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Exklusiv: Erster TV-Auftritt von Noch-Grünen-Chefin Ricarda Lang nach angekündigtem Rücktritt

Archivmeldung vom 30.09.2024

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 30.09.2024 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Sanjo Babić
Ricarda Lang (2023)
Ricarda Lang (2023)

Bild: Eigenes Werk /SB

Die Grünen-Parteivorsitzende Ricarda Lang hat sich erstmals nach der Ankündigung ihres Rücktritts in einem exklusiven TV-Interview geäußert.

In der ARD-Sendung „Konfrontation: Markus Feldenkirchen trifft Ricarda Lang“, die am Montag um 22:50 Uhr im Ersten ausgestrahlt wird, spricht Lang offen über die Beweggründe für ihren Rückzug, ihre Enttäuschung und den Zustand der Grünen. „Wir befinden uns gerade in der wahrscheinlich tiefsten Krise, die unsere Partei bisher erlebt hat“, sagte die Noch-Chefin der Grünen. Ihr Co-Vorsitzender Omid Nouripour und sie hätten deshalb die notwendige Konsequenz gezogen: „Ich hatte nicht mehr das Gefühl, dass wir in der Lage sind, die Partei aus dieser Krise zu führen. Und dann klebe ich nicht an meinem Stuhl, sondern dann mache ich Platz für neue Gesichter.“

Ausschlaggebend für ihre Entscheidung sei letztlich das schlechte Ergebnis von Bündnis 90/Die Grünen bei der Landtagswahl in Brandenburg gewesen. Der Rückzug sei ein persönlicher Schritt, den sie aus eigener Überzeugung vollzogen habe: „Das war meine eigene Idee, ich habe das selbstbestimmt entschieden.“

Lang: Kein Druck von Robert Habeck

Lang wies Gerüchte zurück, dass Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck sie zu diesem Schritt gedrängt habe. Auf die Frage, ob Habeck sie loswerden wollte, antwortete Lang: „Nein, das stimmt nicht.“ Lang ergänzte: „Ich finde es unpassend, dass gerade bei einer jungen Frau so getan wird, als bräuchte sie einen Architekten, einen Strippenzieher, um so eine Entscheidung zu treffen. Ich treffe meine Entscheidung schon alleine.“

Lang betonte, dass das Verhältnis zu Habeck auch weiterhin von einem kollegialen Miteinander geprägt sei. Sie warnte ihre Partei davor, den Teamgedanken jetzt zu vernachlässigen, um nur auf den einen starken Mann an der Spitze zu setzen: „Ich glaube, das wäre der falsche Weg“, sagte Lang.

Kritik an strategischer Neuausrichtung der Partei

Darüber hinaus äußerte sich Lang kritisch zu den aktuellen strategischen Überlegungen innerhalb der Partei, die Grünen breiter aufzustellen. „Wir reden gerade bei den Grünen viel darüber, ob man in den nächsten Jahren in die Breite gehen will oder nicht. Wir werden niemals in die Breite der Gesellschaft kommen, solange wir als Elitenprojekt wahrgenommen werden. Und das muss man anerkennen: Gerade werden wir Grüne stärker als Elitenprojekt wahrgenommen als lange Zeit davor.“

Sie nannte vor allem zwei zentrale Gründe für ihren Rücktritt: die zunehmende Entfremdung zwischen Politik und Bevölkerung sowie die tiefe Krise, in der sich Bündnis 90/Die Grünen nach mehreren Wahlverlusten befinde. Sie betonte, dass es keinen Platz für eine „Augen zu und durch“-Mentalität gebe: „Wenn bei den Menschen das Gefühl ankommt, dass wir nicht mal mehr den Schuss hören, dann führt das zum Vertrauensverlust.“ Ihr Rücktritt solle der Partei die Möglichkeit geben, sich für den kommenden politischen Wettbewerb besser aufzustellen.

Lang: „Habe persönliche Fehler gemacht“

Im Interview mit Feldenkirchen räumte Lang auch persönliche Fehler ein und sprach von einem Scheitern ihrer Ziele: „Ich bin in diesen Vorstand gegangen, um das soziale Profil zu schärfen. Den Menschen mit mittlerem und kleinem Einkommen wollte ich zeigen, dass wir für sie da sind. Das ist mir nicht gelungen.“

Emotionale Worte fand Lang im Gespräch, als sie gefragt wurde, ob ihr die Entscheidung zum Rücktritt wehgetan habe: „Ja, natürlich. Ich habe die letzten Jahre unfassbares Herzblut in diesen Laden gesteckt.“ Sie fügte hinzu: „Dieser Schritt war schmerzhaft für mich, der war hart für mich, der war emotional für mich.“

Lang zeigte sich entschlossen, weiter in der Politik aktiv zu bleiben: „Aus der Politik verabschiede ich mich nicht. Ich werde wieder für den Bundestag kandidieren und weiterhin politisch gestalten.“

Lang: „Ich bin kein Opfer“

Auf die Frage von Feldenkirchen, ob der Hass, der ihr in den sozialen Medien entgegenschlägt, einen Einfluss auf ihren Rücktritt gehabt habe, äußerte Lang: „Der Bullshit, der da kommt, das ist ja keine Kritik, das hat rein gar nichts mit meinem Rückzug zu tun. Das will ich auch einmal ganz klar sagen. Ich bin kein Opfer und ich werde mich auch nicht von diesem Bullshit definieren lassen.“

Deutliche Worte fand Lang zudem in Bezug auf aktuelle Diskussionen um Bündnis 90/Die Grünen und das politische Klima in Deutschland. Sie kritisierte, dass viele Akteure mehr daran interessiert seien, ihre eigene Macht zu sichern, als Verantwortung zu übernehmen: „Ich finde, eine notwendige Voraussetzung, Politiker zu sein, ist, dass man die Menschen liebt, für die man Politik macht.“

Harte Kritik an Markus Söder

Lang äußerte in dem TV-Gespräch harte Kritik in Richtung CSU-Chef Markus Söder, der in der vergangenen Zeit einer der schärfsten Grünen-Kritiker war. „Markus Söders Meinungen haben die Halbwertszeit von einem durchschnittlichen Joghurt. Ich glaube, der würde seine Oma verkaufen, wenn er damit gerade politisch irgendwie vorankommen würde.“ Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz, den sie zwar nicht unbedingt politisch, aber persönlich schätze, werde es mit Söder nicht leicht haben, sollte er Bundeskanzler werden. Es sei „ein Angriff auf Friedrich Merz“, was Söder derzeit betreibe: „Wenn Merz am Ende eine schwarz-grüne Koalition machen will, dann werden die Ansagen nicht in Berlin, sondern in München gemacht. Und ehrlicherweise kann Friedrich Merz das nicht auf sich sitzen lassen.“

Quelle: WDR Westdeutscher Rundfunk (ots)


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