SPD zurückhaltend bei FDP-Vorstoß für strengere Migrationspolitik
Archivmeldung vom 07.10.2024
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Freigeschaltet durch Sanjo BabićBeim Koalitionspartner SPD wird der Vorstoß der FDP für migrationspolitische Verschärfungen zurückhaltend zur Kenntnis genommen.
Dirk Wiese, der Vizevorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, sagte der
"Welt", derzeit werde das Sicherheitspaket mit migrationspolitischen
Gesetzesänderungen "in der Ampel-Koalition verhandelt. Diese Gespräche
gilt es abzuwarten. Wir sollten uns davor hüten, den Ton in der Debatte
zu überdrehen. Das stärkt am Ende nur den rechten Rand. Gerade an die
Adresse der FDP sage ich: Wir brauchen klare Regelungen, aber auch die
Offenheit, Migration als Chance für den Arbeitsmarkt zu begreifen."
Der
FDP-Fraktionsvorstand hatte am Wochenende ein "Neun-Punkte-Papier" für
eine strengere Migrationspolitik beschlossen, das mehrere Vorschläge
aufgreift, die von schwarz-grün regierten Bundesländern vorgebracht
worden waren. Stephan Thomae, der Parlamentsgeschäftsführer der FDP,
sagte der "Welt": "Die Signale aus den Ländern zeigen, dass jetzt selbst
in schwarz-grün regierten Ländern Nordrhein-Westfalen,
Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein die Bereitschaft vorhanden ist,
die von uns geforderte Migrationswende umzusetzen. Das begrüßen wir,
aber es reicht nicht aus." Zusätzlich müssten Anreize für die
Sekundärmigration nach Deutschland beseitigt werden. Daher sei es
"notwendig, die Leistungen für ausreisepflichtige Asylbewerber auf die
Deckung von Grundbedürfnissen wie Nahrung, Wohnung, Kleidung,
Körperhygiene und Medikamente zu reduzieren. Alle darüberhinausgehenden
Geld- und Sachleistungen müssen bis auf die Rückreisekosten eingestellt
werden."
Alexander Throm (CDU), innenpolitischer Sprecher der
Union, sagte der "Welt": "Nachdem die FDP zu Beginn der Ampel-Koalition
zuerst die Sozialleistungen erhöht hat und Bleiberechte für abgelehnte
Asylbewerber ausgeweitet hat, merkt sie so langsam, was sie damit
angerichtet hat." Es sei "gut, dass sie nun zurückrudert". Throm hält es
für richtig, "Sozialleistungen für Geduldete, deren Ausreise objektiv
möglich ist, auf das absolute Mindestmaß und eine Beihilfe zur
Heimreise" zu reduzieren.
Für AfD-Sozialpolitiker René Springer
geht "der Vorschlag der FDP zu Ausdehnung von Leistungskürzungen bei
Ausreisepflichtigen über Dublin-Fälle hinaus am eigentlichen Problem
völlig vorbei". Wer vollziehbar ausreisepflichtig sei und unser Land
nicht freiwillig verlasse, müsse umgehend in Abschiebehaft genommen
werden. "Dort gibt es dann nur noch eine Grundversorgung, nämlich Brot,
Bett und Seife."
Clara Bünger, Migrationsexpertin der
Linke-Gruppe, sagte: "Die Forderung der FDP, Leistungen für
ausreisepflichtige Menschen faktisch auf null zu kürzen, widerspricht
dem vom Bundesverfassungsgericht mehrfach als unantastbar erklärten
Existenzminimum, welches auch für Ausreisepflichtige gilt. Der Vorschlag
ist daher verfassungswidrig."
Der Ausländerrechts-Professor
Daniel Thym sieht ebenfalls hohe rechtliche Hürden, die allerdings
überwindbar seien. "Eine Absenkung der Leistungen auf das physische
Existenzminimum für Ausreisepflichtige wäre mit einem erheblichen
Prozessrisiko behaftet. Noch größer wäre das Risiko, falls sogar eine
vollständige Leistungskürzung umgesetzt würde. Aber Politik hat auch die
Möglichkeit, klarstellende Grundgesetzänderungen vorzunehmen",
argumentiert der Jurist in der "Welt". "Die Bundesregierung und das
Parlament entscheiden darüber mit, wie das Grundgesetz auszulegen ist,
und können Karlsruhe auch die Möglichkeit eröffnen, großzügige Urteile
der Vergangenheit bezüglich des Existenzminimums zu revidieren."
Quelle: dts Nachrichtenagentur