Vorratsdatenspeicherung: Polizeigewerkschaft warnt Union vor Schnellschuss
Archivmeldung vom 11.12.2013
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtDie Deutsche Polizeigewerkschaft stützt die Forderung aus der SPD, mit einem Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung zu warten, bis der Europäische Gerichtshof (EuGH) über eine entsprechende EU-Richtlinie entschieden hat: "Es macht keinen Sinn, jetzt einen Schnellschuss zu machen, der möglicherweise nach einer EU-Gerichtsentscheidung wieder korrigiert werden muss", sagte Verbandschef Rainer Wendt "Handelsblatt-Online". "Wir haben jetzt einige Jahre, dank der FDP-Verweigerungspolitik, völlig ohne Vorratsdatenspeicherung auskommen müssen, einige Monate Verzögerung zugunsten einer gerichtsfesten Lösung sind akzeptabel."
Aber, fügte Wendt hinzu, es dürfe "kein Zweifel darüber entstehen, dass die Vorratsdatenspeicherung kommen wird". Die Union dringt hingegen auf eine rasche Einführung der Vorratsdatenspeicherung, auf die sich CDU/CSU und SPD in ihrem Koalitionsvertrag verständigt haben.
Der Vize-Vorsitzende der Unions-Bundestagsfraktion, Günter Krings, wies rechtliche Bedenken mit dem Hinweis zurück, dass nach den Koalitionsplänen die Provider und nicht der Staat Verbindungsdaten für sechs Monate speichern dürften. "Wenn es dann Hinweise auf Kinderpornographie oder einen Terroranschlag gibt, sollen die Sicherheitsbehörden die Daten anfordern können", sagte der CDU-Politiker "Handelsblatt-Online".
Krings wandte sich zudem mit deutlichen Worten gegen Äußerungen von Telekom-Chef Rene Obermann, der der Bundesregierung und der EU-Kommission vorgeworfen hatte, die Abhöraffäre um den US-Geheimdienst NSA nur schleppend aufzuklären. "Ich verstehe die Leisetreterei nicht", hatte Obermann dem "Handelsblatt" vom Montag gesagt. Dem widersprach Krings.
"Eine Leisetreterei kann ich nicht erkennen", sagte der CDU-Politiker. "Man klärt als Bundesregierung am besten dadurch auf, dass man selbst intensiv analysiert, was in Deutschland passiert, und die amerikanischen Partner dafür gewinnt, sich nicht gegenseitig auszuspähen", betonte er. "Um dabei Erfolg zu haben, kann man nicht immer auf dem offenen Marktplatz agieren."
Gabriel stößt mit Haltung zur Vorratsdatenspeicherung auf scharfe Kritik
SPD-Chef Sigmar Gabriel stößt mit seiner Haltung zur Vorratsdatenspeicherung auf scharfe Kritik. Hintergrund ist, dass der Chef der Sozialdemokraten den weltweiten Protest von Hunderten Schriftstellern gegen die systematische Überwachung im Internet durch die Geheimdienste lobte und zugleich die Erwartung äußerte, dass ein solcher Aufruf in der Politik nicht ungehört bleiben dürfe.
Der Grünen-Innenexperte Konstantin von Notz kritisierte, dass die Äußerungen Gabriels mit den Plänen der SPD in der Großen Koalition "überhaupt nicht" zusammengingen. "Wer diesen beeindruckenden Weckruf hört, aber die verfassungsrechtlich hochproblematische Vorratsdatenspeicherung wieder einführen will, hat nichts verstanden", sagte von Notz "Handelsblatt-Online". In Zeiten der totalen Überwachung wollten Union und SPD ein weiteres Instrument anlassloser Massenspeicherungen einführen. "Das ist ein bürgerrechtlicher Offenbarungseid, mit dem diese Große Koalition startet."
Der Vize-Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Jan Korte, sagte: "Ich meine, die Autoren und große Teile der Bevölkerung erwarten substanzvolle Antworten der Politik, keine jovialen und nicht zu Ende gedachten Kommentare. Wer die Vorratsdatenspeicherung durchsetzt, sollte besser still sein. Das ist nur noch heuchlerisch." Korte ist auch Mitglied im Parlamentarischen Kontrollgremium zur Überwachung der deutschen Geheimdienste.
Der netzpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Lars Klingbeil, wandte sich gegen die im Koalitionsvertrag mit der Union getroffene Vereinbarung zum Abschöpfen von Bürgerdaten. Die Union habe in den Koalitionsverhandlungen massiv auf die Datenspeicherung gedrängt und sogar weitergehende Forderungen wie die Internetknotenüberwachung gehabt. "Mir war wichtig, dass die neue Bundesregierung auf europäischer Ebene auf eine Überarbeitung der EU-Richtlinie drängt", sagte er "Handelsblatt-Online".
Diese Neuverhandlung sei ein "notwendiger Schritt, der in Deutschland mit einer grundsätzlichen Debatte über die Konsequenzen aus dem NSA-Skandal einhergehen würde", betonte Klingbeil und warnte davor, jetzt vorschnell Gesetze in Angriff zu nehmen. "Ich kann nur raten, das ausstehende Urteil des Europäischen Gerichtshofes zur EU-Richtlinie abzuwarten", sagte er.
Quelle: dts Nachrichtenagentur