Armutsmigration: Hasselfeldt verteidigt CSU-Forderung nach Sanktionen
Archivmeldung vom 04.01.2014
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittIm Streit um den Umgang mit Armutsflüchtlingen hat CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt die Forderung ihrer Partei nach schärferen Sanktionen verteidigt. Sie empfehle "allen Kritikern die genaue Lektüre unserer Vorschläge und auch des Koalitionsvertrages", sagte Hasselfeldt dem Berliner "Tagesspiegel am Sonntag".
Die CSU stehe zur Freizügigkeit in der Europäischen Union und habe auf ein Problem aufmerksam gemacht. Sie könne "darin nichts Verwerfliches erkennen", so die CSU-Politikerin. "Dass jetzt in der Bundesregierung ein Staatssekretärsausschuss eingesetzt werden soll, zeigt doch, dass das Thema nicht aus der Luft gegriffen ist." Hasselfeldt forderte befristete Wiedereinreisesperren für Zuwanderer, die sich Sozialleistungen erschleichen. Hierfür bedürfe es einer gesetzlichen Klarstellung, sagte sie. Manche nähmen eine kleine Selbstständigkeit auf oder arbeiteten nur kurz, um in den Genuss von Sozialleistungen zu kommen. Dabei gehe es um Aufstockerleistungen bei Hartz IV, um den Anspruch auf Kindergeld oder Mitversicherung in der Krankenkasse. Nicht selten werde ein Gewerbe auch "nur zum Schein angemeldet". Gleichzeitig betonte Hasselfeldt, dass sie den "gemeinsamen Geist in der Koalition" durch den Streit mit der SPD nicht gefährdet sehe. Beide Seiten hätten "den Willen, das Land gut zu regieren und dafür zu sorgen, dass sich die Lage der Menschen weiter verbessert".
SPD weist Heuchelei-Vorwurf Seehofers scharf zurück
In der Debatte über die Freizügigkeit für Arbeitnehmer aus Bulgarien und Rumänien hat die SPD den bayrischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer scharf attackiert. Hintergrund ist, dass der CSU-Chef der SPD Heuchelei vorgeworfen hatte. Es sei erschreckend, wie groß die Unkenntnis sozialdemokratischer Regierungsmitglieder über die von ihnen mitgefassten Beschlüsse sei, sagte Seehofer. Er empfehle die Lektüre des Koalitionsvertrages. Der Vorsitzende der SPD in Schleswig-Holstein, Ralf Stegner, sagte dazu "Handelsblatt-Online": "Es ist eine Sache, Probleme zu lösen und beispielsweise die besonders von Zuzug betroffenen Kommunen zu unterstützen. Es ist etwas völlig anderes, mit Hetzparolen Ängste zu schüren, um bei bayerischen Kommunalwahlen oder den Europawahlen vermeintlich Wähler davon abzuhalten, AfD oder NPD die Stimme zu geben." Vermeintlicher "Sozialbetrug" sei die "Propagandavokabel", um gegen Ausländer Stimmung zu machen, fügte das SPD-Bundesvorstandsmitglied hinzu "Das kennen wir aus Hessen, und das hat leider auch bei der CSU Tradition." Wer wirklich weniger Sozialtransfers wolle, müsse Zugänge zum Arbeitsmarkt erleichtern und nicht erschweren. Wer Fluchtursachen bekämpfen wolle, setze auf Entwicklungshilfe und nicht auf Rüstungsexport-Rekorde, sagte Stegner weiter. Er wies die CSU zugleich darauf hin, dass es im Artikel 1 des Grundgesetzes heiße: "Die Würde des Menschen ist unantastbar" und nicht: "Für den Umgang mit Ausländern gilt das Kreuther Landrecht". Daher gelte trotz allem "Verbalradikalismus" aus der Union: "Mit der SPD in der Bundesregierung gibt es weder Fingerabdrücke statt europäischer Freizügigkeit noch eine Anti-Flüchtlingspolitik."
