Bericht: Habeck-Mitarbeiter riet von AKW-Reservebetrieb ab
Vor der Entscheidung zur Verlängerung der Laufzeiten von drei Atomkraftwerken im Herbst 2022 hat sich offenbar auch ein Mitarbeiter von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) gegen einen AKW-Reservebetrieb ausgesprochen.
Interne Dokumente legten nahe, dass Habeck nicht, wie bisher angenommen,
mit der Richtlinienkompetenz von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD)
gezwungen werden musste, die AKWs einige Monate länger laufen zu lassen,
berichtet die "Welt am Sonntag".
Demnach geht aus interner
Kommunikation von Habecks Mitarbeitern hervor, dass die
Grünen-Regierungsmitglieder den offiziellen Vorschlag der Partei, die
AKWs in eine Reserve zu nehmen, selbst für unpraktikabel hielten. So
habe am 31. August 2022 Habecks Staatssekretär an seinen Minister
geschrieben, wer einmal abschalte, müsse in eine Revision gehen, die
mehrere Wochen dauere. Ein Mitarbeiter der Grünen-Fraktion habe auch
dementsprechend geschrieben, dass er die Reserve für nicht praktikabel
halte, so der Staatssekretär.
Laut der "Welt am Sonntag" sah
Habeck das selbst auch so. Wenn die Entwicklung "nicht doch wie durch
ein Wunder in ihr Gegenteil verkehrt wird", werden man Isar 2 und das
AKW Neckarwestheim "im ersten Quartal 2023 am Netz lassen", schrieb der
Minister demnach am 26. September 2022 an seine Leitungsabteilung. Die
Daten aus Frankreich würden "dafür sprechen, dass wir die Reserve dann
auch nutzen werden", schrieb er der Zeitung zufolge später.
Den
führenden Grünen war demnach also offenbar klar, dass ohne die AKWs die
Gefahr zu groß war, nicht über den Winter zu kommen. Öffentlich warben
sie jedoch dafür, herunterzufahren und die Anlagen nur wieder ans Netz
zu nehmen, wenn es gar nicht anders ginge. Genauso beschloss es ihr
Parteitag im Oktober. Habeck solle nur ein "befristete Einsatzreserve
für den Notfall" zugestehen.
In derselben Nacht nach Ende des
Parteitages sendete ein Staatssekretär laut der "Welt am Sonntag" dann
eine Mail an Habeck, in der er "die möglichen Verhandlungschips"
aufzählt "als Gegenleistung für einen möglichen Streckbetrieb bei
Emsland". Demnach wollten die Grünen von Scholz dafür ein
"Sofortmaßnahmenpaket Wind", "das Energieeffizienzgesetz", "Eckpunkte
für ein Gesetz zur kommunalen Fernwärmeplanung" und "100 Milliarden
zusätzlich für den Energie- und Klimafonds". Das
"Energieeffizienzgesetz" begründet der Staatssekretär dem Bericht
zufolge mit einem hohen Symbolwert "in der Szene". Tatsächlich kündigte
Scholz einen Tag später in seinem Brief zur Richtlinienkompetenz an,
dass "ein ambitioniertes Gesetz zur Steigerung der Energieeffizienz
vorgelegt" werden soll.
Scholz hatte damals behauptet, allein
entschieden zu haben. Im Oktober 2022 hatte er verleugnet, dass das
Machtwort abgesprochen war. "Weil keine Einigung zustande kam, habe ich
als Kanzler entschieden", sagte er der Zeitung. Sein Sprecher Steffen
Hebestreit besteht auch jetzt noch darauf, dass es so war.
Robert
Habeck beantwortet die Frage der "Welt am Sonntag", ob es damals einen
Deal gegeben habe, so: "Im Herbst 2022 wollte ich, dass die
Atomkraftwerke im Süden auch im Krisenwinter 2022/2023 laufen können -
und damit länger als vom schwarz-gelben Atomausstieg vorgesehen. Das
Gesetz, um die Laufzeiten für den Winter zu verlängern, war von meinem
Haus geschrieben und lag dem Kabinett vor", so Habeck. "Aber die FDP
blockierte den pragmatischen längeren Einsatz der Atomkraftwerke, weil
sie auf Maximal-Lösungen beharrte. Diese Blockade der FDP wurde dann
durch die Richtlinienentscheidung des Kanzlers überwunden."
Quelle: dts Nachrichtenagentur