Rente mit 63: Unions-Vizefraktionschef plädiert für einen Stichtag am 1. Juli 2014
Archivmeldung vom 09.04.2014
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Freigeschaltet durch Doris OppertshäuserFür den 1. Juli 2014 als Stichtag im Umgang mit der Anrechnung von Arbeitslosigkeit bei der abschlagsfreien Rente mit 63 plädiert Ralph Brinkhaus, Vize-Fraktionschef der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, im Gespräch mit der in Bielefeld erscheinenden Neuen Westfälischen. Der CDU-Politiker sagte: "Die SPD will Jahre der Arbeitslosigkeit mit einschließen. Wir sehen das skeptisch".
Brinkhaus weiter:" Wir wollen auf jeden Fall verhindern, dass jemand mit 61 aus dem Beruf aussteigt und nach zwei Jahren Arbeitslosigkeit mit 63 abschlagsfrei die Rente nach 45 Beitragsjahren bezieht. Um das zu verhindern, wäre das Beste eine Stichtagsregelung. Das heißt, dass Zeiten der Arbeitslosigkeit beispielsweise nur bis zum 1. Juli 2014 angerechnet werden. Wir müssen mit der SPD im parlamentarischen Verfahren noch genau klären, wie wir die Arbeitslosigkeit definieren und wie lange sie anrechenbar sein soll. Auch beim Rentenpaket gilt: Kein Gesetz kommt aus dem parlamentarischen Verfahren so heraus wie es hineingegangen ist."
Das Unwohlsein in der Fraktion verstehe er, sagte Brinkhaus weiter: "Wir müssen heute den Jungen sagen, dass sie bis 67 arbeiten müssen und bei den ganz Jungen hege ich Zweifel, ob die 67 als Altersgrenze überhaupt ausreichen. Bei allem Verständnis für die Betroffenen der Rente mit 63, wir dürfen kein falsches Signal abgeben, das den übergeordneten Zielen in der Rentenpolitik widerspricht."
In Bezug auf die Rente mit 67 stellten sich grundsätzliche Fragen, so der Christdemokrat: "Die finde ich viel spannender als die Rente mit 63: Wie schaffen wir Arbeitsbedingungen, die es Arbeitnehmern ermöglichen, bis 67 im Betrieb zu bleiben? Wir müssen darauf achten, dass die Beschäftigten nicht frühzeitig physisch oder psychisch zu erschöpft sind. Eine wichtige Frage hat Carsten Linnemann von der Mittelstandsvereinigung aufgeworfen: Wie schaffen wir rechtliche Rahmenbedingungen, dass Arbeitnehmer nach Renteneintritt weiter befristet arbeiten dürfen und der Arbeitgeber auch etwas davon hat? Linnemann hat vorgeschlagen, die Sozialversicherungspflicht in solchen Fällen einzuschränken."
Zeitung: Kanzleramtsminister Altmaier soll Renten-Streit schlichten
Im Streit um die abschlagsfreie Rente mit 63 soll jetzt Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) eine Lösung finden. Wie die "Bild-Zeitung" (Mittwoch) meldet, wird sich Altmaier nach Ostern zu einem Spitzentreffen mit Arbeitsstaatssekretär Jörg Asmussen (SPD) treffen. Das Gespräch soll vor der nächsten Sitzungswoche Anfang Mai stattfinden. Vor allem der Wirtschaftsflügel der Union droht damit, dem Rentenpaket der Bundesregierung nicht zuzustimmen, wenn mehr als fünf Jahre Arbeitslosigkeit für die Rente mit 63 mit angerechnet werden.
Mehr als 60 Abgeordnete des Parlamentskreises Mittelstand (PKM) verlangen sogar, Arbeitslosigkeit überhaupt nicht anzurechnen. Nach Informationen von "Bild" hatte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am Montag auf der Präsidiumssitzung der CDU-Mittelstandsvereinigung ungewöhnlich scharf auf den Widerstand gegen die Rente mit 63 in den eigenen Reihen reagiert. Anwesende äußerten anschließend den Eindruck, die CDU-Vorsitzende nehme die Verweigerung der Zustimmung "persönlich".
Rente mit 63: Kauder mahnt in der Union zu Zurückhaltung
Im Streit um die Rente mit 63 mahnt Unions-Fraktionschef Volker Kauder die eigenen Abgeordneten zur Zurückhaltung. "Es wird mir zu viel über ein mögliches Abstimmungsverhalten gesprochen, ohne das überhaupt klar ist, über was letztlich abgestimmt wird", sagte Kauder in einem Interview mit dem "Handelsblatt".
