SSW: Dem Norden drohen zweieinhalb Jahre Stillstand
Zur Halbzeitbilanz der schwarz-grünen Landesregierung erklärt der Vorsitzende der SSW-Landtagsfraktion, Lars Harms: Die schwarz-grüne Landesregierung hat wichtige Chancen verpasst, die Menschen im Land in Zeiten der Inflation und Krisen zu entlasten."
Harms weiter: "Leider neigt die Koalition zu Prüfaufträgen statt konkreter
Maßnahmen. Dadurch wurden viele Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag auf
die lange Bank geschoben. Angesichts der finanziellen Lage dürfte es
jetzt sehr schwer werden, diese noch umzusetzen. Das dürfte auch den
inneren Frieden der Koalition belasten, die ideologische Risse meist mit
Geld zuspachteln konnte. Denn diese Zeiten sind endgültig vorbei.
Dem Norden drohen jetzt zweieinhalb Jahre Stillstand. Und das wäre bedauerlicherweise noch das bessere Szenario. Denn tatsächlich stehen die Zeichen eher auf Rückschritt: Im öffentlichen Nahverkehr etwa, wo Strecken gestrichen werden, statt die Mobilitätswende voranzubringen. Oder in der Klimapolitik, wo die Koalition eher auf neue fossile Infrastrukturen wie CCS und LNG setzt, statt auf wirklich transformative Maßnahmen, die Emissionen nachhaltig vermeiden. Und auch bei der Kita-Reform sehen wir mit Sorge, dass nicht Elternbeiträge sinken, sondern die Qualität.
Was die Menschen künftig unter Schwarz-Grün erwartet, zeigt schließlich auch die kürzlich vorgelegte Liste geplanter Konsolidierungsmaßnahmen: Gespart werden soll zum Beispiel bei freien Schulen, im Sozialbereich und beim Verbraucherschutz. Na, dann gute Nacht!
Die Kabinettsmitglieder in der Einzelkritik:
Daniel Günther (Ministerpräsident):
Daniel
Günther ist darauf bestrebt, seine Koalition lautlos zu führen. Aus
öffentlichen Debatten hält er sich weitgehend raus, lässt seine
Ministerinnen und Minister machen – und im Zweifel auch die Konsequenzen
ausbaden. Hinter den Kulissen graue Eminenz, in der Öffentlichkeit
volksnah und jovial. Für Günthers Popularität hat sich dieser Kurs
bewährt – um den Preis, dass sein Kabinett zuweilen kopf- und planlos
wirkt.
Sabine Sütterlin-Waack (Inneres, Kommunales, Wohnen und Sport):
Gehört
zweifellos zu den tüchtigsten Akteuren des Kabinetts: Unaufgeregt,
zuverlässig, umsetzungsstark. Gleichwohl: Vom einstigen Enthusiasmus für
die Stärkung des Sports, darunter auch des E-Sports, ist in der
Koalition nichts mehr zu spüren.
Aminata Touré (Soziales, Jugend, Familie, Senioren, Integration und Gleichstellung):
Ministerin
Touré ist bemüht, die humanitäre Ausrichtung der Flüchtlingspolitik zu
bewahren in einer Zeit, die von Forderungen nach pauschalen
Abschiebungen und Grenzschließungen geprägt ist.
Ansonsten fällt ihre
bisherige Bilanz eher bescheiden aus: Die Stärken der Ministerin liegen
eher in den sozialen Medien als in der Sozialpolitik. Ihr glamouröser
Vogue-Auftritt inmitten der Inflation und ihr Umgang mit dem Fall
Samadzade zeugten zudem von wenig Fingerspitzengefühl. Da ist noch viel
Luft nach oben.
Silke Schneider (Finanzministerium):
Dr.
Silke Schneider hat einen Haushalt übernommen, der zuletzt von
Notkrediten, Inflation und der wohl kürzesten Haushaltssperre
Deutschlands geprägt war. Mein erster Eindruck: Ministerin Schneider
hört zu - auch den Vorschlägen der Opposition. Sie ist bemüht, die
Finanzen des Landes zusammen zu halten, erkennt aber auch die
Notwendigkeit von Investitionen trotz knapper Kassen. Ob sie sich damit
auch in der eigenen Koalition durchsetzen kann, bleibt abzuwarten.
Kerstin von der Decken (Justiz, Gesundheit):
Agierte
weitgehend unsichtbar, bis sie kürzlich mit einer über alle Betroffenen
hinweg geplanten Gerichtsreform die Gemüter gegen sich aufbrachte.
Beugte sich schließlich dem öffentlichen Druck, so dass die Gerichte nun
doch weitgehend in der Fläche erhalten bleiben. Den Stress hätte sie
sich und den Beteiligten ersparen können.
