Vertraulicher Prüfbericht des Bundesrechnungshofes Schwere Vorwürfe gegen Bundesagentur für Arbeit
Archivmeldung vom 25.09.2006
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDer Bundesrechnungshof erhebt nach einem Bericht des ARD-Politikmagazin REPORT MAINZ schwere Vorwürfe gegen die Bundesagentur für Arbeit (BA). In einem vertraulichen Prüfbericht vom 05.07.2006 zu den so genannten Handlungsprogrammen der BA bezweifelt der Bundesrechnungshof die Rechtmäßigkeit der Vermittlungspraxis von Arbeitslosen durch die Arbeitsagenturen in Deutschland.
Wörtlich heißt es in dem 27-seitigen
Prüfbericht, der REPORT MAINZ vorliegt: "Der Bundesrechnungshof hat
Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Handlungsprogramme für Arbeitnehmer
soweit diese dazu führen, dass Marktkunden keine
Vermittlungsleistungen erhalten und Betreuungskunden aus dem
Erwerbsleben "abgedrängt" werden." Und weiter: "Für rechtlich
bedenklich halten wir auch die Zielsetzung mit Betreuungskunden "den
Rückzug aus dem Erwerbsleben zu vereinbaren".
Die eingeführten Handlungsprogramme für Arbeitnehmer sind das
Herzstück des Umbauprozesses der Bundesagentur für Arbeit. Mit den
verbindlichen Leitlinien sollen die Vermittlungs- und
Beratungsaktivitäten der BA verbessert werden. "Um für den jeweiligen
Arbeitslosen das bestmögliche Dienstleistungsangebot liefern zu
können", werden Arbeitssuchende nach "unterschiedlichen
Bedürfnisprofilen" in Marktkunden, Beratungskunden und
Betreuungskunden segmentiert.
Die so genannten Handlungsprogramme definieren den
Unterstützungsbedarf bei der Job-Suche. Für die Betreuungskunden
werden - so die BRH-Prüfer - "Ziele jenseits des ersten
Arbeitsmarktes, ehrenamtliche Tätigkeit, ... Abgang in
Erwerbsunfähigkeit, Rückzug aus dem Erwerbsleben ... vereinbart."
Scharf kritisiert der Bundesrechnungshof nach Würdigung der
rechtlichen Rahmenbedingungen die gültige Vermittlungspraxis: "Das
`Abdrängen` arbeitswilliger Arbeitssuchender aus dem Erwerbsleben ist
mit dem sozialpolitischen Auftrag der Bundesagentur nicht vereinbar,"
bilanziert der BRH. Und weiter heißt es im dem SWR vorliegenden
Prüfbericht: Die Handlungsprogramme "sind mit Sinn und Zweck der
gesetzlichen Regelungen nicht vereinbar und erscheinen nicht
geeignet, eine zweckmäßige, Arbeitslosigkeit verringernde, auf den
Einzelfall bezogene Vorgehensweise sicherzustellen."
Die Betreuungskunden," bei dem ein Mitteleinsatz aus
Wirtschaftlichkeitserwägungen nicht in Frage kommt" (Formblatt der
BA), werden bei den Beratungsgesprächen über ihre Eingruppierung
nicht informiert.
Weiter kritisiert der Bundesrechnungshof, dass es zu "dauerhaften
Fehleinschätzungen" bei der Eingruppierung in die vorgegebenen
Fallgruppen kommt. In 36% der geprüften Fälle kam es zu "nicht
nachvollziehbaren Festlegungen". Die verbindlich geforderte
Zielvereinbarung mit den Arbeitssuchenden lag in 42 % der geprüften
Fälle nicht vor. Die Zielvereinbarungen "waren größtenteils nicht
verwertbar, da sie nur floskelartige Formulierungen enthielten,
jedoch keine qualitativ und quantitativ messbaren Verhaltensweisen
vorsahen."
Die Prüfer des BRH kommen in ihrer Analyse -so der Bericht des ARD
Magazins REPORT MAINZ zu einem eindeutigen Ergebnis: "Die
Bundesagentur sollte die Handlungsprogramme für Marktkunden und
Betreuungskunden entsprechend überarbeiten."
Die Handlungsprogramme wurden für die BA u. a. von der Unternehmensberatung McKinsey entwickelt. Deren früherer Mitarbeiter Sven Schütt ist heute für die Umsetzung und Durchführung der Handlungsprogramme an führender Stelle der BA verantwortlich. Gegenüber der ARD bewertete er die Handlungsprogramme als großen Erfolg. Es gehe um das "Kerngeschäft bei der Vermittlung und Beratung. Und das gilt es natürlich zu verbessern." BA-Chef Frank-Jürgen Weise begründete gegenüber dem SWR den Einsatz von Beratern in der BA: "Sie haben mir Macht gegeben, gegen eine bestehende Organisation neue Ideen reinzubringen. Und sie haben natürlich immer in Frage gestellt. Deshalb waren einige Berater wirklich erfolgreich."
Quelle: Pressemitteilung REPORT MAINZ