Anfang Mai werde es eine Anhörung Sachverständiger zum Rentenpaket geben. "Dann gehe es darum, eine Regelung zu schaffen, die eine Frühverrentungswelle möglichst ausschließt." Mehr als fünf Jahre Arbeitslosigkeit dürften nach Kauders Überzeugung nicht angerechnet werden. "In dem Zusammenhang wird auch über den Vorschlag gesprochen werden, flexible Lösungen für all jene zu finden, die schon das Rentenalter erreicht haben, aber noch gerne weiterarbeiten möchten", sagte Kauder.
Die Kosten dieser Flexi-Rente würden gerade geklärt. "Ich bin zuversichtlich, dass es nicht zu teuer sein wird", sagte der CDU-Politiker. "Wenn wir Frühverrentung vermeiden können und mehr Flexibilität für Arbeit jenseits des Renteneintrittsalters hätten, wäre es letztlich ein gutes Rentenpaket, zumal auch eine bessere Mütterrente für neun Millionen Frauen kommt. Und jeder in der Union muss wissen: Die von uns zugesagte bessere Mütterrente gibt es nur mit der Rente nach 45 Beitragsjahren", mahnte Kauder die eigenen Reihen.
Klar sei aber auch: "Wir sind hier nicht auf einem Basar." Auch in einer Großen Koalition gelte, dass gemeinsame Vorhaben "von einer breiten Mehrheit" getragen werden sollen. "Geschlossenheit ist wichtig", sagte Kauder. "Dafür werbe ich. Deshalb spreche ich mit der SPD darüber, das Rentenpaket so auszugestalten, dass die allermeisten zustimmen können."
Kauder ließ offen, ob die Gesetzesvorhaben zur Rente mit 63 und zur Mütterrente in einem Gesetz zur Abstimmung kommen oder getrennt, wie es Teile der Unionsfraktion fordern. "Das klären wir noch mit der SPD", sagte er.
Merkel fordert Zustimmung zum Rentenpaket
Im Streit um die Rente mit 63 hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die Kritiker in den eigenen Reihen ermahnt und Zustimmung zum Rentenpaket der Bundesregierung eingefordert. Das meldet die "Bild-Zeitung" (Dienstag) unter Berufung auf Fraktionskreise. Danach warf Merkel den Abgeordneten in der Fraktionssitzung am Montag vor, sie sollten "nicht ständig sagen, wie man abstimmt". Das schade dem Ansehen der Großen Koalition. Diese Woche solle schließlich der schuldenfreie Bundeshaushalt gefeiert werden, mahnte die Kanzlerin nach "Bild"-Angaben. Derzeit wollen mindestens 64 Abgeordnete von CDU/CSU der Rente mit 63 im Bundestag nicht zustimmen.
Rente mit 63: Fresenius-Chef empfiehlt CDU notfalls Ausstieg aus Koalition
Der Vorstandsvorsitzende des Gesundheitskonzerns Fresenius, Ulf M. Schneider, hat sich mit ungewöhnlich scharfer Kritik in die politische Auseinandersetzung über die Rente mit 63 eingeschaltet: Nach Auffassung Schneiders sollte die Union notfalls einen Ausstieg aus der großen Koalition in Betracht ziehen, um schädliche Folgen dieses Gesetzesvorhabens abzuwenden.
"Ich würde von Politikern gerade der CDU erwarten, dass sie lieber ein Scheitern der Koalition und Neuwahlen in Kauf nehmen, als diese unverantwortliche Entscheidung mitzutragen", sagte Schneider der F.A.Z. (Dienstagausgabe). "Die Rente mit 63 ist eine Sünde an den jungen Menschen in Deutschland, die für die Kosten werden aufkommen müssen", sagte er.
Schneider steht seit mehr als zehn Jahren an der Spitze des im Aktienindex DAX notierten Unternehmens mit Sitz in Bad Homburg. Der Spitzenmanager verstärkte damit indirekt Äußerungen der stellvertretenden CDU-Vorsitzenden Julia Klöckner, die am Montag mit einem Scheitern des Gesetzes zur Rente mit 63 gedroht hatte, falls sich die SPD nicht auf weiterreichende Kompromisse einlassen sollte.