Ein weiterer Wermutstropfen
bleibt die Abschiebungshaftanstalt in Glückstadt. Sie ist nicht nur ein
inhumanes, sondern auch sehr teures Konzept für das Land. Unwürdiger
lässt sich Geld kaum verbrennen.
Karin Prien (Bildung, Wissenschaft, Kultur):
Karin
Prien geht ihre Sache energisch an, kann aber selten echte Fortschritte
verbuchen. In Bildungsstudien kommt Schleswig-Holstein nicht aus dem
unteren Mittelmaß heraus. Das Problem der Lehrkräfteversorgung bleibt
ungelöst, die Digitalisierung tritt auf der Stelle und Heimkinder aus
anderen Bundesländern sind bei uns immer noch nicht von der Schulpflicht
umfasst.
Im Wissenschaftsbereich fehlt es an konkreten Impulsen und
echten Fortschritten, insbesondere im Vergleich zu anderen
Bundesländern. Und auch im Kulturbereich ist Prien zwar präsent, doch es
mangelt an ambitionierten Maßnahmen, die unsere vielfältige Kulturszene
unterstützen nach harten Jahren der Pandemie und Inflation.
Tobias Goldschmidt (Energiewende, Klimaschutz, Umwelt und Natur)
Gehört
zu den glücklosen Ministern des schwarz-grünen Kabinetts. Minister
Goldschmidt schluckt nicht nur jede noch so giftige Kröte, die ihm
Robert Habeck aus Berlin vorsetzt (CCS, LNG), sondern scheitert auch
gerne mal am eigenen Koalitionspartner, etwa beim Nationalpark Ostsee.
Nach der historischen Sturmflut hat er ein eher schwaches Bild
abgegeben: Mehr Küstenschutz an der Ostsee? Fehlanzeige.
Zudem hat
Minister Goldschmidt offenbar nicht verstanden, dass die Energiewende
nur gelingen kann, wenn sie sozial gestaltet ist. Das Heizungsgesetz
noch früher umsetzen zu wollen als der Bund, ohne eine entsprechende
Förderkulisse auf den Weg zu bringen: Das ist das Gegenteil einer
sozialen Energiewende.
Claus Ruhe Madsen (Wirtschaft, Verkehr, Arbeit, Technologie und Tourismus):
Ist ambitioniert, motiviert und präsent, bleibt im Ergebnis aber teilweise erfolglos.
Beim
Bahnverkehr droht Schleswig-Holstein künftig schlechter dazustehen als
zu Beginn seiner Amtszeit. Über das Hick-Hack bei der Missunde-Fähre
lacht ganz Deutschland. Die Tourismuszahlen im Norden sind erstmals
wieder rückläufig, und betroffene Tourismus-Regionen fühlten sich nach
der Sturmflut im Stich gelassen.
Werner Schwarz (Landwirtschaft und Verbraucherschutz):
Durch
die Trennung von Landwirtschafts- und Umweltministerium sind wichtige
Synergien verloren gegangen. Entsprechend sind kaum nennenswerte
Fortschritte im Sinne einer nachhaltigen Agrarpolitik zu verbuchen.
Hinzu kommt, dass Minister Schwarz kaum wahrnehmbar ist in wichtigen
politischen Debatten. Der Ausbau des ökologischen Landbaus blieb hinter
den Erwartungen zurück, Mittel für Tierheime wurden wieder gestrichen.
Auch
der Verbraucherschutz hat von Schwarz nicht profitiert. Die
Landesmittel für die so dringend benötigte Quartiersarbeit sollen nach
nur einem Jahr schon wieder gestrichen werden.
Dirk Schrödter (Chef der Staatskanzlei, Digitalisierung, Northvolt-Ansiedlung):Dirk Schrödter ist ohne Zweifel ein tüchtiger Allrounder, bleibt zur Halbzeit jedoch ohne klar erkennbare Erfolge.So hinken die Erfolgsmeldungen bei der Digitalisierung den Ambitionen deutlich hinterher. Trotz zahlreicher Initiativen werden Digitalisierungsprojekte nur schleppend umgesetzt und bieten kaum echte Verbesserungen im Alltag der Bürger und Unternehmen. Entsprechend bleiben die Nutzerzahlen hinter den Erwartungen zurück.
Dirk Schrödter spielt zudem eine Schlüsselrolle bei der Ansiedlung von Northvolt in Schleswig-Holstein, hat maßgeblich an der Steuerungsgruppe zur Unterstützung des Projekts mitgewirkt. Der Druck auf den Staatskanzleichef dürfte enorm sein, denn von seinem Erfolg in dieser Sache hängt eine Menge ab für unser Land."
Quelle: SSW