch.
Oppermann fügte hinzu, Merkel habe sich schon zuvor durch die öffentliche Kritik an Böhmermanns Beitrag "ohne Not in eine schwierige Situation gebracht". Der SPD-Politiker stellte klar: "Ich persönlich finde das Schmähgedicht inhaltlich abstoßend. Ob das unter den Schutz der Satire fällt, ist eine Abwägungsfrage." Zu welchem Ergebnis die Gerichte kämen, sei "schwer vorherzusagen". Oppermann sprach sich dafür aus, den umstrittenen Paragrafen 103 des Strafgesetzbuches, der den Umgang mit einer Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhauptes regelt, "möglichst schnell" ersatzlos zu streichen. Merkel hatte dagegen am Freitag einen anderen Zeitplan angekündigt: Sie will die Abschaffung des Paragrafen in dieser Wahlperiode beschließen lassen, die Änderung könnte aber womöglich erst 2018 in Kraft treten.
Quelle: dts Nachrichtenagentur