Der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer hatte Klöckners Äußerungen am Montag scharf zurückgewiesen. Nachdem im Januar vom Bundeskabinett beschlossenen Gesetzentwurf sollen Versicherte, für die 45 Jahre lang Sozialbeiträge gezahlt wurden, künftig ohne Rentenabschläge mit 63 in den Ruhestand wechseln können. Dabei sollen auch Zeiten des Bezugs von Arbeitslosengeld I in vollem Umfang anerkannt werden. Dies ist in der Koalition allerdings umstritten.
Bisher steigt indessen die Zahl der älteren Menschen, die in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis stehen, weiter kräftig an. Das zeigen neue Zahlen der Bundesagentur für Arbeit (BA), die der F.A.Z. vorliegen. Im September 2013 waren den Daten zufolge insgesamt 1,652 Millionen Arbeitnehmer im Alter von 60 bis 64 Jahren sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Das waren fast 170.000 mehr als ein Jahr zuvor. Seit dem Jahr 2007 hat sich die Beschäftigtenzahl in dieser Altersgruppe damit verdoppelt.
Das Bundesarbeitsministerium erwartet, dass die abschlagsfreie Rente mit 63 im Einführungsjahr von 200.000 Versicherten genutzt wird. Drei Viertel von ihnen würden nach Schätzung des Ministeriums auch ohne eine Neuregelung und dann mit Abschlägen vorzeitig in Rente gehen; ein Viertel von ihnen, also etwa 50.000 Versicherte, werden der Ministeriumsschätzung zufolge ihren bislang für einen späteren Zeitpunkt geplanten Renteneintritt vorziehen.
Stegner schließt Nachverhandlungen über Rentenpaket aus
Der SPD-Bundesvize Ralf Stegner hat Nachverhandlungen über das Rentenpaket von Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) ausgeschlossen. Er reagierte damit auf Äußerungen der CDU-Vizechefin Julia Klöckner, die mit einem Scheitern der Rente mit 63 gedroht hatte, sollte es bei der bisherigen Ausgestaltung bleiben. "Auch die Kollegin Julia Klöckner weiß sicher, dass Verträge unter Erwachsenen nicht einseitig nachverhandelt werden können", sagte Stegner "Handelsblatt-Online". Deshalb sei er sehr zuversichtlich, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) für Vertragstreue bei der Union sorgen werde. "Die Menschen können sich auf die SPD verlassen: Mindestlohn und Rentenkonzept kommen wie vereinbart. Punkt."
Stegner unterstrich in diesem Zusammenhang, dass die abschlagsfreie Rente mit 63 nach 45 Versicherungsjahren genauso im Koalitionsvertrag stehe wie der flächendeckende gesetzliche Mindestlohn und die von der Union gewünschte Mütterrente. Die Rentenvereinbarung beinhalte zudem, dass "gewisse Zeiten der Arbeitslosigkeit" berücksichtigt würden, "was prozentual allerdings kaum ins Gewicht fällt". Die Kritik der Union entzündet sich vor allem daran, dass bei dem geplanten früheren Renteneintritt nach 45 Beitragsjahren auch Zeiträume berücksichtigt werden sollen, in denen die Betroffenen arbeitslos gemeldet waren.
Anrechnung der Arbeitslosenzeiten bei Rente ab 63 kostet knapp 700 Millionen Euro
Die Anrechnung der Arbeitslosenzeiten bei der Rente ab 63, wie sie der Gesetzentwurf zum Rentenpaket aktuell vorsieht, kostet knapp 700 Millionen Euro pro Jahr. Dies ergibt sich aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Grünen, die der "Rheinischen Post" (Montagausgabe) vorliegt.
Nach den Daten der Bundesregierung wären die Kosten "in etwa ein Drittel geringer", würden "bei den Zugangsvoraussetzungen zur abschlagsfreien Rente ab 63 Jahren nur Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit und Berücksichtigungszeiten" eingerechnet. Insgesamt veranschlagt die Bundesregierung rund zwei Milliarden Euro an Kosten pro Jahr für die Rente ab 63 - ein Drittel entspricht knapp 700 Millionen Euro.
Wie weiter aus der Antwort der Bundesregierung hervorgeht, waren mehr als die Hälfte der möglichen Nutznießer der Rente ab 63 zwischenzeitlich arbeitslos. Nur 43,8 Prozent waren durchgehend erwerbstätig. 24,9 Prozent waren bis zu einem Jahr arbeitslos, 13,1 Prozent zwischen einem und zwei Jahren, 14,8 Prozent zwischen zwei und fünf Jahren und 3,4 Prozent länger als fünf Jahre.
Quelle: Neue Westfälische (Bielefeld) (ots)