EU-Kommission lehnt schärfere Gesetze ab
Die für die Freizügigkeit in Europa zuständige EU-Kommission in Brüssel lehnt Forderungen nach verschärften Gesetzen beim Zuzug von EU-Einwanderern strikt ab. EU-Sozialkommissar Lazlo Andor sagte der "Welt": "Wir müssen unbedingt Grundrechte wie die Freizügigkeit verteidigen und dürfen auf Zuwanderung von Menschen nicht mit Hysterie reagieren. Das EU-Recht beinhaltet eine Reihe von Schutzklauseln gegen Missbrauch - wir wollen und wir brauchen darum keine neuen Gesetze, um die Freizügigkeit einzuschränken." Andor räumte ein, dass in einigen Kommunen durch den Zuzug von EU-Migranten Belastungen entstehen können, etwa im Bildungsbereich, am Wohnungsmarkt oder bei den Sozialausgaben. "Man muss diese Probleme angehen, beispielsweise dadurch, indem man einen Teil der zusätzlichen Steuereinnahmen, die der Staat durch zugezogene ausländische Arbeitnehmer erhält, dafür verwendet", sagte der EU-Kommissar aus Ungarn. Neue Schranken gegen ausländische Arbeitnehmer seien dagegen keine Lösung. Außerdem, so Andor weiter, könnten die Mitgliedsländer der Europäischen Union künftig mindestens 20 Prozent des milliardenschweren EU-Sozialfonds für die Integration von EU-Migranten in den Städten und Gemeinden benutzen. Die EU-Kommission will nach den Worten Andors im Februar dieses Jahres Bürgermeister aus ganz Europa einladen und mit ihnen über die soziale Integration von Zuwanderern debattieren. "In Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten bereitet die EU-Kommission Online-Trainingsmaßnahmen vor, um den zuständigen Beamten in Städten und Gemeinden dabei zu helfen, das Recht auf Freizügigkeit für EU-Bürger vollständig zu verstehen und anzuwenden". Hintergrund der Äußerungen Andors ist die seit Mittwoch geltende Freizügigkeit von Bulgaren und Rumänen innerhalb der EU und die damit verbundene Sorge vor einer Überlastung der Sozialsysteme. So will die CSU armen EU-Zuwanderern den Zugang zum deutschen Sozialsystem erschweren. Dies solle etwa durch die Aussetzung des Leistungsbezugs für die ersten drei Monate des Aufenthaltes geschehen - dies zielt auf die so genannten Hartz IV-Aufstocker ab, vor allem kleine Selbstständige aus EU-Ländern, die von ihrem Einkommen nicht leben können. Zudem forderte die CSU ein härteres Vorgehen gegen Betrüger, deren Wiedereinreise nach Deutschland verhindert werden soll.
Innenpolitiker für schnelles Handeln beim "Armutszuwanderungsproblem"
Innenpolitiker der Regierungsparteien haben sich beim Problem der Armutszuwanderung für ein schnelles Handeln ausgesprochen. Wie die "Welt" berichtet, appellierte der bisherige Vorsitzende des Bundestagsinnenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU), an den angekündigten Staatssekretärsausschuss der Bundesregierung zu dem Thema: "Die Arbeitsgruppe sollte praxistaugliche Vorschläge erarbeiten die sicherstellen, dass aus der Freizügigkeit für Arbeitnehmer der EU keine Freizügigkeit bei der Zuwanderung in unsere Sozialsysteme wird." Freizügigkeit für Bürger in der EU bedeute die freie Wahl des Arbeitsplatzes in einem EU-Mitgliedsland, nicht jedoch die freie Wahl eines sozialen Sicherungssystems, in das man einwandern möchte. "Was nützt der Ausschluss von Rechtsansprüchen auf Sozialleistungen in den ersten drei Monaten, wenn die Familie mittellos ist und auch keinen ausreichenden Krankenversicherungsschutz hat?", stellte Bosbach in Frage. "Die damit verbundenen Probleme haben dann die Kommunen." Michael Hartmann, SPD-Innenexperte, sagte der "Welt": "Wir dürfen die Probleme durch Armutsmigration nicht leugnen. Wir dürfen aber auch nicht so tun, als würden wir von Menschen vom Balkan überschwemmt." Die SPD stehe hinter einem einheitlichen Europa. "Das kommt mit Licht-, aber auch mit Schattenseiten, um die wir uns kümmern müssen", erklärte Hartmann und verwies auf Maßnahmen, die im Koalitionsvertrag vorgesehen sind. Er forderte die Union und den angekündigten Staatssekretärsausschuss auf, über die Abmachungen im Koalitionsvertrag hinauszugehen und die besonders betroffenen Kommunen nicht länger "im Regen stehen zu lassen", sondern deutlich unter die Arme zu greifen. Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) unterstützt die CSU vor ihrer Klausurtagung bei dem Anliegen, das Thema Armutsmigration schnell anzugehen: "Die Länder und vor allem die Kommunen achten zu Recht darauf, dass die Bundesregierung die im Koalitionsvertrag angekündigten Maßnahmen gegen Armutsmigration liefert." Missbrauch der Freizügigkeit schade der EU - "das kann man verschieden ausdrücken, wird aber dadurch nicht falsch", sagte Ulbig mit Blick auf den eindeutigen Satz in einem CSU-Papier "Wer betrügt, der fliegt". Im Koalitionsvertrag steht unter anderem: "Wir wollen im nationalen Recht und im Rahmen der europarechtlichen Vorgaben durch Änderungen erreichen, dass Anreize für Migration in die sozialen Sicherungssysteme verringert werden." Zudem sollen die von Armutsmigration besonders betroffenen Städte und Gemeinden unterstützt werden.
Quelle: dts Nachrichtenagentur