SPD-Haushaltsexperte Schneider: Herumfliegerei zwischen Berlin und Bonn ist klimaschädlicher als die Bewegung der Regierungs-Dienstautos
Archivmeldung vom 20.02.2007
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Freigeschaltet durch Jens BrehlDer haushaltspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Carsten Schneider, hat dazu aufgerufen, die neue Sensibilität für den Klimaschutz auch für einen neuen Anlauf in Sachen Aufhebung des Doppel-Regierungssitzes Berlin und Bonn zu nutzen.
In einem Gespräch mit der "Leipziger Volkszeitung"
(Dienstag-Ausgabe) sagte Schneider auf tausende von Beamtenflügen
zwischen Bonn und Berlin: "Wenn die Regierung sich Sorgen macht um
die Klimaneutralität ihrer Ministerautos, dann ist das vorbildlich.
Noch viel klimaschädlicher ist aber garantiert die viele
Herumfliegerei zwischen Rhein und Spree."
Sehr viel entscheidender für sein Plädoyer für eine Aufhebung des geltenden Bonn-Berlin-Gesetzes, das die Ministerien mit Erst- und Zweit-Amtssitzen zwischen Bonn und Berlin aufteilt, sei aber die Tatsache, "dass das geltende Gesetz die Arbeitseffizienz und die Qualität der Regierungstätigkeit behindert. Man gibt viel Geld aus für eine nicht perfekte Arbeitsbasis", beklagte Schneider. Regierungsaussagen, wonach das Hauptstadt-Gesetz wegen starken Interessen der NRW-Landesgruppen bei den Abgeordneten quasi unveränderlich sei, wies Schneider zurück: "Das ist doch totaler Quatsch. Jedes Gesetz ist veränderbar. Das Bonn-Berlin-Gesetz mag ja für viele aus der Region besonders wichtig sein, aber es hat garantiert nicht den Unveränderlichkeitscharakter wie die Festlegung der Grundrechte in unserer Verfassung", meinte Schneider.
Der Sozialdemokrat begrüßte in diesem Zusammenhang ein "endlich
erwachtes Werben" seitens des Regierenden Berliner Bürgermeisters
Klaus Wowereit (SPD). "Ich halte es für absolut notwendig, dass
Berlin mal sagt: Hallo, Bundesregierung, wir wollen euch komplett.
Berlin muss schon selbst etwas tun, um etwas zu bewegen, weil
Nordrhein-Westfalen dauernd und hart für Bonn kämpft."
Wowereit hatte dem Vizepräsidenten des Berliner Abgeordnetenhauses, dem CDU-Parlamentarier Uwe Lehmann-Brauns, jetzt auf die Frage mitgeteilt, ob Berlin kurzfristig in der Lage sei, die Immobilienfrage bei einen Komplettumzug der Regierung schnell zu bewältigen: "Der Senat sieht sich zu einem kurzfristigen Angebot von Liegenschaften in der Lage." Wowereit nannte dabei unter anderem neben Teilen des vor der Schließung stehenden Flughafens Tempelhof auch ehemalige Akademie- und Kasernengelände im Berliner Zentrum, die aber in Kürze zum Verkauf ausgeschrieben werden.
Die reinen Transportkosten für den Beamten-Shuttle zwischen Bonn
und Berlin sind von Regierung und Rechnungsprüfern derzeit mit zehn
bis elf Millionen Euro jährlich angegeben worden. Unbilanziert
blieben aber bisher Fragen der Arbeitseffizienz. Ein Komplettumzug
der Regierung nach Berlin wird mit bis zu fünf Milliarden Euro
veranschlagt. Ende März wird sich der Haushaltsausschuss ein weiteres
Mal mit der Bewertung des Bonn-Berlin-Gesetzes befassen. Schneider
forderte in diesem Zusammenhang die Bundesregierung zu einer
"ehrlichen Komplett-Berechnung" der geteilten Regierungssitz-Kosten
als Beratungsgrundlage für den Haushaltsausschuss auf: "Ich bin
gespannt, ob die Regierung in der Lage ist, eine wirkliche
Effizienzberechnung zu machen, die nicht nur die Reise- und
Neubaukosten beinhaltet, sondern auch die Arbeitseffektivität
bewertet, wenn die Spitze des Hauses in Berlin ist und der Rest des
Ministeriums in Bonn sitzt."
Quelle: Pressemitteilung Leipziger Volkszeitung