Bundesländer fordern Rückverlagerung von Medikamentenproduktion
Archivmeldung vom 26.01.2020
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Freigeschaltet durch André OttAngesichts der anhaltenden Lieferengpässe bei Medikamenten fordern mehrere Bundesländer eine Rückverlagerung von Teilen der Arzneimittelproduktion nach Deutschland und Europa. Das ergab eine Umfrage der "Welt am Sonntag" unter den Gesundheitsministerien der Länder.
Auch in den Bundestagsfraktionen stößt diese Idee auf Zustimmung. "Ich fordere von der Bundesregierung rasche Schritte für eine verstärkte Arzneimittelproduktion in Deutschland und der Europäischen Union", sagte Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) der Zeitung. Es sei wichtig, "schnell etwas gegen die wachsende Abhängigkeit von außer-europäischen Ländern bei lebenswichtigen Arzneimitteln zu unternehmen", so die CSU-Politikerin weiter.
Derzeit sind laut Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) knapp 300 wichtige Arzneien, darunter Medikamente zur Krebsbehandlung, Narkosemittel oder Präparate zur Behandlung von Epilepsie, nicht lieferbar. Die Anzahl der nicht verfügbaren Rabattarzneimittel hat sich nach Angaben der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) in nur einem Jahr von 4,7 (2017) auf 9,3 (2018) Millionen Packungen verdoppelt. Neben Bayern plädieren auch Niedersachsen, Thüringen, Brandenburg und Sachsen für eine Rückverlagerung oder zumindest die Ansiedelung von zusätzlichen Fertigungsstätten in Europa, um auf diese Weise die teilweise angespannte Versorgungslage zu verbessern.
"Die Verlagerung der Produktion von Wirkstoffen und Arzneimitteln nach Europa würde dabei vor allem die gewachsene Abhängigkeit von Drittstaaten mindern", teilte das Gesundheitsministerium Thüringen der "Welt am Sonntag" mit. Aus dem niedersächsischen Ministerium hieß es, man habe sich bereits im vergangenen Jahr dafür ausgesprochen, dass "deutlich stärker auf Produktionsstandorte innerhalb der EU und des Europäischen Wirtschaftsraums gesetzt wird. Die Bundesregierung hat sich zu diesen Vorschlägen bisher leider nicht geäußert."
Zugleich wird der Ruf nach einer europäischen Lösung lauter: Aufgrund des freien Warenverkehrs in der EU sei "eine zentrale Strategie notwendig", erklärte das Gesundheitsministerium in Thüringen.
Ein gemeinsames Vorgehen der Europäischen Union und eine Rückverlagerung von Teilen der Produktion stößt auch in den Bundestagsfraktionen auf Zustimmung. Natürlich würde Letzteres höhere Preise für Medikamente bedeuten, sagte Christine Aschenberg-Dugnus, gesundheitspolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, der "Welt am Sonntag". Qualität und Lieferfähigkeit hätten aber "ihren Preis. Nur billig reicht nicht", so die FDP-Politikerin weiter. Die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Sabine Dittmar, kündigte an, man werde das Thema Lieferengpässe "im Rahmen der deutschen Ratspräsidentschaft auf die Tagesordnung setzen".
Die Industrie steht dem Vorschlag dagegen skeptisch gegenüber. "Europa kann viel tun, um die Sicherheit der Arzneimittelversorgung zu stärken: Dabei kann es ruhig selbstbewusst vorgehen und sich fragen, wie es dazu beitragen kann, höchste Produktionsstandards weltweit zu etablieren", sagte Han Steutel, Präsident des Verbands forschender Arzneimittelhersteller, der "Welt am Sonntag". Ein "Zurückdrehen der Globalisierung" sei allerdings wenig aussichtsreich.
Quelle: dts Nachrichtenagentur